Debatte um Reform des EU-Gentechnikgesetzes : Weiter Uneinigkeit bei Gentechnik
Union und FDP sind für die Freigabe neuer Methoden in der Pflanzenzucht, wie der Genschere Crispr/Cas. Grüne und SPD haben Bedenken bei gentechnischen Verfahren.
Zu später Stunde verfolgte eine Gruppe Landwirte die Bundestagsdebatte am Donnerstagabend auf der Besuchertribüne. Die Auseinandersetzung erinnerte stark an die Kontroversen aus den 1980er Jahren, als unter anderem sogar mit Filmproduktionen wie "Killertomaten" vor den Gefahren der Gentechnik gewarnt wurde.
Auch 40 Jahre später scheint die Akzeptanz für Gentechnik bei Lebensmitteln unter Verbrauchern eher gering zu sein. So schreibt die Bundesregierung auf ihrer Website: "Gentechnik in Lebensmitteln ist für viele Verbraucher ein sensibles Thema, über 80 Prozent der deutschen Verbraucher möchten keine gentechnisch veränderten Lebensmittel kaufen".
Auf einem Versuchsfeld für Genmais in Brandenburg protestieren Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace.
Ein Großteil der weltweiten landwirtschaftlichen Lebensmittel wie Soja, Mais und Raps werden als gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut und sind in den USA, Kanada, Argentinien, Brasilien, China und Indien von den zuständigen Behörden zugelassen. Die EU-Kommission hatte im vergangenen Jahr angekündigt, die derzeit geltenden Rechtsvorschriften für genveränderte Organismen (GVO) aus dem Jahr 2001 reformieren zu wollen. Wissenschaftlicher und technischer Fortschritt machten Anpassungen nötig, hieß es aus Brüssel.
Union: EU-Gentechnikrecht reformieren
Den Ball nimmt die CDU/CSU-Fraktion nun auf und fordert eine Reform des gültigen EU-Gentechnikgesetzes. Der Antrag mit dem Titel "Landwirtschaftliche Produktion zukunftsfähig gestalten - Innovationsrahmen für neue genomische Techniken schaffen" wurde trotz der späten Stunde hitzig diskutiert.
"Die Reform des EU-Gentechnikrechts ist dringend erforderlich: Neue Züchtungsmethoden wie Crispr/Cas lassen sich mit einem Rechtsrahmen aus den 1980er Jahren nicht regulieren, denn sie unterscheiden sich grundlegend von den konventionellen Formen der Gentechnik", begründete Oliver Vogt (CDU/CSU) den Antrag.
Sein Kollege Alexander Engelhard unterstrich, dass sich "führende wissenschaftliche Institutionen wie die Leopoldina für neue genomische Techniken aussprechen". Das verdeutliche das Potential der neuen Methoden. Mit dem Antrag zeige die Unions-Fraktion auf, "wie wir die Chancen dieser Techniken verantwortungsvoll zur Ernährungssicherung nutzen können". Die Ampel hingegen sei auch bei diesem Thema zerstritten: "Rot und Grün bremsen diese Zukunftstechnologien im Ackerbau aus."
Ampelfraktionen uneins bei Gentechnik
Zustimmung erhielt die Union von den Liberalen. "Crispr/Cas hat das Potential wie damals die Erfindung von Penicillin", sagte Gero Hocker (FDP). Mit der Genschere werde es möglich, in den "trockensten Weltgegenden Weizen anzubauen und den Hunger zu besiegen". Die neuen Züchtungsmethoden seien "eine bahnbrechende Innovation". Es sei nicht mehr vermittelbar, dass "die dadurch entstehenden Chancen bereits von der ganzen Welt genutzt werden, während Europa und vor allem Deutschland schon bei der Forschung abgehängt sind", so Hocker.
Doch bei den anderen Fraktionen stieß der Antrag auf Ablehnung. Johannes Schätzl (SPD) hält es für zu "risikoreich", wenn, wie von der Union gefordert, Ergebnisse aus der herkömmlichen Pflanzenzüchtung für die Bewertung im Gentechnikrecht herangezogen werden. Die SPD sei offen für neue Züchtungsverfahren, aber nicht für gentechnische Züchtungsverfahren.
Grüne: Die meisten Menschen wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel
Karl Bär (Grüne) mahnte "strenge Kontroll- und Prüfverfahren" bei gentechnisch veränderten Pflanzen an. "Die meisten Menschen wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel essen, und das ist ihr gutes Recht", sagte Bär. Peter Felser (AfD) schlug vor, anstatt auf Gentechnik "auf neue Pflanzensorten zu setzen", dazu sollten "alte Sorten herangezogen werden, die es auf der Sortensammelbank" im norwegischen Spitzbergen gebe.
Ina Latendorf (Linke) verwehrte sich gegen "die Einführung neuer gentechnischer Verfahren im Blindflug", ohne wissenschaftliche Bewertung sei das viel zu riskant. Zudem könnten Klima- und Ernährungsprobleme "nicht rein technisch gelöst werden", sagte Latendorf und forderte "eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse". Was dann wieder sehr nach Debatten aus den 1980er Jahren geklungen hat..