Klimaziele : Batterien ohne Lithium
Die Energiewende dürfte den Bedarf an kritischen Rohstoffen vervielfachen. Könnten besonders knappe Ressourcen durch andere ersetzt werden?
Solaranlagen, Windräder, E-Autos - die Energiewende soll Deutschland unabhängig von fossilen Brennstoffen machen. Dabei gibt es ein großes Aber: Es braucht dann zwar keine Kohle, Öl oder Erdgas mehr, aber gewaltige Mengen an mineralischen Rohstoffen und Metallen. Zu Lithium, Nickel, Kupfer, Magnesium, Titan, Gallium, Germanium kommen Rohstoffe wie Grafit, Kobalt, Seltene Erden und Silizium. Allein in einem Computerchip für die digitale Steuerung eines Kraftwerks stecken rund 60 verschiedene Elemente. Ihre Eigenschaften machen grüne, treibhausgasneutrale Technologien vielfach erst möglich. Doch auch sie sind nur in einer endlichen Menge vorhanden.
Für eine Photovoltaikanlage werden doppelt so viele metallische Rohstoffe benötigt wie für ein Kohlekraftwerk der gleichen Leistung.
Der Bedarf aber wächst rasant. Teils schneller als das Angebot. "Auch wenn sich neue Verfahren mit reduzierten oder anderen Rohstoffbedarfen entwickeln werden, gilt: Je schneller die Transformation hin zu fossilfreien Technologien vollzogen wird und je mehr Länder dies ebenfalls tun, desto schneller wächst dieser Mehrbedarf an", heißt es im Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz "Wege zu einer nachhaltigen und resilienten Rohstoffversorgung".
Taumelt die Welt von einer Abhängigkeit in die nächste?
Während Erdöl, Kohle und mittels Flüssiggascontainern auch Erdgas von einem Dutzend großer Förderländer geordert werden können, sind Abbau und Verarbeitung etlicher Metalle momentan auf wenige oder sogar einzelne Länder begrenzt. Taumelt Deutschland, taumelt die Welt sehenden Auges von einer fatalen Abhängigkeit in die nächste?
Die Internationale Energie Agentur (IEA) hat 2021 berechnet: Sollen die Pariser Klimaziele erreicht werden, werde sich der Bedarf an kritischen Rohstoffen bis 2040 mindestens vervierfachen. Am meisten braucht es demnach für Elektromobilität und Batteriespeicher. Dann folgten der Ausbau der Stromnetze und schließlich die emissionsarme Energieerzeugung vor allem durch Windkraft und Solarenergie.
Für eine moderne Photovoltaikanlage würden der IEA zufolge mehr als doppelt so viele metallische Rohstoffe benötigt als für ein Kohlekraftwerk der gleichen Leistung. Bei Onshore-Windrädern seien es fast fünfmal so viele Metalle, bei Offshore-Windrädern mehr als siebenmal so viele. Zwar bräuchten fossile Kraftwerke dafür zusätzlich enorme Mengen an Brennstoff, doch Anlagen für erneuerbare Energien aufzubauen, sei im Vergleich deutlich ressourcenintensiver.
Mehr als 80 Prozent der Seltenen Erden werden in China gefördert
Globale Rivalitäten, die Friktionen in den globalen Wertschöpfungsketten infolge der Covid-19-Pandemie und der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine haben die Risiken der hohen Importabhängigkeit der deutschen Wirtschaft offengelegt, heißt es in einer in diesem Jahr erschienenen Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IFW) im Auftrag der Wissenschaftsplattform Klimaschutz. Die mangelnde Versorgung mit Energieträgern und Rohstoffen stelle "eine akute Gefahr nicht nur für die konjunkturelle Entwicklung und das Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft insgesamt dar, sondern gefährdet auch den eingeschlagenen Transformationspfad zur Klimaneutralität".
Es gäbe wohl weltweit ausreichend natürliche Rohstoffvorkommen, doch während Erdöl, Kohle, Erdgas von einer Vielzahl großer Förderländer geordert werden können, sind Abbau und Verarbeitung etlicher Metalle momentan auf wenige oder sogar einzelne Länder begrenzt. Mehr als 80 Prozent der Seltenen Erden werden in China gefördert und Südafrika und Russland besitzen mit rund 80 Prozent Marktanteil eine beherrschende Stellung bei der Bergwerksförderung von Platin und Palladium. Auch die Weiterverarbeitung findet häufig außerhalb Europas statt und ist ebenfalls auf einige wenige Länder, vor allem China, konzentriert. Nutzen Staaten diese Marktmacht aus, etwa indem sie den Export erschweren, können Länder wie Deutschland nicht mehr genügend Metalle beziehen.
