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Klimakiller Bauen : Zäher Wandel in der Baubranche

Die Baubranche ist für einen großen Teil der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Ein Umdenken setzt nur langsam ein und wird durch bürokratische Hürden erschwert.

13.12.2021
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4 Min
Foto: picture alliance/dpa/Lothar Ferstl

In diesem mehrgeschossigen Bau aus Holz entstehen in Berlin 98 Wohnungen, die Hälfte davon Sozialwohnungen. Nachhaltige Neubauprojekte wie dieses sind bislang die Ausnahme.

Der Bau gilt als eine Schlüsselbranche, um Deutschland und Europa bis Ende 2045 klimaneutral zu machen. Doch der notwendige Transformationsprozess lahmt. Dabei ist die Branche im Bereich der grauen Energie - der Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produkts benötigt wird - für etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen und 60 Prozent des Abfalls verantwortlich.

Das liegt zum einen am Zement, aus dem auch Beton hergestellt wird. Für Gebäude, aber auch für den Bau von Stromtrassen und Windrädern wird er gebraucht. Seine Herstellung macht allein in Baden-Württemberg etwa 35 Prozent der industriellen CO2-Emissionen aus, wie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) errechnet hat. Zwei Drittel stammen aus der Entsäuerung des natürlichen Rohstoffs Kalk.

Sanierungsquote stockt bei einem Prozent

Ein weiterer Grund ist die stagnierende Sanierungsquote im Gebäudebestand. Sie liegt seit längerem pro Jahr bei etwa einem Prozent. Um bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, müsste diese Quote laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) auf rund 2,5 Prozent ansteigen. Das energetische Sanieren braucht also eine Art Booster, wie ihn die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag verankert haben. Um das enorme Einsparpotenzial für Treibhausgasemissionen zu heben, wird bisher hauptsächlich auf bauphysikalische Instrumente wie effizientere Dämmung gesetzt. Doch die graue Energie bleibt in der Regel unberücksichtigt. Dabei hat der Neubau auch während der Corona-Krise massiv zugelegt, wie aktuelle Zahlen des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen. 2022 rechnet es mit Zuwächsen zwischen 4,6 Prozent und 5,8 Prozent; als stärkstes Segment gilt der ressourcenintensive Wohnungsbau. In der Folge werden Rohstoffe immer knapper - besonders Primärbaustoffe wie Sand und Kies sind zunehmend übernutzt.

Zahlreiche Experten fordern eine Bauwende, verbunden mit mehr seriellen und modularen Bauformen, geschlossenen Materialkreisläufen ("Cradle-to-Cradle-Prinzip") und mehr Forschung zu Recycling-Baustoffen. Ein Problem: Bisher gibt es für den Gebäudebereich "keine offizielle Definition für Klimaneutralität", wie das BBSR betont. Das Bundesinstitut verweist auf die bisherige Zieldefinition eines "nahezu klimaneutralen Gebäudebestandes", der definiert wird als eine 80 prozentige Reduktion des nicht-erneuerbaren Primärenergiebedarfs für den Zeitraum 2008 bis 2050.

Ziellücke von rund 18 Millionen Tonnen CO2-Äqivalente 

Auf dieser Grundlage hat das BBSR dieses Jahr ein Trend- und ein Zielszenario erstellt. Damit sollten mögliche Handlungslücken zur Erreichung der CO2-Minderungsziele unter den politischen Rahmenbedingungen identifiziert werden. Die Ergebnisse zeigen: Beim Trendszenario gibt es 2030 eine Ziellücke von rund 18 Millionen Tonnen CO2e (CO2-Äquivalente) hin zum klimaneutralen Gebäudebestand, die Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich würden noch rund 88 Millionen Tonnen CO2e betragen. Laut Zielszenario würden die Treibhausgasemissionen 2030 nur noch 52 Millionen Tonnen CO2e betragen, das Sektorziel laut Bundes-Klimaschutzgesetz würde um 18 Millionen Tonnen CO2e übererfüllt. Damit wäre ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand 2045 verwirklicht.

