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Gastkommentare : Atomkraft als neue Brückentechnologie? Ein Pro und Contra

Kann Atomenergie eine Brücke in das Zeitalter erneuerbarer Energien sein oder würde diese Brücke Zweifel am deutschen Kurs in der Energiepolitik wecken?

24.10.2022
True 2023-11-27T15:32:33.3600Z
3 Min

Pro

Atom als Krücke

Foto: Simon Detel/Deutschlandradio
Ann-Kathrin Büüsker
ist Redakteurin und Moderatorin beim Deutschlandradio in Berlin.
Foto: Simon Detel/Deutschlandradio

Das Wichtigste vorweg: Atomenergie ist nicht nachhaltig. Sie produziert strahlende Abfälle, die nachfolgende Generationen belasten und für die Deutschland weiterhin keine Lagerstätte hat. Sie ist eine Risiko-, keine Zukunftstechnologie.

Und dennoch wäre es klug, unter den derzeitigen Voraussetzungen darüber zu diskutieren, ob Atomkraft nicht als Krücke dienen kann, um Deutschland zur Klimaneutralität zu bringen. Denn die Brücke dorthin durch billiges Erdgas ist mit Putins Angriffskrieg zusammengebrochen. Erdgaskraftwerke sollten der Puffer sein für die Zeiten, in denen Erneuerbare schwächeln. Dunkelflauten, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht. Doch angesichts der Gasmangellage ist dies keine Alternative mehr. Wasserstoff steht als Ersatz auch noch nicht ausreichend und bezahlbar zur Verfügung. Und CO2-intensiver Kohlestrom kann und darf in Zeiten der Klimakatastrophe keine Lösung sein.

Es braucht daher eine kurzfristig verfügbare Alternative und die könnte in Atomstrom bestehen. Hierfür müsste die Energiewende modifiziert werden, denn Atomkraftwerken mangelt es an Flexibilität, sie können nicht wie Gaskraftwerke einfach zugeschaltet werden. Hier wird also klug zu überlegen sein, wo und wie die AKW einen Beitrag leisten könnten. Der Stresstest der Netzbetreiber liefert dafür Indizien: in Süddeutschland. Wo der Ausbau des Stromnetzes seit Jahren hinterher hinkt. Wo mit Leipheim im nächsten Jahr ein neues Gaskraftwerk ans Netz gehen soll. Sehr schlechtes Timing. Weil die Energiewende in den letzten Jahren politisch verpennt wurde, gerät sie jetzt in Gefahr. Ihr Ziel aber, eine CO2-freie Energieversorgung, muss gehalten werden, zur Not kurzfristig über die Krücke Atom.

Contra

Brücke ins Nichts

Foto: picture-alliance/dpa
Michael Bauchmüller
ist Korrespondent bei der "Süddeutsche Zeitung" in München.
Foto: picture-alliance/dpa

Atomkraft als "Brückentechnologie" - mit diesem Trostpflaster behalf sich schon die schwarz-gelbe Bundesregierung, ziemlich genau zwölf Jahre ist es her. Damals wollte sie so eine Laufzeitverlängerung rechtfertigen: als Brücke "in das Zeitalter erneuerbarer Energien". Doch diese Brücke trägt nicht, damals so wenig wie heute. Sie ist alles andere als sicher - und sie sorgt in Wahrheit dafür, dass der Ort, den sie erreichen soll, in immer weitere Ferne rückt. Sie überbrückt nicht, sie spaltet.

Das hat verschiedene Gründe, einer ist das Stromsystem selbst. Atomkraft und erneuerbare Energien folgen grundverschiedenen Konzepten. Die eine basiert auf zentralen Großkraftwerken, die andere auf vielen dezentral verteilten Anlagen. Atomenergie erzeugt wenig flexibel stets ähnliche Mengen Strom, während Wind und Sonne mal mehr, mal weniger Energie abwerfen. Die Erneuerbaren verlangen Speicher und eine flexible Ergänzung, die Atomkraftwerke nicht bieten können. Schon deshalb funktioniert diese Brücke nicht. Im Gegenteil: Wer Atomkraft als Brücke will, weckt Zweifel am deutschen Kurs in der Energiepolitik. Auf diejenigen, die in die Energiewende investieren sollen, wirkt das als zuverlässiges Gift.

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Deswegen ist es gut, wenn dieses Kapitel in Deutschland nun Mitte April verlässlich endet. Es macht den Weg frei für eine zukunftsfestere Versorgung. Denn nachfolgende Generationen werden mit einem intelligenten, aus Sonne und Wind gespeisten Stromsystem allemal mehr anfangen können als mit einem, das neben Strom auch Atommüll produziert, und das mit zunehmenden Alter gewiss nicht ungefährlicher wird. Die Brücke Atomkraft ist eine Brücke ins Nichts.