Parlamentarisches Profil : Verfechterin der Frauenquote: Kerstin Andreae
Für Kerstin Andreae war es eine Steilvorlage: Als die Justizminister von Bund und Ländern darüber diskutierten, wie es gelingen könne, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, meldete sich die wirtschaftspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag zu Wort: Andreae forderte die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote. Von einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft, wie sie Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorschlägt, hält sie wenig: "Das hat bislang nichts gebracht. Die Quote ist überfällig."
Gleichberechtigung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, frühkindliche Betreuung - das sind Themen, die die 41-jährige Politikerin schon lange beschäftigen. Die Frauenquote ist für sie ein wichtiger Baustein: "Gäbe es mehr Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen, würde sich einiges ändern", sagt sie mit Nachdruck. Andreae - groß, Sommersprossen und rotblonde, kinnlange Haare - hat sich auf dem Besuchersofa in ihrem Abgeordnetenbüro niedergelassen. "Die Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen, die ich kenne, haben eine völlig andere Philosophie. Auch, was die Vereinbarkeit von Job und Familie angeht!"
Was das heißt, weiß sie aus eigener Erfahrung: Den Bundestagswahlkampf im letzten Sommer bestritt sie mit der damals vier Monate alten Tochter im Schlepptau. Das sorgte für Gesprächsstoff. Als politische Botschaft sei dies zwar nicht gemeint gewesen, winkt Andreae ab: "Ich habe damals noch gestillt, es ging gar nicht anders." Doch die Resonanz in Freiburg, ihrem Wahlkreis, sei positiv gewesen. Seit 2002 vertritt die Abgeordnete bereits die "grüne Hochburg" im Bundestag. Das passt, denn auch Andreae - geboren 1968 im Schwarzwaldstädtchen Schrammberg - kann mit einer idealtypischen grünen Sozialisation aufwarten: Mit 14 rettete sie Kröten, sammelte Müll im Wald und demonstrierte gegen die Stationierung von Pershing-II-Raketen. "Wir waren mit Herzblut und Ehrgeiz dabei", erinnert sie sich schmunzelnd. "Wir waren sicher, wir retten die Welt!"
Politisches Engagement gehörte fortan für Andreae dazu: Nach dem Abitur begann sie 1990 in Freiburg Politik und Volkswirtschaft zu studieren, half den Verband "Grün-Alternative Jugend" in Baden-Württemberg mit aufzubauen. 1991 wurde sie in den Vorstand der Jugendorganisation gewählt, ein Jahr später in den Kreisvorstand der Grünen in Freiburg, 1999 schließlich in den Landesvorstand Baden-Württemberg. Im gleichen Jahr wurde Andreae auch Gemeinderätin in Freiburg. Politik als Beruf war trotzdem noch keine Option. "Als Ehrenamt ja, mehr konnte ich mir aber erst nicht vorstellen." Erst als Andreae 1998 für den Europapolitiker Wilfried Telkämper den Wahlkampf koordinierte, wuchs der Wunsch, selbst für ein Mandat im Bundestag zu kandidieren.
Zunächst beschäftigte sich Andreae, inzwischen diplomierte Volkswirtin, lieber beruflich mit Themen, die ihr auch als grüner Politikerin am Herzen lagen: Sie organisierte Kongresse für das Sozialwissenschaftliche Frauenforschungsinstitut in Freiburg und arbeitete beim "Grünen Emissionshaus", einem Finanzdienstleister im Bereich erneuerbarer Energien. Hier sammelte sie Erfahrungen, von denen sie auch als Bundestagsabgeordnete heute noch profitiert: "Lebensalltäglich, aber auch konkret habe ich dadurch eine Vorstellung bekommen, welche Auswirkungen neue Steuergesetze oder Bürokratie auf den Mittelstand haben."
Als wirtschaftspolitische Sprecherin, die Andreae seit 2007 ist, setzt sie sich insbesondere für ein Umdenken in der Wirtschaft ein. Scharf kritisiert sie etwa das "Schielen auf quantitatives Wachstum" als Antwort auf die Krise. Stattdessen pocht sie auf energieeffizientes und ressourcenleichtes Wirtschaften - und die Förderung von Zukunftstechnologien. "Da brauchen wir Wirtschaftswachstum!" Ihr Herzthema deshalb: Die Beschleunigung des Technologietransfers. "Wir haben tolle Tüftler im Bereich der Energieeffizienz, aber das nutzt nur dann etwas, wenn wir die Technologien zügig in der Praxis zur Anwendung bringen - vor allem auch in Dritte-Welt-Ländern."