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Foto: DBT/Thomas Trutschel/photothek
Immer wieder ein Ort leidenschaftlicher Debatten: das Bundestagsplenum.

Seit 1951 : Schreiben für die Demokratie

Die Zeitung "Das Parlament" ist ein Unikum. Sie schließt eine Lücke der Medien im Politikbetrieb.

27.08.2012
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5 Min

Die politische Wochenzeitung "Das Parlament" ist fast so alt wie die Bundesrepublik Deutschland und hat doch ihre ganz eigene Geschichte. Das "Flaggschiff" der politischen Bildung wurde im Jahr 1951 ins Leben gerufen. Bundesweit bekannt wurde es im November 1952, also vor sechzig Jahren, als die Zeitung unter das Dach der damaligen "Bundeszentrale für Heimatdienst" kam, einer Nachfolgeorganisation der bereits im deutschen Kaiserreich gegründeten "Reichszentrale für Heimatdienst". Im Jahr 1963 wurde die Institution dann in die "Bundeszentrale für Politische Bildung" umgewandelt. Seit dem 1. Januar 2001 wird "Das Parlament" vom Bundestag herausgegeben.

Teil des staatlichen politischen Bildungsauftrages

Die Zeitung ist ein Unikum, denn sie ist weltweit die einzige, die in intensiver Form über die Arbeit eines Parlaments berichtet und Reden im Bundestag dokumentiert. "Das Parlament" informiert den Leser über das parlamentarische Geschehen im Deutschen Bundestag, im Bundesrat, im Europäischen Parlament und in den Länderparlamenten. Hinzu kommen Berichte über bedeutende Ereignisse in ausländischen Parlamenten.

Die Wochenzeitung ist über 70 Jahre alt.   Foto: DBT/Stella von Saldern

Die Zeitung "Das Parlament" ist Teil des staatlichen politischen Bildungsauftrages. Schaut man in andere Länder - insbesondere in angelsächsische -, dann wird man feststellen, dass dort staatlich verordnete politische Bildung mit großer Skepsis betrachtet wird und dem Vorwurf möglicher Manipulationen ausgesetzt ist. In Deutschland hingegen ist die politische Bildung, die von staatlicher Seite angeboten wird, in höchstem Maße politisch ausgewogen und wird von den Nutzern deshalb auch mit hoher inhaltlicher Autorität angenommen. Dazu gehört die Bundeszentrale für politische Bildung und die mit ihr verbundene und vom Bundestag herausgegebene Zeitung "Das Parlament". Ausweislich einer Umfrage unter den Lesern aus dem Jahr 2008 lesen 78,9 Prozent die Zeitung "regelmäßig" und immerhin noch 20,1 Prozent "von Fall zu Fall".

Lange Zeit wurde es allerdings als störend empfunden, dass umfängliche Debattenbeiträge aus dem Bundestag in der Zeitung "Das Parlament" abgedruckt wurden - sie sind jetzt in einem separaten Innenteil enthalten. Doch man darf nicht vergessen, dass viele Bürgerinnen und Bürger nur auf diesem Wege die Entscheidungsprozesse im Bundestag nachvollziehen können. Nicht jedem ist es möglich, die Original-Bundestagsdrucksachen mit den Reden nachlesen zu können. Hinzu kommt, dass der Deutsche Bundestag in erster Linie ein Arbeitsparlament und nicht - wie etwa in Großbritannien - ein Redeparlament ist. Insofern leistet die Nachvollziehbarkeit der Debatten im Plenum auch eine wichtige politische Aufklärungsarbeit. Als die Zeitung gegründet wurde, gab es zudem noch nicht das Internet. Heute sind die Bundestagsreden auch dort abrufbar. Deshalb ist es umso wichtiger, dass in der Zeitung "Das Parlament" die Bundestagsdebatten nicht nur dokumentiert, sondern auch Einordnungen von Geschehnissen vorgenommen werden, die sich für den normalen Leser aus der Lektüre von Bundestagsreden allein nicht ergeben.

Befürchtungen nach Wechsel der Herausgeberschaft

Die Zeitung "Das Parlament" wurde lange Zeit von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben - als einzige staatliche Behörde begleitet von einem aus Bundestagsabgeordneten bestehenden Kuratorium. Dieses sollte die politische Ausgewogenheit sicherstellen. Seit dem Jahr 2001 wird die Wochenzeitung nunmehr unmittelbar vom Deutschen Bundestag herausgegeben. Es gab zunächst Befürchtungen, "Das Parlament" könnte zu sehr dem Einfluss der Politik unterliegen, da es sich bei den Mitgliedern der Redaktion um Verwaltungsangestellte oder Beamte der Bundestagsverwaltung handelt, die im Pressezentrum dem Bundestagspräsidenten zugeordnet sind.

