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Kurz notiert

21.01.2013
True 2023-08-30T12:23:52.7200Z
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"Sie haben dem Heiligen Nagel den Rücken zugekehrt und sich teuflisch aufgeführt und getanzt (...) Sie haben in einem geweihten Bereich der Kirche auf vulgäre Art die Beine gehoben (...)" Die Verteidigung zitierte diese Sätze aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, um die Ankläger lächerlich zu machen: War so wenig nötig, um die "jahrhundertealten Fundamente des orthodoxen Glaubens" zu zerstören? Es geht um den Gerichtsprozess gegen die russische Punkgruppe Pussy Riot, die mit ihrem sogenannten "Punkgebet" in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale im Februar 2012 für weltweites Aufsehen sorgte. Daraufhin sah sich die Staatsführung zum Handeln gezwungen, obwohl sie das Treiben der feministischen Aktionskünstlerinnen monatelang geduldet hatte. Doch das informelle Bündnis zwischen Staat und Orthodoxer Kirche verlangte, die Gruppe auf das Härteste zu bestrafen. Ihr "Rowdytum aus religiösem Hass" habe die Gefühle vieler russischer Christen verletzt. Dabei ging es Pussy Riot bei ihrer Performance nicht um eine religiöse Botschaft, sondern um politische Ziele: Sie beteten zur Jungfrau Maria, Russland von Putins Herrschaft zu erlösen.

Für das deutsche Publikum veröffentlichte die "Edition Nautilus" jetzt die Liedtexte von Pussy Riot, die Briefe von Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Aljöchina und Jekaterina Samuzewitsch aus dem Untersuchungsgefängnis, ihre Eingangs- und Schlusserklärungen aus dem Prozess sowie die Plädoyers ihrer Anwälte. Darin betonen die zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilten Künstlerinnen ihre Motive: Freiheit kann in Russland nur als Folge einer Revolution erreicht werden. Ihr Auftritt in der Kathedrale habe allein dem Ziel gedient, auf die Unterwerfung von Patriarch Kirill unter Präsident Putin hinzuweisen und das autoritäre System in Russland zu kritisieren.

Mit Blick auf die russische Geschichte ist schon heute sicher: Pussy Riot wird eines Tages im gleichen Atemzug mit Dissidenten wie Andrej Sacharow und Alexander Solschenizyn genannt werden.

Pussy Riot! Ein Punkgebet für Freiheit.

Edition Nautilus, Hamburg 2012; 142 S., 9,90 €

Was ist ein "Cola-pur-Trinker"? Dasselbe wie ein "Deckchensticker": ein wenig durchsetzungsfähiger Mitarbeiter. Und ein "Rundordner"? Nichts anderes als ein Papierkorb. Diese Einblicke ins verbale Behördenleben verdanken wir dem Bremer Finanz-Staatsrat Henning Lühr (62). In seinem jüngsten Werk listet er mal ironisch, mal nüchtern auf, welche Arten von Politikern, Beamten, Büro-Utensilien und Entscheidungsabläufen es alles gibt. Zum Beispiel den "Klimaingenieur", der für gutes Betriebsklima sorgt; oder den "Frischlingsbeeindrucker", der mit Wichtigtuerei Berufsanfängern imponiert. Letztere erfahren aus dem Buch, welcher "Bürodreikampf" auf sie wartet: Knicken, lochen, abheften. Die Gattung der Hausmeister changiert zwischen dem "Häuptling große Schnauze" und dem "Hexer", der die Haustechnik beherrscht. Die Presseabteilung heißt bei Lühr "Palais Schaumschlag". Füttert sie ausgewählte Journalisten mit Interna, führt das zur "Verhaustierung" der Medienleute: "Die Hand, die das Futter reicht, beißt man nicht."

Steuerpolitiker betreiben "Finanzmanagement by Grubenlampe - immer auf der Suche nach Kohle". Von Unternehmensberatern scheint der Sozialdemokrat nicht viel zu halten: "Für McKinsey gilt der Markusplatzeffekt: Wenn man in Venedig in die Hände klatscht, fliegen alle Tauben davon. Danach bewundert man den durchschlagenden Erfolg. Aber nach einigen Minuten sind die Tauben wieder zurück."

Und woran merkt ein Politiker, dass er nicht mehr im Amt ist? Lühr: "Wenn man hinten rechts ins Auto steigt und der Wagen nicht losfährt" - mangels Fahrer.

Der Staatssekretär zitiert auch eine frühere Studie über Keksverzehr in Sitzungen ("Management by Biscuits"). Durch teilnehmende Beobachtung konnte er 13 Konsumenten-Typen identifizieren - vom "Spitzfinger" bis zum "Schaufelbagger".

Längst nicht alles klingt so geistreich. Lühr kommt teilweise vom Hölzchen aufs Stöckchen, als wollte er seinen gesamten Zettelkasten abarbeiten. Weniger wäre mehr gewesen.

Henning Lühr:

Drahtzieher, Taktiker, Kofferträger. Satirischer Weg-weiser durch Politik und Bürokratie.

Kellner-Verlag, Bremen 2012; 184 S., 14,90 €