Interview zu Sanktionen gegen Russland : "Ein Öl-Embargo hätte eher negative Effekte für unser eigenes Land"
Deutschland sollte sich nicht komplett von Russland abkoppeln, meint Malte Kaufmann. Den Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt der AfD-Politiker.
Herr Kaufmann, die EU-Kommission erwägt ein Öl-Embargo gegen Russland. Ein richtiges Zeichen nach Putins völkerrechtswidrigem Angriff auf die Ukraine? Und ein wichtiger Schritt, um vor allem Deutschlands Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu verringern?
Malte Kaufmann: Der Angriffskrieg ist ganz klar und scharf zu verurteilen. Ein Öl-Embargo allerdings halten wir in der AfD-Fraktion für falsch, weil es Russland gar nicht so trifft, wie man sich das vorstellt. Russland sucht und findet jetzt schon andere Abnehmer, die Exporte nach Asien steigen stark, nach Indien, Pakistan, China. Es gäbe zudem die Gefahr, dass das Öl dann doch noch zu uns kommt, durch Kaskadengeschäfte über Drittstaaten. Das war bei Embargos in der Vergangenheit oft so, dass sie nicht gut zu kontrollieren waren. Das heißt, auch das Ziel der Abkoppelung von russischem Öl und Gas würde so vermutlich nicht erreicht. Ein Öl-Embargo hätte eher negative Effekte für unser eigenes Land und unsere eigene Wirtschaft.
Malte Kaufmann (AfD) ist seit Oktober 2021 Abgeordneter im Bundestag und Obmann im Wirtschaftsausschuss.
An welche denken Sie dabei?
Malte Kaufmann: Die Inflation ist schon auf Rekordhöhe, bei 7,4 Prozent, in manchen Branchen wie dem Bau schon zweistellig, und weiter stark steigend. Ein Embargo würde unsere Energiepreise nochmals stark verteuern. Wir haben im Moment keine Möglichkeiten, russisches Öl und Gas zu ersetzen. Es werden zwar LNG-Terminals geplant, aber damit lassen sich nicht die Mengen ersetzen, die wir aus Russland beziehen. Mit einem Embargo bekämen wir ein Riesenproblem bei der Versorgungssicherheit in Deutschland. Der Schuss ginge nach hinten los. Ganz zu schweigen von Gegenmaßnahmen, die Russland einleiten könnte, indem es uns zum Beispiel den Gashahn zudreht.
Die AfD ist bekanntermaßen kein Freund der erneuerbaren Energien: Wie soll Deutschland langfristig seine Energiesouveränität zurückgewinnen?
Malte Kaufmann: Wir sind nicht per se gegen erneuerbare Energien. Sie müssen sich halt auf dem Markt behaupten. Vor allem brauchen wir einen gewissen Prozentsatz an Energie, die grundlastfähig ist, unabhängig davon, ob der Wind weht und die Sonne scheint. Deswegen sagen wir: Der größte Fehler war der Atomausstieg. Wir als AfD würden den Wiedereinstieg in die Atomenergie befürworten und den geplanten Kohleausstieg rückgängig machen. Das sehen im Übrigen viele europäische Länder genauso: Unter anderem Holland, Frankreich und Großbritannien setzen auf Atomkraft.
Ein großer Teil des in Europa verbrauchten Urans kommt aus Russland und engen Partnerstaaten wie Kasachstan - würde da nicht eine Abhängigkeit gegen die andere eingetauscht?
Malte Kaufmann: Wir halten es auch für einen Fehler, wenn man sich zu abhängig von einem Land macht, sei es bei Öl, Kohle, Gas aus Russland oder bei Flüssiggas aus den USA. Vollständige Energiesouveränität wird man wohl nur schwerlich erreichen können, aber Diversifizierung wäre gut. In Deutschland gibt es übrigens auch Uran - das ist zwar im Moment nur mit erheblichen Kosten zu heben, aber technisch wäre es machbar.
Was gehört aus Ihrer Sicht zur Diversifizierung - außer Atom und Kohle?
Malte Kaufmann: Nordstream 2 beibehalten. Nordstream 1 auch. Weiter russisches Gas beziehen. Denn Russland ist nicht nur Putin. Wir brauchen eine Vision für die Zeit nach dem Krieg. Deswegen sollten wir uns nicht komplett von diesem Land abkoppeln und alle Beziehungen kappen. Zudem gibt es andere Länder, aus denen wir Öl und Gas beziehen können. Aber wir müssen auch mehr Energie im eigenen Land produzieren, durch Atomkraft, durch den Stopp des Kohleausstiegs. Von mir aus auch mit Flüssiggas, wenn es sich auf dem Markt behauptet - im Moment ist es exorbitant teuer im Vergleich zu anderen Quellen.