Bereits im November hat die Bauministerkonferenz der Länder eine Änderung des Gebäudeenergiegesetzes beschlossen. Danach sollen nicht mehr nur der Energiebedarf und damit die Anforderungen an die Gebäudedämmung maßgeblich sein, sondern die gesamte Klimabilanz von Gebäuden bis hin zu ganzen Quartieren betrachtet werden. Ziel ist es, den Konflikt zwischen Klimaneutralität bei Neubau und Sanierung auf der einen und der Bezahlbarkeit von Wohnraum auf der anderen Seite zu entschärfen.

Abbruchgebäude als Rohstoffquelle

Klar ist schon jetzt: Damit ein heute errichtetes Gebäude zur Abschwächung des Klimawandels im Jahr 2045 beitragen kann, ist vorausschauendes Planen und Bauen nötig. Architekten und Umweltverbände fordern daher, den Fokus auf das Bauen im Bestand statt auf Neubau zu legen. Auch müssten das Wissen von Fachleuten besser eingesetzt und mehr Freiräume zugelassen werden, forderte Christine Lemaitre von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) auf der Bau 2021. Auf der weltgrößten Messe für Bau und Architektur wurde zudem die Bedeutung von Materialkreisläufen betont. Die Technik für sortenreines Recycling sei schließlich vorhanden.

Abbruchgebäude gelten schon jetzt als die Rohstoffquelle der Zukunft. Doch von den jährlich 220 Millionen Tonnen mineralischer Abfälle in Deutschland werden bisher nur zehn bis 15 Prozent recycelt - bei einem Potenzial von jährlich 50 Millionen Tonnen Rohstoffe. Das liegt weniger an den technischen Möglichkeiten als an bürokratischen Hürden.


„Langfristig haben wir keinen Mangel an Energie, sondern an Rohstoffen.“
Matthias Heinrich, Umweltberatungsinstitut EPEA

Mit Blick auf die nachwachsenden Rohstoffe gewinnt Holz an Bedeutung. So soll in Berlin mit dem Schumacher-Quartier das größte Holzbau-Quartier in Europa entstehen. Laut Bundesverband Deutscher Fertighausbau (BDF) wächst das Materialvolumen für ein durchschnittliches Holz-Fertighaus in 23 Sekunden nach. Auch das Thünen-Institut hält Holz für ein nachhaltiges Baumaterial mit vielen Vorteilen - klimaneutral, leicht und gute Wärmedämmung. Doch in der Praxis gibt es viele Hindernisse, etwa rechtlicher Art durch unterschiedliche Landesbauordnungen. Deren Vereinheitlichung fordern alle mit dem Bauen verbundene Experten. Nicht zuletzt aufgrund des höheren Planungsaufwands ist ein Holzhaus derzeit noch bis zu 35 Prozent teurer als ein Massivhaus.

Architekten fordern "Bauwende"

Energieeffizienz, CO2-Einsparung und der Einsatz erneuerbarer Energien gehören heute fast überall zu den Standards beim Bau von neuen Gebäuden. Doch zahlreiche Fachleute halten diese Maßnahmen im Hinblick auf die Herausforderungen der Bau- und Immobilienbranche für lange nicht ausreichend. "Langfristig haben wir keinen Mangel an Energie, sondern an Rohstoffen", sagt Matthias Heinrich vom Umweltberatungsinstitut EPEA, das Akteure aus Wirtschaft, öffentlicher Hand und Wissenschaft bei der Umsetzung von Stoffkreisläufen unterstützt und für das Cradle-to-Cradle-Prinzip ("Wiege-zu-Wiege") als eine Lösung für die Ressourcenprobleme wirbt. Durch konsequente Wiederverwertung "können Gebäude wie Bäume und Städte wie Wälder entstehen", sind die EPEA-Macher überzeugt.

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Die Hamburger Initiative Architects for Future baut derzeit eine Wissensdatenbank zum Thema "Klimabewusstes Bauen" auf. Der Zusammenschluss aus Architekten und Bauingenieuren aus ganz Deutschland fordert, vor Abriss oder Neubau die Sanierung vorhandener Gebäude zu realisieren, Rohstoffe konsequent wiederzuverwerten und nur klimapositive Baustoffe zu verwenden. Gebäudeteile müssten auswechsel- und wiederverwendbar sein. Für die Architekten ist klar: "Ohne die Bau-Wende gibt es keine klima- und sozialgerechte Stadtentwicklung."