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Arbeitsmarkt : Das Mittel für die Not

Das Kurzarbeitergeld soll auch in der aktuellen Krise Arbeitsplätze sichern. Ob das Zaubermittel auch diesmal funktioniert?

26.09.2022
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3 Min
Foto: picture-alliance/Panama Pictures/Christoph Hardt

Deutschlands Industrie ist, wie hier in diesem Stahlwerk, sehr energieintensiv. Die aktuelle Preisexplosion kann deshalb Millionen Arbeitsplätze bedrohen.

Was für Millionen Rückenschmerzgeplagte Ibuprofen ist, das ist für krisenerprobte Arbeitsmarktpolitiker das Kurzarbeitergeld: Eine Medizin, die fast immer hilft. Stets mit dem Verweis auf vergangene erfolgreich gemeisterte Krisen wird es im Bundestag beworben, wenn erneut dunkle Wolken über dem Arbeitsmarkt aufziehen, die Firmen nicht allein vertreiben können.In der Corona-Krise wurde zurecht auf die Finanzkrise verwiesen, in der die Möglichkeit zur Kurzarbeit Millionen Arbeitsplätze gesichert hat.

Energiekrise schürt Verunsicherung

Nun, zwei Jahre danach, scheint es aber so, als stehe der Verweis auf die arbeitsmarktpolitisch erfolgreich gemeisterte Corona-Pandemie auf etwas wackligeren Füßen. Denn: Niemand wisse, wie sich die aktuelle Energie - und Lieferkettenkrise auf die deutsche Wirtschaft und damit den Arbeitsmarkt auswirke. Ob das Zaubermittel Kurzarbeit auch diesmal funktioniert? Man könne es nur hoffen - so der Tenor der Bundestagsdebatte am vergangenen Freitag über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit der es ihr weiter möglich sein soll, Erleichterungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld per Verordnung zu erlassen. Schon in dieser Woche soll das Gesetz beschlossen werden, da die Pandemie-Sonderregeln dazu Ende September auslaufen.

Kurzarbeitergeld kostet Milliarden

Ein Grund, warum die Zuversicht etwas gedämpft klingt in diesen Zeiten, liegt nicht nur an der allgemein wenig voraussehbaren Lage, sondern auch an den Finanzen. Denn das Kurzarbeitergeld, so es denn massenhaft beantragt wird, belastet den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit hohen Milliardensummen. Auf mehr als 40 Milliarden Euro haben sich die Kosten für das Corona-Kurzarbeitergeld schließlich aufsummiert. Doch während die BA zu Beginn der Corona-Pandemie über eine hohe Rücklage verfügte, sind ihre Finanzen nun im Defizit. Trotzdem gebe es schlicht keine Alternative zu diesem Gesetzentwurf, hieß es aus den Ampel-Fraktionen.


„Sie haben nicht erkannt, welche Maßnahmen wir jetzt eigentlich bräuchten.“
Jana Schimke (CDU)

Das Gesetz soll es der Regierung unter anderem ermöglichen, Kurzarbeitergeld-Regelungen auch für die Leiharbeitsbranche zu erlassen. Bis Ende des Jahres soll es weiter ausreichen, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sind. Sonst muss mindestens ein Drittel der Beschäftigten betroffen sein. Beschäftigte müssen auch keine Minusstunden aufbauen, bevor Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann.

Für die Möglichkeit des anrechnungsfreien Hinzuverdiensts durch Aufnahme eines Minijobs während der Kurzarbeit wird ebenfalls eine - bis zum 30. Juni 2023 befristete - Verordnungsermächtigung geschaffen. Nicht vorgesehen ist eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf mehr als 60 beziehungsweise 67 Prozent (mit Kind) des letzten Verdienstes. Während der Corona-Pandemie war es unter bestimmten Bedingungen möglich, höhere Leistungen bei der BA zu beantragen.

CDU fordert ganz andere Maßnahmen

Jana Schimke (CDU) betonte, sie habe prinzipiell gar nichts gegen das Kurzarbeitergeld einzuwenden. "Aber die Regierung hat noch nicht erkannt, welche Maßnahmen wir eigentlich bräuchten, um die Unternehmen zu retten", kritisierte sie und forderte statt der Gasumlage die Einführung eines Gaspreisdeckels.

Gerrit Huy (AfD) warf der Regierung vor, der deutschen Wirtschaft den "letzten Dolchstoß" zu versetzen. Da helfe auch kein Kurzarbeitergeld mehr. Wer die Industrie kaputt mache, könne auch keine Schutzschirme mehr aufspannen. Pascal Meiser (Linke) sagte, neben dem Kurzarbeitergeld müsse es jetzt eine Politik geben, die Firmen davor bewahrt, überhaupt in Not zu geraten. "Wir brauchen endlich eine Energiepreisbremse", sagte Meiser. Er forderte außerdem ein höheres Kurzarbeitergeld für Geringverdienende.

Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld

😷 Um die negativen Folgen der Corona-Pandemie für die Firmen gering zu halten und Arbeitsplätze zu sichern, wurden im Frühjahr 2020 erstmals erleichterte Kurzarbeit-Regeln erlassen; zeitweise waren auch die Leistungssätze erhöht.

👥 Es soll weiter ausreichen, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sind. Auch die Leiharbeitnehmer sollen künftig wieder in die Regelungen einbezogen werden.

⏱️ Beschäftigte sollen auch in den nächsten Monaten keine Minusstunden aufbauen müssen, bevor Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann.



Die Parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme (SPD) versicherte, der russische Präsident werde es nicht schaffen, Deutschland zu destabilisieren. "Wir bleiben solidarisch und sozial, nach innen und außen", sagte sie. "Wir wissen, dass Kurzarbeit nicht die Lösung ist, aber sie ist die Brücke bis zur Lösung des Problems", war sich Jens Beeck (FDP) sicher. Dagmar Schmidt (SPD) ergänzte, man dürfe jetzt nicht nur Brücken bauen, sondern müsse Wege in die Zukunft weisen, zum Beispiel mit der Verbindung von Kurzarbeitergeld und Qualifizierung. Beate Müller-Gemmeke (Grüne) sagte: "Noch wissen wir nicht, wie sich die Energiepreise auf den Arbeitsmarkt auswirken, aber wir wollen vorbereitet sein."