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Ortstermin: Briefmarke für Annemarie Renger : »Mit Würde, Charme und Strenge«

Finanzminister Olaf Scholz und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble stellen eine Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag der ersten weiblichen Präsidentin vor.

11.11.2019
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2 Min

Nachdenklich, kokett, entschlossen - die drei Fotografien auf der Sonderbriefmarke zeichnen ein treffendes Bild der ehemaligen Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD), findet Reinhard Renger. Er muss es wissen, denn als ihr Enkel haben er und seine Schwester Claudia Schick viele Stunden mit ihr verbracht. "Die Bilder zeichnen ein gutes Bild von ihr als burschikose und freche Dame", sagt Reinhard Renger. Besonders ihr Blick auf dem mittleren Bild sei sehr typisch für sie. "Unsere Großmutter hat viel geleistet für das Parlament und so eine Briefmarke ist eine schöne Auszeichnung - ab sofort werden wieder mehr Briefe geschrieben", freute sich auch Schick. 3,5 Millionen Stück der Sonderbriefmarken sind erhältlich.

Vergangene Woche stellten Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) die Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag von Annemarie Renger im Reichstagsgebäude vor. Im Beisein der Familie Rengers würdigte Schäuble seine Vorgängerin als Respektperson, deren Lebenselement die Politik war: "Renger führte das Plenum mit einer natürlichen Würde, mit Charme und Strenge", sagte Schäuble. Den gesellschaftlichen Wandel und den Abschied von antiquierten Rollenbildern hätten sich die Frauen selbst erstritten - und Rengers Anteil daran sei gewaltig. Auch habe sie sich zu keinem Zeitpunkt mit der deutschen Teilung abgefunden und die Wiedervereinigung als politisches Ziel gehabt. "Ein schöner Zufall, dass ausgerechnet sie die Bundestags-Sitzung zum Zeitpunkt des Mauerfalls am 9. November 1989 geleitet hat", erinnerte Schäuble.

37 Jahre ohne Unterbrechung Abgeordnete

Renger gehörte dem Deutschen Bundestag ab 1953 für 37 Jahre lang ohne Unterbrechung an und war von 1972 bis 1976 dessen erste weibliche Präsidentin. "Weil sie oft im Fernsehen war, war sie sehr bekannt und schnell beliebt", berichtete Reinhard Renger. Bei der Gestaltung der Briefmarke arbeitete er eng mit der Berliner Grafikdesignerin Julia Neller zusammen: "Ich habe Rengers Biographie gelesen und wollte sie nicht nur als Politikerin, sondern auch als Mensch zeigen - das ist natürlich eine Herausforderung auf dem begrenzten Platz einer Briefmarke", sagte Neller. "Sie hatte etwas Präsidiales, war aber auch ein sehr resoluter und lebhafter Typ, deswegen kommen ihre Hände oft vor in den Bildern", erklärte die Designerin.

Finanzminister Scholz würdigte Renger als "Grande Dame der Sozialdemokratie", die nicht nur die erste weibliche Bundestagspräsidentin, sondern auch die erste Vorsteherin eines frei gewählten Parlaments weltweit gewesen sei. Viel habe Renger für die Gleichberechtigung der Geschlechter getan. Dass der Bundestag etwa über eine eigene Betriebs-Kindertagesstätte verfüge, gehe auf Rengers Initiative zurück, betonte Scholz.

Annemarie Renger wurde am 7. Oktober 1919 in Leipzig geboren. Ihr Weg in die SPD führte über Kurt Schumacher. Im Bundestag war sie unter anderem Mitglied im Innenausschuss, im Entwicklungshilfeausschuss und im Auswärtigen Ausschuss. Am 3. März 2008 starb sie im Alter von 88 Jahren nach langer Krankheit.