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Ukraine-Krise : "Wer redet, schießt nicht"

Die Koalition lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine weiter ab. Die Union fordert mehr Entschlossenheit von der Bundesregierung.

31.01.2022
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3 Min
Foto: picture-alliance/AA/Russian Defence Ministry

Russische Panzereinheiten machen sich Ende Januar auf den Weg zu Militärübungen bei Rostow. Mehr als 100.000 Soldaten hat Russland an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.

Wie klar steht die Bundesregierung an der Seite der Ukraine? Es gibt Kritik in dieser Frage an Deutschland, auch die Union trägt sie im Bundestag vor und bemängelt fehlende Entschlossenheit gegenüber russischer Aggression wie dem massiven Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat die Absage der Bundesregierung zur Lieferung von Waffen in die Ukraine verteidigt. Den Kurs in dieser Frage um 180 Grad zu drehen, das "sollte man schon bei vollem Bewusstsein tun", sagte Baerbock vergangenen Donnerstag in einer Vereinbarten Debatte zur Ukrainekrise. Vor allen Dingen dürften damit nicht Türen zur Deeskalation verschlossen werden, "die sich gerade in diesem Moment so zaghaft wieder öffnen", sagte die Ministerin mit Blick auf die Wiederaufnahme von Gesprächen wie tags zuvor im sogenannten Normandie-Format.

Dialog hat Priorität

Bei einer neuen Aggression "steht uns eine breite Bandbreite an Antworten zur Verfügung, inklusive Nord Stream 2" sagte Baerbock. Deutschland unterstütze die Ukraine auch militärisch, etwa mit der Lieferung von Schutzhelmen und der Ausbildung ukrainischer Soldaten. Der diplomatische Dialog habe aber Priorität. "Wer redet, der schießt nicht. Daher ist es fatal, die Wiederaufnahme von Dialog einfach so abzutun." Die Bundesregierung setze auch weiter darauf, die Ukraine wirtschaftlich und finanziell zu stärken.

Der designierte CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz sprach mit Blick auf die massive russische Truppenstationierung von einem "Zangenangriff auf die gesamte Ukraine". Der russische Präsident Wladimir Putin destabilisiere seit 15 Jahren systematisch die politische Ordnung in Europa, dies unter beständiger Verletzung gemeinsamer Verträge und Vereinbarungen. Nunmehr drohe womöglich ein neuer Krieg in Teilen Europas. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) halte es aber nicht für nötig, in einer Regierungserklärung Farbe zu bekennen, was auch mit "unklaren Positionen" seiner Partei in puncto Russland zu tun habe. Es gebe Zweifel an der Zuverlässigkeit der Bundesrepublik, befand Merz. Wer sich erkennbar um das Problem zu wenig kümmere, der vergrößere das Risiko.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil betonte hingegen, dass die Bundesregierung klar auftrete: "Wir benennen sehr deutlich, von wem die Eskalation ausgeht, das ist die russische Seite." Kanzler Scholz habe deutlich gemacht, dass "alle Optionen" bei einem russischen Angriff auf die territoriale Integrität der Ukraine auf dem Tisch lägen. Diese Klarheit und Konsequenz sei nötig, aber jetzt müsse es darum gehen, das Gespräch zu suchen, um "Frieden zu organisieren". Waffen zu liefern bedeute nicht, Friedensbemühungen zu stärken, sagte Klingbeil. "Wir liefern keine Waffen in die Ukraine."

AfD kritisiert Sanktionen

Stefan Keuter (AfD) beklagte "Stimmungsmache" und "unsägliche Rhetorik" gegen Russland und stellte die Frage, wem diese Eskalation nutze. Durch die EU-Sanktionen infolge der Annexion der Krim 2014 sei Russland ein Schaden in Höhe von 36 Milliarden US-Dollar entstanden und Deutschland in Höhe von 23 Milliarden US-Dollar. "Wir schneiden uns mit diesen Sanktionen ins eigene Fleisch, und das muss ein Ende haben." Keuter wandte sich direkt an den Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk, der auf der Tribüne der Debatte folgte: "Die Forderung nach Waffen können wir Deutsche nicht erfüllen", sagte Keuter. "Ihre unsägliche Kriegstreiberei kann ich nur verurteilen."

Alexander Graf Lambsdorff (FDP) signalisierte die Bereitschaft, russische Sicherheitsinteressen auf Basis des Völkerrechts zu adressieren - nicht aber der russischen Regierung die "Schaffung einer zweiten Wirklichkeit" zuzugestehen. "Nicht die Nato bedroht Russland, auch nicht die Ukraine." Es seien nicht Nato-Soldaten, die in anderen Ländern gegen den Willen der dortigen Regierungen stünden, sondern russische Soldaten wie im Falle Georgiens, der Republik Moldau und der Ukraine. "Die russische Seite wäre erheblich glaubwürdiger, wenn Präsident Putin den Rückzug dieser Truppen anordnen würde."

Gregor Gysi (Die Linke) verwies auf die Osterweiterung der Nato ab 1999 gegen Absprachen mit Russland im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit. Die USA würden es nicht akzeptieren, wenn russische Truppen auf Kuba oder in Venezuela stationiert würden: "Warum billigen Sie der Atommacht USA einen Sicherheitsabstand zu und der Atommacht Russland nicht?" Die Nato betone, keine aggressiven Absichten gegenüber Russland zu hegen. "Das mag ja sein", sagte Gysi. "Aber wenn es die russische Führung nicht glaubt, nützt uns das nichts." Es gebe nur einen Weg, das seien Verhandlungen. "Waffenlieferungen können auf gar keinen Fall die Antwort sein."