Es wären vor allem Berlin und Ostdeutschland von einem Öl-Embargo betroffen. Deswegen reden derzeit alle von der PCK-Raffinerie in Schwedt mit ihren 1.200 Arbeitsplätzen, die bei einem Embargo vor dem Aus stünde...
Malte Kaufmann: Wir sind gegen das Embargo, das zum Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen auch in der Region führen würde. Wie ist das, wenn der Staat mit solchen Eingriffen daherkommt? Dann werden Beruhigungspillen verabreicht, von Weiterbeschäftigung gesprochen, Umschulungsprogramme aufgesetzt, Pläne entworfen, die Arbeiter in neue Jobs zu drängen und dadurch auch noch wieder die Energiewende zu forcieren. Das ist aber alles mit immensen Kosten verbunden, für die am Ende wieder der Steuerzahler aufkommen muss. Deswegen sind wir dagegen. Wir glauben, Schwedt sollte erhalten bleiben, samt der Arbeitsplätze auch in den Zulieferbetrieben.
Hielten Sie im Falle einer Gasmangelsituation das Mittel der Treuhandschaft oder gar der Enteignung als eine Ultima-Ratio-Lösung für angemessen?
Malte Kaufmann: Ja. Über allem steht die Versorgungssicherheit in Deutschland und das ist durchaus eine Ultima-Ratio-Maßnahme, die man sich vorbehalten muss. Es kann ja nicht sein, dass man die Versorgungssicherheit irgendwelchen marktwirtschaftlichen Prinzipien opfert - in diesem konkreten Fall.
Es gibt bereits Maßnahmen, Unternehmen angesichts der dramatisch steigenden Energiepreise zu unterstützen. Warum reicht Ihnen das nicht?
Malte Kaufmann: Unternehmen und Bürger müssen umfangreich entlastet werden. Das war auch schon vor der aktuellen Krise so. Die Kosten für Unternehmen und Bürger in diesem Land sind allgemein zu hoch.
Das Paket, das die Regierung mit der Streichung der EEG-Umlage, dem Bürgergeld von 300 Euro und dem Neun-Euro-Ticket auf den Weg gebracht hat ist ja schon ein Schritt, um die Bürgerinnen und Bürger merklich zu entlasten...
Malte Kaufmann: ... also eine merkliche Entlastung ist das nicht. Das Neun-Euro-Ticket ist für drei Monate geplant - da hat man jetzt mal drei Monate eine klitzekleine Entlastung. Aber bei einer Inflation von 7,4 Prozent hat der Durchschnittsbürger im Jahr ja tausende Euro an Mehrausgaben.
Welche Entlastungen fordern Sie?
Malte Kaufmann: Die CO2-Steuer sollte abgeschafft werden, die Mineralölsteuer sollte abgesenkt werden - das plant jetzt offenbar auch die Koalition -, und die Mehrwertsteuer sollte auf zwölf Prozent gesenkt werden. Das wäre eine Entlastung für die Bürger und auch ein Signal, dass der Staat es ernst meint.
Ihre Fraktion hat vor einigen Tagen einen Antrag zu neuen Freihandelsabkommen gestellt, da wird Südostasien als mögliche Partnerregion in den Blick genommen. Dort gibt es aber natürlich enge Verbindungen nach China. Macht man sich da nicht auch wieder von einem mächtigen Staat abhängig?
Malte Kaufmann: Es kommt ja darauf an, wie Freihandelsabkommen ausgehandelt sind. China hat teilweise große Staatskonzerne, die Unternehmen in Deutschland einfach so aufkaufen. Ein Freihandelsabkommen mit China könnte durchaus zu besseren Wettbewerbsbedingungen unserer eigenen Unternehmen führen. Und wenn man ein Abkommen mit China oder Südostasien, den USA oder Kanada abschließt, dann könnte man das auch für Russland in Erwägung ziehen. Wir sind eine weltoffene Partei und Fraktion, wir würden gerne mit allen friedliebenden Nationen Handel treiben.
Friedliebend kann man Russland nun momentan ja nicht nennen.
Malte Kaufmann: Sie machen wieder den Fehler Russland gleichzusetzen mit Putin. Die Bevölkerung hat ja auch ein Interesse daran, mit uns in Kontakt zu bleiben und Handel zu treiben. Ich sehe es sehr kritisch, dass im Moment in allen möglichen Bereichen die Kontakte nach Russland abgebrochen werden. Ich verurteile den Angriffskrieg aufs Schärfste. Aber auf der anderen Seite darf man nicht alle Brücken abbrechen.