Foto: picture-alliance/ ZB
Gerd Langguth
Der Autor, Jahrgang 1946, gestorben 2013, war Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn. Er war unter anderem CDU-Bundestagsabgeordneter, Leiter der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik und geschäftsführender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Von 1981 bis 1985 war Gerd Langguth Direktor der Bundeszentrale für politische Bildung.
Foto: picture-alliance/ ZB

Dagegen sind die Mitarbeiter der Bundeszentrale von den konkreten politischen Entscheidungsprozessen insofern "weiter weg", als dass sie in die Arbeit des Deutschen Bundestages nicht unmittelbar involviert sind. Das sprach zunächst gegen eine Ressortierung beim Deutschen Bundestag. Die Sorge, dass die Redaktionsmitglieder durch ihre Nähe zum Bundestag in ihrer redaktionellen Freiheit eingeschränkt werden, hat sich indes erfreulicherweise nicht bestätigt. Die Leser würden dies auch schnell registrieren.

Fester Bestandteil: Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"

Einen besonderen Wert erhält die Zeitung "Das Parlament" auch durch die regelmäßige Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte", in der wichtige und aktuelle Themen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur wissenschaftlich aufbereitet und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Auch die Beilage macht die Wochenzeitung einzigartig. Insbesondere Politikwissenschaftler in aller Welt beneiden uns Deutsche um ein solches pluralistisches wissenschaftliches Forum, das im Ausland seinesgleichen sucht. Die Beilage wird weiterhin von der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn verantwortet.

Es zeigt sich immer wieder, wie wichtig es ist, dass über die Institutionen der Demokratie durch Hintergrundinformationen aufgeklärt wird, zumal in einer Zeit, in der sich die Distanz zwischen Bürgern und Politik vergrößert, das Vertrauen in die politischen Institutionen leidet und das Wissen in der Bevölkerung um parlamentarische Abläufe teilweise erschreckend gering ausgeprägt ist.

Beitrag zum Verständnis institutioneller Zusammenhänge

Als die Zeitung "Das Parlament" nur wenige Jahre nach dem Ende der Hitler-Diktatur in der neuentstandenen Bundesrepublik Deutsachland gegründet wurde, konnte man sich nicht sicher sein, wie verfestigt die Demokratie in der deutschen Bevölkerung ist. Heute gibt es - zumindest bei Schülern - eine erschreckende Unkenntnis gerade über die deutsche Geschichte. Nach einer neuesten Umfrage der Freien Universität Berlin können viele Jugendliche nicht zwischen Demokratie und Diktatur unterscheiden. Rund 40 Prozent sehen kaum Unterschiede zwischen Nationalsozialismus, der DDR sowie der Bundesrepublik Deutschland. Diese Schüler glauben demnach, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte seien auch unter dem Nationalsozialismus und der DDR gewährleistet gewesen. Nur etwa die Hälfte der Schüler ordnete den NS-Staat zweifelsfrei als Diktatur ein, die DDR wurde nur von gut einem Drittel der befragten Schüler als diktatorisches System eingestuft. Als Ursache dieser Fehleinschätzung ist nach Auffassung der Forscher das geringe politisch-historische Wissen von Schülern zu nennen. Umso notwendiger ist eine wertorientierte Kenntnisvermittlung im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Insgesamt leidet der Deutsche Bundestag darunter, dass sein Agenda-Setting und seine Bedeutung in der Medienberichterstattung zu wenig wahrgenommen werden. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) forderte deshalb einen eigenen Fernsehkanal. Ausführlich berichtet über die parlamentarischen Vorgänge derzeit außerhalb des Internets fast nur der öffentlich-rechtliche Sender "Phoenix". Bei den Printmedien hierzulande hat "Das Parlament" insoweit fast so etwas wie ein Monopol, weil die Parlamentsberichterstattung in den Medien sonst eher oberflächlich ausfällt. Deshalb schließt die Zeitung "Das Parlament" eine Lücke. Unverzichtbar sind dabei vor allem Hintergrundberichte. "Das Parlament" leistet einen wichtigen Beitrag zur Transparenz parlamentarischer Entscheidungsprozesse und zum Verständnis institutioneller Zusammenhänge. Dazu tragen auch die Interviews mit Abgeordneten bei, die hinsichtlich der politischen Couleur in der Regel paritätisch zu Wort kommen.

Die verkaufte Auflage ist bei rund 10.000 Exemplaren - die Zahl der verbreiteten Exemplare liegt derzeit bei mehr als 60.000. Die Zeitung "Das Parlament" hätte wahrhaft eine Auflagensteigerung verdient.

Zum ePaper der Jubiläumsausgbe aus dem Jahr 2012