Piwik Webtracking Image

Weniger Antibiotikaeinsatz bei Nutztieren : Streit um noch mehr Bürokratie im Stall

Die Bundesregierung will zur Erhebung von Daten über den Einsatz von Antibiotika das Tierarzneimittelgesetz ändern. Kritik kommt nicht nur aus der Opposition.

17.10.2022
True 2024-08-21T14:18:19.7200Z
3 Min

Bereits seit Jahrzehnten wird über die Reduzierung von Antibiotika bei Nutztieren auf nationaler und europäischer Ebene debattiert, nun kam das Thema erneut in den Bundestag. Die Abgeordneten berieten in erster Lesung das von der Bundesregierung eingebrachte "Gesetz zur Änderung des Tierarzneimittelgesetzes zur Erhebung von Daten über antibiotisch wirksame Arzneimittel und zur Änderung weiterer Vorschriften".

Özdemir warnt von Resistenzen bei Antibiotika

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) warb für den Entwurf. Antibiotikaresistenzen seien eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Deshalb müsse der Einsatz von Antibiotika weiter sinken. Mit dem nun vorliegenden Gesetz komme man in dieser Frage "einen großen Schritt voran". Dabei seien vor allem die Tierärzte gefordert, weil ab 2023 die Anwendung von Antibiotika bei allen Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten gemeldet werden müsse. Zudem würden weitere Nutzungsarten hinzukommen. Mit diesen Maßnahmen würden mehr Daten erhoben und die zuständigen Überwachungsbehörden gestärkt.


„Bürokratie dient der Transparenz und der besseren Auswertung der Daten, die dadurch erfasst werden.“
Franziska Kersten (SPD)

Von der Opposition kam der Vorwurf der "Übererfüllung". Dieter Stier (CDU) gab zu bedenken, dass der Antibiotikaeinsatz in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr "um satte 100 Tonnen drastisch zurückgegangen" sei. Der Verweis, die EU-Verordnung würde es nötig machen, sofort mit weiteren Datenermittlungen zu beginnen, sei "falsch". Nach Meinung seiner Fraktion gebe es an dem Gesetzentwurf "viel zu verbessern".

Mehrbelastung von Tierärzten befürchtet

Auch Stephan Protschka (AfD) verwies auf die gesunkene Vergabe von Antibiotika in der Tierhaltung. Nur fünf Prozent der Resistenzen kämen aus der Tierhaltung. Zudem sei die abgegebene Antibiotikamenge seit 2011 um über 65 Prozent gesunken. Zu befürchten sei, dass mit dem Gesetz zu viel Bürokratie auf Landwirte und Tierärzte zukäme. Deshalb sollten, "nur die notwendigen Daten erfasst werden und dabei nicht über eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Vorgaben hinausgegangen werden".

Dafür bekam er Unterstützung von Ina Latendorf (Linke). Sie machte deutlich, dass Berufsverbände bereits im Vorfeld der Gesetzesänderung Kritik wegen zu viel Bürokratie geübt hätten. Vor allem Tierärzte sähen sich "einer erheblichen Mehrbelastung ausgesetzt", weil mit der Änderung die Meldeverantwortung für Antibiotikagaben zukünftig bei ihnen und nicht mehr bei den Haltern liege. Seit 2011 habe sich mit dieser Praxis der Antibiotikaeinsatz um 65 Prozent reduziert - "ein Erfolg". Statt mehr Verwaltung riet sie, die Arbeitsbedingungen für Landtierärzte attraktiver zu machen. Sie hoffe, dass der Gesetzentwurf noch "wesentliche Verbesserungen erfährt".

FDP gegen Übererfüllung der EU-Vorgaben

Das wünscht sich auch Ingo Bodtke (FDP). Zwar müssten EU-Verordnungen in nationales Recht umgesetzt werden, allerdings reiche es aus, dass "sie eins zu eins umgesetzt" werden. "Kein deutsches Strebertum!", so Bodtke. Mit der FDP werde es keine Übererfüllung der EU-Vorgaben und kein Ausreizen gesetzlicher Spielräume auf nationaler Ebene geben. Für nicht sachgerecht halte auch er die Übertragung der Verantwortung der Dokumentationspflicht vom Tierhalter auf den Tierarzt.

Tierarzneimittelgesetz geändert: Weniger Antibiotika
Damit in Deutschland der Einsatz von Antibiotika bei Nutztieren weiter reduziert wird, hat der Bundestag das Tierarzneimittelgesetz geändert.

Franziska Kersten (SPD) unterstrich die Notwendigkeit des vorliegenden Gesetzes. Bestandteil seien auch Regelungen für weitere Reduzierungen von Antibiotika. Unkontrolliert eingesetzt könnten sie zu Resistenzen führen. Schwere Folge sei, dass Medikamente dann nicht mehr wirksam seien. Auch Fraktionskollegin Luiza Licina-Bode (SPD) plädierte für den Entwurf. Die Einwände, ließ sie nicht gelten. Im Gegenteil, Bürokratie diene "der Transparenz und der besseren Auswertung der Daten, die dadurch erfasst werden".