Anhörung zu Tierhaltungskennzeichen : Sachverständige sprechen sich für Tierhaltungskennzeichnung aus
Mit dem Kennzeichen sollen Verbraucher sofort erkennen, woher Schweinefleisch stammt. Einigen Experten sehen jedoch noch Schwachstellen im Gesetzentwurf.
Für die Pläne der Bundesregierung zur Einführung einer verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung haben Experten Änderungsbedarf angemeldet. Während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am vergangenen Montag sprach sich die Mehrheit der Sachverständigen dafür aus, die Ergebnisse des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung, der Borchert-Kommission, umzusetzen. Mit dem Tierhaltungskennzeichen sollen Verbraucher sofort erkennen, woher das Schweinefleisch stammt und wie die Tiere gehalten wurden. Der Entwurf wurde im Herbst ins Kabinett gebracht, seitdem reißt die Kritik nicht ab. Das Gesetz nehme keinen Bezug auf die aktuelle Krise der Landwirte, auf die Verbraucher und die Tierschutzaspekte in der Nutztierhaltung.
Ähnliche Einwände wurden in der Anhörung genannt. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der Initiative Tierwohl, kritisierte, dass die Gastronomie, verarbeitete Fleischwaren sowie die Tieraufzucht nicht berücksichtigt würden. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung habe hingegen Empfehlungen zum Umbau der Tierhaltung erarbeitet. "Im Vergleich dazu bietet der Gesetzentwurf nur eine Kennzeichnung mit Stufendefinitionen an", sagte Hinrichs. Dem schlossen sich Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, und Nora Hammer, Geschäftsführerin Bundesverband Rind und Schwein, an.
Experten: "Kein Gesamtkonzept und wenig Lenkungswirkung"
Krüsken bemängelte, der Entwurf weise gravierende Schwachstellen auf, mit denen die angestrebte Lenkungswirkung nicht nur verfehlt, sondern auch konterkariert werde. Das sei unverständlich, weil die Borchert-Kommission "vor Jahren unter etlichen anderen Punkten eine Kennzeichnungsregelung gefordert hat". Für Nora Hammer lässt der Entwurf "ein Gesamtkonzept zum Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland vermissen".
Auch Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Neuland-Schweinehalter in Niedersachsen, wunderte sich darüber, warum bei den angestrebten Tierkennzeichen nicht auf die Borchert-Vorschläge zurückgegriffen wurde. "Dort sind die Kriterien für die Sauenhaltung und Ferkelaufzucht doch weitestgehend erarbeitet", sagte Schulz. Den Vertretern der ökologischen Landwirtschaft, Anne Hamester, Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft des Vereins Provieh, und Peter Röhrig, Geschäftsführender Vorstand beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, fehlte eine "zügige Perspektive" beim Umbau der Nutztierhaltung.
Schweinehalter warnen vor steigenden Produktionskosten
Bereits 2015 habe der wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft die Haltungsbedingungen eines Großteils der Nutztierhaltung in Deutschland als "nicht zukunftsfähig" beschrieben. Hamester kritisierte, die Kennzeichnung müsse über die Haltung des kompletten Lebens der Tiere informieren und den Verlauf von der Geburt bis zur Schlachtung abbilden. Für die Betrachtung der gesamten Lebensphase sprach sich auch Professor Lars Schrader, Leiter des Instituts für Tierschutz und Tierhaltung am Friedlich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit, aus.
Dirk Hesse, Sprecher der Initiative Schweinehaltung Deutschland (ISD), machte darauf aufmerksam, dass steigende Produktionskosten eine weitere Reduzierung der Schweinehalter zur Folge haben werde. Bereits heute stammten fast 30 Prozent des verzehrten Schweinefleisches aus Importen. 2022 hätten zehn Prozent der Schweinehalter ihre Betriebe geschlossen.