Mehr Importdiversifizierung sei jedoch grundsätzlich möglich, heißt es in der IFW-Studie. Für die meisten Rohstoffe werde ein starker Anstieg der Nachfrage erwartet. Die dürfte eine Ausweitung und Diversifizierung des weltweiten Angebots anstoßen, was die weltmarktbeherrschende Stellung der bisherigen Anbieter schwächen und den Weg für eine Diversifizierung der deutschen Importe ebnen könne, so die Autoren der Studie. Deutschland und der EU empfehlen sie darüber hinaus, "heimische Unternehmen bei der Erschließung zusätzlicher Bezugsquellen vor allem durch Handels- und Investitionsschutzabkommen sowie durch Rohstoffpartnerschaften mit potenziellen Lieferländern" zu unterstützen.
Experten empfehlen noch stärkere europäische Zusammenarbeit
Eine Studie des Ifo-Instituts aus dem Jahr 2022 empfiehlt der Bundesregierung eine noch stärkere europäische Zusammenarbeit, um den Zugang zu gewährleisten und zu verbessern, ohne die Umwelt- und Sozialstandards zu senken. "Insbesondere in Krisenzeiten ist die Marktmacht der EU von großer Bedeutung, um den Zugang zu Rohstoffen zu gewährleisten."
Deutschland selbst hat sich in den 1990er-Jahren aus dem Metallbergbau zurückgezogen. Er war unrentabel geworden. Die Rohstoffe aus dem Ausland zu importieren war wesentlich günstiger. Jetzt werden, um Abhängigkeiten zu reduzieren und steigenden Preisen entgegenzuwirken, wieder neue Rohstoffquellen gesucht. Bei Spremberg an der sächsisch-brandenburgischen Landesgrenze werden Kupferbestände vermutet. In Thüringen wird nach Kupfer gebohrt. Größere Lithiumvorkommen gibt es Erzgebirge und im Thermalwasser des Oberrheingrabens (siehe Reportage auf Seite 3). Nachteil: Abbau und Weiterverarbeitung der Rohstoffe haben zum Teil gravierende Folgen für Umwelt und Menschen und sind sehr energieintensiv. Mit mehr eigenem Bergbau in Deutschland, in Europa oder auch den USA "hätten wir in dem Fall, dass China nicht mehr liefert, weniger Probleme bei kritischen Metallen", sagt Hubertus Bardt, Rohstoffökonomie-Experte vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Das wäre gut - aber, so Bardt: Die entscheidende Frage sei, wer die nötigen Milliardeninvestitionen tätigen solle. Solange China liefere, scheuten Unternehmen davor eher zurück.
ifo-Präsident Fuest: Verantwortung für Anpassungen bei den Unternehmen
Vermutlich braucht es andere Lösungsansätze. Es gebe "vielfältige Anpassungsmöglichkeiten", sagt Clemens Fuest "Das Parlament" dazu: Diversifizierung der Lieferländer, Lagerhaltung und anderes gehörten dazu - aber vor allem "Forschung und Entwicklung, um besonders knappe oder von Ausfall bedrohte Rohstoffe zu ersetzen", so der Präsident des ifo Instituts. Fuest unterstreicht dabei, die Verantwortung für diese Anpassungen in erster Linie bei den Unternehmen liege, die die Rohstoffe verarbeiten, "nicht bei der Politik".
Es gibt sie, diese technischen Innovationen. Zum Beispiel: Batterien ohne Lithium. Und es gibt die große Hoffnung auf Rohstoffe aus Kreislaufwirtschaft, vulgo: Recycling. Das Motto: Nutzen, was ohnehin schon vorhanden ist. Der Haken: Die Recyclingkreisläufe im industriellen Maßstab müssen erst noch entwickelt werden. Momentan lohnt sich Recycling nur für teure Metalle wie Gold, Platin und Kupfer. Oder es handelt sich um Metalle, die man durch Magnete aus verarbeiteten Strukturen herausholen kann. Der Rest der 60 chemischen Elemente, die zum Beispiel in einem Laptop enthalten seien, werden verschlackt", erklärt Jens Gutzmer, Direktor des Helmholtz-Instituts für Ressourcentechnologie in Freiberg. Das bedeute einen massiven Verlust der Technologie-Metalle. "Noch" ist das entscheidende Wort in diesem Zusammenhang. Experten hoffen, dass Forschung und technische Innovation in Zukunft möglich machen, was heute noch nicht geht.