Klima- und Transformationsfonds : Finanzhilfen auf dem Prüfstand
Politik und Ökonomen diskutieren über Schuldenbremse und Subventionen. Der Ökonom Lars Feld thematisiert private Beteiligungen an der Infrastruktur wie Autobahnen.
Und plötzlich fehlt das Geld. Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, die Ansiedelung von Mikroelektronik-Firmen, die Strompreisbremse für energieintensive Betriebe - über den Projekten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) schwebt die Geldfrage. Den Plan, umfangreiche Finanzhilfen für die Wirtschaft über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu finanzieren, um damit Kredite jenseits der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse aufnehmen zu können, hat das Bundesverfassungsgericht gestoppt.
Schlechtes Timing? Nach dem verheerenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundesfinanzministerium seine Werbetafel "Mit Geld und Verstand" verhüllt. Laut Ministerium war die Werbemaßnahme ausgelaufen.
"Die Projekte, die sich mit dem KTF verbinden, betreffen den wirtschaftlichen Kern Deutschlands", erklärte Habeck diese Woche nach einem Treffen mit den Wirtschaftsministern der Länder. Da passte es zeitlich, dass der Bundestags-Finanzausschuss diese Woche den 29. Subventionsbericht der Bundesregierung debattierte. In den Jahren 2021 bis 2024 sollten demnach 25 neue Finanzhilfen für die Wirtschaft eingeführt werden, erklärte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Katja Hessel (FDP). Allein für 2024 waren dafür 48,7 Milliarden Euro veranschlagt, zum Großteil KTF-Gelder. "Nach dem Verfassungsgerichtsurteil schauen wir uns ganz viele Subventionen nochmal an", kündigte Hassel folglich an. Sie sagte aber auch: "Die bisher vorgesehenen Finanzhilfen für Unternehmen sind nicht willkürlich, sondern folgen subventionspolitischen Leitlinien."
Ausschuss debattiert Subventionen
Die FDP steht - zumindest bisher - klar für die Einhaltung der Schuldenbremse. Soll heißen: Deutschland darf im kommenden Jahr maximal neue Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen. Diese Grenze zieht das Grundgesetz. Steuererhöhungen lehnt Finanzminister Christian Lindner (FDP) ebenso kategorisch ab. Bliebe nur: Sparen. Sollen Subventionen wegfallen? Im Bundestag streiten die Fraktionen über diese Frage, auch Volkswirte sind uneinig. Schuldenbremse und Subventionen werden zur Gretchenfrage. SPD und Grüne wollen verhindern, dass die im KTF geplanten Projekte in sich zusammenfallen, wie bei der Sitzung des Finanzausschusses deutlich wurde. "Wir leben in Zeiten epochaler Veränderungen, deshalb ist es nachvollziehbar, dass die Subventionen steigen", sagte der SPD-Abgeordnete Bernhard Daldrup.
Kritischer äußerte sich Antje Tillmann, Finanzpolitikerin der CDU/CSU-Fraktion. "Die bedeutendste neue Subvention ist für die Mikroelektronik, nicht für den Klimaschutz. Hier wird alles gefördert, was nicht rechtzeitig auf dem Baum ist", bemängelte die Christdemokratin. Auch die AfD-Fraktion übte Kritik. "Die Subventionen hängen nur sehr vage mit der Transformation zusammen", sagte deren Mitglied im Finanzausschuss, Albrecht Glaser.
Unterstützung erhalten SPD und Grüne von der Fraktion Die Linke. Die fordert in einem Antrag (20/9491) die Aussetzung der Schuldenbremse auch 2024. Begründung: "Die Streichung aller oder Teile der Ausgaben aus den Sondervermögen würde bedeuten, dass die Rezession verschärft und der ökologische Umbau der Wirtschaft gestoppt würde."
Auch Union bei Schuldenbremse-Frage uneins
211,8 Milliarden Euro wollte die Ampel-Koalition in den Jahren 2024 bis 2027 über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) in die Wirtschaft investieren. Nicht nur Politiker von SPD, Grünen, und Linkspartei sind bereit, dafür die Schuldenregel des Grundgesetzes zu schleifen. Obwohl ihr Parteichef Friedrich Merz das im Bundestag ausgeschlossen hat, hinterfragen auch CDU-Landespolitiker wie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner die Schuldenbremse. Auch eine Reihe von Volkswirten plädiert für eine lockerere Haushaltspolitik. Jedoch ist die Wirtschaftswissenschaft in dieser Frage ebenso geteilter Meinung wie die Politik.
"Es ergibt keinen Sinn, langfristige Investitionen für die Transformation der Wirtschaft allein aus den laufenden Steuereinnahmen zu finanzieren, schließlich profitieren davon auch künftige Generationen", argumentiert auf Anfrage Rüdiger Bachmann, Professor für Makroökonomik an der University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana. Bachmann weiter: "Insofern wäre es ökonomisch folgerichtig, hier die Schuldenbremse zu hinterfragen."
Es herrscht "Begriffsverwirrung"
Auch Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen und Professorin für Komparative Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat sich öffentlich positioniert wie Bachmann. Anders aber Schnitzers Kollegin im Sachverständigenrat Wirtschaft, Veronika Grimm. Sie verteidigt die Schuldenbremse, ebenso wie der persönliche Berater von Finanzminister Lindner, Lars Feld, Professor für Ordnungsökonomik an der Universität Freiburg. "In der Diskussion herrscht eine gewisse Begriffsverwirrung", kritisiert Feld auf Anfrage. Mit "Investitionen in die Transformation" seien umfangreiche Subventionen vor allem in alte Industrien gemeint, denen Teile der Politik den Übergang zur Klimaneutralität erleichtern wollten. "Das hat mit staatlichen Investitionen nichts zu tun", sagt der Ökonom. Er wendet sich dagegen, "dass alte wirtschaftliche Strukturen erhalten bleiben und die Illusion genährt wird, dass Klimaschutz nichts kostet". Für Investitionen in das Strom- oder Schienennetz seien "genügend Mittel im Rahmen der Schuldenbremse mobilisierbar".
