Die Sprachberater des Bundestages : "Gendern erfordert Kreativität"
Wer im Bundestag beim Schreiben nicht mehr weiterweiß, kann sich an die Gesellschaft für deutsche Sprache wenden. Zunehmend geht es auch ums Gendern.
"Ist dieser Satz wirklich richtig? Irgendwie klingt der merkwürdig." So oder so ähnlich sehen viele der rund 800 Anfragen aus, die jährlich auf dem Schreibtisch von Sybille Hallik und Arne Janssen landen. Die beiden Linguisten arbeiten bei der Sprachberatung des Redaktionsstabs der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), die seit mehr als 50 Jahren sowohl Bundestagverwaltung und Fraktionen sowie den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern bei sprachlichen Unsicherheiten zur Seite steht. Da geht es um Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung, aber zunehmend auch um Themen wie Leichte, Einfache und geschlechtergerechte Sprache. Die meisten Fragen lassen sich schnell aus dem Kopf beantworten oder mit einem kurzen Blick in ein Nachschlagewerk. Für Fälle, die eine aufwändigere Recherchearbeit erfordern, arbeitet die GfdS mit der Dudenredaktion, dem Rechtschreibrat, verschiedenen Bibliotheken und Universitäten oder auch dem Auswärtigen Amt zusammen. Außerdem prüfen Hallik und ihr Kollege jährlich mehr als 200 Texte auf sprachliche Richtigkeit und Verständlichkeit.
Besonders die geschlechtergerechte Sprache wirft viele Fragen auf. Die GfdS sage grundsätzlich Ja zum Gendern und setze sich für diskriminierungsfreie Sprache ein, erklärt Hallik. Die Herausforderung sei dabei, dass die Texte gut les- und vorlesbar, außerdem verständlich und grammatisch korrekt sind. Im Hinblick auf Gesetze sei besonders wichtig, dass Eindeutigkeit und Rechtsicherheit gewährleistet seien.
In Gesetzestexten darf es keine Gendersterne und Co. geben
Die Sprachberatung folge bei dieser Textsorte dem Handbuch der Rechtsförmlichkeit, das vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz herausgegeben wird, sagt Hallik. Darin ist festgelegt, dass Sparschreibungen, zu denen das Gendersternchen, der Unterstrich, der Genderdoppelpunkt und verwandte Formen zählen, in Gesetzestexten keine Anwendung finden. Generell empfiehlt die Sprachberatung, beispielsweise auf Paarformen wie Leserinnen und Leser, Ersatzformen wie Leserschaft und inhärent generische Wörter wie Mensch oder Person zurückzugreifen, um das generische Maskulinum zu vermeiden. Aber nicht immer ist eine derartige Lösung möglich. "Da muss man ein bisschen kreativ sein", sagt Hallik. "Die Formulierungen sollten nicht zu sehr vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichen, denn das beeinträchtigt die Verständlichkeit und die Akzeptanz."
Seit 2009 ist die Sprachberatung für die Prüfung von Gesetzestexten in der parlamentarischen Phase des Gesetzgebungsverfahrens zuständig, allerdings nicht verpflichtend. Hallik und ihr Kollege achten dabei vor allem auf sprachliche Richtigkeit und die Verwendung von möglichst verständlicher Sprache, ohne Zugeständnisse bei der Rechtssicherheit zu machen - ein schwieriger Balanceakt. "Bei einigen Gesetzen ist noch deutlich Luft nach oben, was die Verständlichkeit angeht", sagt Hallik. Für die nächste Legislaturperiode wünscht sie sich deshalb, dass das Parlament die GfdS regelmäßiger beteiligt und den Sprachprofis für die Prüfung mehr Zeit einräumt. "Wenn Dienstagabend ein Gesetz in den Ausschuss kommt und es am Mittwoch beschlossen werden soll, können wir keine Sprachprüfung mehr machen", bedauert Hallik. "Dann ist die Zeit einfach zu knapp."