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Regierungsbildung in Polen : Der Machtwechsel in Warschau lässt auf sich warten

Polens PiS-Partei lässt sich nach den verlorenen Parlamentswahlen viel Zeit mit der Machtübergabe. Das hat Gründe, wie die Opposition vermutet.

17.11.2023
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3 Min

Einen Monat nach der Wahlniederlage der bisherigen polnischen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) haben sich Anfang der Woche beide Parlamentskammern zu ihrer ersten konstituierenden Sitzung getroffen. Die 450 Abgeordneten des Sejm, Polens großer Kammer, sowie die hundert Abgeordneten des Senats wurden vereidigt und wählten ein Präsidium. Im Sejm deuteten die Vorgänge bereits auf den künftigen politischen Streit unter neuen Vorzeichen hin.

PiS fremdelt mit Oppositionsrolle

Donald Tusk will neuer Regierungschef werden.   Foto: picture alliance/NurPhoto/Foto Olimpik

Zwar hat PiS die Parlamentswahlen nominell gewonnen, doch nach der Besiegelung eines Koalitionsvertrags zwischen den liberalen-zentristischen beziehungsweise linken Oppositionsparteien Bürgerkoalition (KO), Dritter Weg (3D) und Neue Linke (NL) fühlt sich Jaroslaw Kaczynskis alte Regierungspartei in die Ecke gedrängt. Die Dreierkoalition verfügt mit 248 von 460 Abgeordneten über eine klare Mehrheit, während PiS nur noch auf 197 Sitze kommt. Und sie hat erkennbar Mühe, sich mit ihrer Rolle als Oppositionspartei abzufinden. Doch der ursprünglich ihren Reihen entstammende Staatspräsident Andrzej Duda, der von Amts wegen parteilos sein muss, hilft ihr.

Am Montag hat Duda zwar traditionsgemäß das erste Wort an die Sejm-Abgeordneten gerichtet. Er sicherte ihnen auch seine Kooperation "für die wichtigsten Angelegenheiten Polens" zu. Doch machte der Präsident auch sofort klar, dass er nicht davor zurückschrecken werde, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen. Nämlich dann, wenn die Errungenschaften der letzten acht Jahre PiS-Regierung durch neue Gesetzesinitiativen gefährdet werden sollten.

Präsident beruft alten zum neuen Premier

Während der Sejm nach der im Koalitionsvertrag vereinbarten Wahl von Szymon Holownia (Wahlbündnis "Dritter Weg") zum Parlamentsvorsitzenden eine Pause einlegte, rief Duda den bisherigen Regierungschef Mateusz Morawiecki zu sich in den Präsidentenpalast. Dort legte der Premierminister, wie von der Verfassung verlangt, sein Amt offiziell nieder. Sodann aber wurde er von Duda als Vertreter der größten Partei im Sejm, also der PiS, erneut zum Regierungschef berufen und damit beauftragt, ein mehrheitsfähiges Kabinett zusammenzuzimmern. Morawiecki hat nun 14 Tage Zeit, die bisherigen Ministerposten erneut zu besetzen, und danach weitere 14 Tage, um für sein Kabinett eine Mehrheit zu finden. Dieses Unterfangen ist zum Scheitern verurteilt, das geben inzwischen auch PiS-Spitzenpolitiker zu.

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Wieso dann dieser zeitintensive Umweg? Duda sieht sich offenbar nicht als Präsident aller Polen, deren Mehrheit eine politische Wende will, sondern als Nachlassverwalter der PiS-Herrschaft. Er beruft sich dabei formalistisch auf die Tradition des Regierungsbildungsauftrags an den Wahlsieger. Das gibt PiS mehr Zeit für die Vorbereitung des Machttransfers und allfälliger Abfindungen für Beamte oder Geschäftsführer von Staatsfirmen - die ihre Stelle bald wieder verlieren dürften, wenn die Opposition deren Verträge und fachliche Eignung jenseits des PiS-Parteibüchleins prüfen wird. Der von der Opposition designierte neue Regierungschef Donald Tusk vermutet, dass auch ein paar Akten vernichtet werden sollen.

Die neue Koalition, welche die Regierungsgeschäfte voraussichtlich gegen Weihnachten übernehmen könnte, errang derweil im Sejm bereits den ersten Sieg: In der Abstimmung um die sechs Vize-Vorsitzenden scheiterte die bisherige Parlamentspräsidentin Elzbieta Witek (PiS) klar. Nicht einmal alle PiS-Abgeordneten stimmten für sie. 


Paul Flückiger ist freier Journalist in Polen.