Im Sondervermögen des KTF bildet den größten Posten für die Ausgaben 2024 mit 18,9 Milliarden Euro die Förderung des Gebäudesektors. Der zweitgrößte Posten ergibt sich daraus, dass die Ampel-Koalition zum 1. Juli 2022 die Stromkunden bei der Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien entlastet hat (EEG-Umlage). Diese müssen nun nicht mehr die Verbraucher als Zuschlag auf ihre Stromrechnung bezahlen. Die Förderung erfolgt aus Bundesmitteln, konkret über den KTF (12,6 Milliarden Euro). Als weitere Förderzwecke sind 4,7 Milliarden Euro für die Elektromobilität (Bau von Ladesäulen) vorgesehen sowie jeweils vier Milliarden Euro für das Eisenbahnnetz und den Bau von Chip-Fabriken, 3,8 Milliarden Euro für die Wasserstoffindustrie und 2,6 Milliarden Euro für die Strompreisbremse für energieintensive Betriebe.
Das Problem: In den KTF sollen nur Einnahmen von 19,1 Milliarden Euro fließen. Diese ergeben sich vor allem aus dem deutschen Anteil am europäischen CO2-Zertifikatehandel. Industrie und Energieerzeuger müssen in der EU Zertifikate erwerben, wenn sie das Klimagas emittieren.
Auch auf nationaler Ebene fließt Geld in den KTF, nämlich die CO2-Zuschläge auf Benzin, Erdgas oder Heizöl. Doch trotz der Einnahmen klafft eine gewaltige Lücke, die die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über Kredite schließen wollte, was nun nicht mehr möglich ist.
Vorschlag für Beteiligung privater Investoren an Infrastruktur
Lindner-Berater Feld sieht eine weitere Möglichkeit, Mittel für Investitionen in die Infrastruktur zu generieren: "In der Tat könnte man sich, ausgehend von der Bundesfernstraßengesellschaft und in Anlehnung an die österreichische Asfinag, vorstellen, dass der Bund sein Eigentum an der Netzinfrastruktur in einer privatrechtlich verfassten Körperschaft bündelt." Neben dem Fernstraßennetz ließe sich durch die Trennung von Netz und Betrieb der Bahn das Schienennetz oder die Beteiligungen an Stromnetzbetreibern in einem solchen privatrechtlichen Unternehmen bündeln, erklärt der Ökonom. "Dieses könnte Umsätze durch Netzentgelte erzielen und sich am Kapitalmarkt im Rahmen der dadurch eröffneten Möglichkeiten verschulden. Zudem könnten private Beteiligungen an dieser Gesellschaft vorgesehen werden."
Die Preisbremsen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds sollen als Konsequenz des Karlsruher Urteils früher enden als geplant.
Nach dem Urteil zum Nachtragshaushalt ringt die Ampel um gemeinsame Lösungen in der Haushaltspolitik. Aus der Opposition kommen erste Rufe nach Neuwahlen.
Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg will nicht gegen den Nachtragshaushalt klagen. Für den Etat 2024 mahnt er eine sorgfältige Beratung an.
Wenngleich sich unter Ökonomen in der Frage der Schuldenbremse Uneinigkeit zeigt, herrscht Übereinstimmung, was das beste Mittel auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft angeht. "Es wäre leichter, die Politik von Minister Habeck zu verteidigen, wenn er ein größerer Freund eines höheren CO2-Preises in Verbindung mit einem Klimageld wäre", sagt Ökonomie-Professor Bachmann. Zwar lehnt er nicht grundsätzlich ab, wenn der Staat in bestimmten Bereichen Investitionen fördert, etwa in der Forschung. Aus ökonomischer Sicht sei das beste Mittel für Klimaschutz aber die CO2-Bepreisung. "Das setzt Anreize für die Wirtschaft und für Verbraucher, weniger Kohle, Öl und Erdgas zu verbrennen." Sicher, höhere CO2-Preise bedeuten steigende Preise für Sprit, Gas und Heizöl. Aber hier ist aus Sicht von Ökonomen ein sozialer Ausgleich leicht möglich. "Sozialpolitisch lässt sich ein höherer CO2-Preis durch ein Klimageld abfedern", erklärt Bachmann.
Kommt das Klimageld?
Im Koalitionsvertrag der Ampel steht ein solches Klimageld, das die Bürger für CO2-Preisaufschläge beim Tanken und Heizen entschädigen soll. Allerdings waren die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung im KTF schon vor dem Karlsruher Urteil anders verplant.
Ob das Klimageld 2025 kommt, wie Bundesfinanzminister Lindner in Aussicht gestellt hat? Erstmal muss er sich mit seinen Koalitionspartnern auf einen Haushalt 2024 einigen. Die Wirtschaftsminister von Bund und Ländern werden nicht nachgeben in ihrem Kampf für die Mittel des KTF zur Unterstützung der Wirtschaft. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) erklärte nach dem Treffen mit Habeck: "Zukunftsinvestitionen in Wirtschaft und damit Wohlstand müssen in Zeiten knapper Kassen Vorfahrt haben vor einer unkontrollierten Ausweitung der Sozialausgaben."