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Foto: picture-alliance/Rupert Oberhäuser
Wahrzeichen des Ruhrgebiets: Schon von weitem weist das rote Gerüst den Weg zur Zeche Zollverein, wo heute Museen, Start-Ups und Kulturangebote sind. 

Ortstermin im Ruhrgebiet : Unter Kumpeln in der Zeche Zollverein

Über 40 Jahre lang arbeitete Horst Rudnik im Bergbau. Heute führt er Besuchergruppen durch die stillgelegte Zeche Zollverein, die einst größte Zeche der Welt.

22.08.2022
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3 Min

Geschäftig ging es zu im "Land der tausend Feuer": Rund um die Uhr gruben Menschen unter Tage nach Kohle, die über Tage in der sogenannten Kohlenwäsche vom Gestein getrennt und in Kokereien zu Koks für die Stahlproduktion gebacken wurde. Es war die Zeit der Industrialisierung. Ein grauer Schleier hing beständig über dem Ruhrgebiet. "Meine Oma hat immer schnell die Bettdecken reingeholt, bevor alles voller Kohlestaub war", erinnert sich Horst Rudnik. Der 60-Jährige arbeitete über 40 Jahre lang im Bergbau. Mit 14 Jahren ging er auf der Zeche Zollverein in Essen in die Lehre, holte später auf dem zweiten Bildungsweg ein Bergbau-Ingenieurstudium nach und arbeitete auf insgesamt zwölf Zechen.

Projektionen machen Kohleabbau erlebbar

Heute führt er Besuchergruppen über die mittlerweile geschlossene Anlage in Essen. Bis zu 24.000 Tonnen Kohle wurden in der einst größten Zeche der Welt von 1851 bis 1986 täglich gefördert. Als das Geschäft mit der Kohle im Ruhrpott immer unlukrativer wurde, schlossen nach und nach die Zechen. Statt als Ruine zu verfallen, wurde die Zeche Zollverein teilweise umgewandelt. Die Originalanlagen blieben erhalten, in nicht mehr benötigte Gebäude zogen Museen, Start-ups und Restaurants ein. Auch die Folkwang-Universität der Künste hat dort einen Standort.

Seine Touren beginnt Rudnik auf der 50 Meter hohen Aussichtplattform auf dem Dach der ehemaligen Kohlewäsche. Dort zeigt sich, wie die Kohleindustrie mit ihren über 300 Zechen den Ruhrpott geformt hat. Städte wie Essen, Duisburg, Bottrop oder Gelsenkirchen haben ihre heutige Größe Industrialisierung und Kohleförderung zu verdanken. Durch den Abbau des Gesteins und die entstandenen Hohlräume ist der Boden an einigen Stellen abgesackt, auch das lässt sich vom Aussichtspunkt gut erkennen. In der Ferne steigt weißer Rauch aus einer aktiven Kokerei auf. Obwohl Deutschland 2018 aus der Steinkohleförderung ausgestiegen ist, wird im Ruhrgebiet laut Rudnik noch importierte Kohle gebacken. Er trägt seinen Helm, lange Hose und ein gestreiftes Zechenhemd. Die rund 32 Grad Außentemperatur machen ihm nichts aus. "Unter Tage ist es immer so warm gewesen", sagt er.

Zeche Zollverein will Teil des kulturellen Lebens bleiben

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Was mit der Kohle passiert, nachdem sie an die Oberfläche gefördert wurde, können sich Besucher ein Stockwerk weiter unten in der Kohlewäsche anschauen. Auf den originalen Förderbändern und in Waschtrommeln wird mit Hilfe von Projektionen der Weg der Kohle nachgezeichnet. Noch eine Etage weiter unten zeigt das Ruhrmuseum, wie der Bergbau die Gesellschaft geprägt hat. Früher habe sich das gesamte Leben um das Bergwerk gedreht, oft seien Nachbarn gleichzeitig Kumpel gewesen, sagt Rudnik. Mit Schwimmbad, Open Air-Kino und Eisbahn versucht Zollverein Teil des kulturellen Lebens zu bleiben - sogar heiraten kann man dort. Während Rudnik über das Gelände läuft, lässt sich eine Hochzeitsgesellschaft vor den roten Backsteingebäuden fotografieren. Seit 2001 gehört das Areal zum Unesco Weltkulturerbe. Für Rudnik ist es wichtig, die Erinnerung an Zechen und Bergbau durch die Führungen aufrechtzuhalten. Er sei stolz "40 Jahre das Ruhrgebiet mitgeprägt" zu haben.