Parlamentspräsident Sassoli gestorben : Trauer um Sassoli
Europaweite Bestürzung: EU-Parlamentspräsident David Sassoli ist Alter von 65 Jahren gestorben.
Mit Bestürzung und Trauer haben Spitzenpolitiker aus ganz Europa auf den Tod des Präsidenten des Europaparlaments, David Sassoli, reagiert. In Brüssel versammelten sich Mitglieder der Volksvertretung vor dem Gebäude, um ihn mit einer Schweigeminute zu ehren. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) würdigte Sassoli vergangene Woche zu Beginn der Plenarsitzung als überzeugten Europäer und großen Menschenfreund. "Er konnte Kompromisse schließen, das Machbare vorantreiben und das Notwendige im Blick behalten." Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi nannte Sassoli ein "Symbol für Ausgewogenheit, Menschlichkeit und Großzügigkeit", EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lobte den engagierten Katholiken als "Mann mit starken Überzeugungen". Er habe gewollt, dass Europa noch "näher zusammenrückt, näher an seine Bürgerinnen und Bürgern, dass es treu zu unseren Werten steht. Das ist sein Vermächtnis."
Der Sozialdemokrat war in der Nacht vom 10. zum 11. Januar im Alter von 65 Jahren in einem italienischen Krankenhaus gestorben, wo er seit dem 26. Dezember wegen schwerer Komplikationen "aufgrund einer Funktionsstörung des Immunsystems" behandelt worden war.
Vom TV ins Plenum
Der in Florenz geborene Sassoli gehörte der sozialdemokratischen Partei Partito Democratico (PD) an. Vor seiner politischen Karriere arbeitete der studierte Politikwissenschaftler als Journalist, unter anderem in der Redaktion der römischen Zeitung "Il Giorno" (Der Tag). Schließlich moderierte er die Hauptnachrichtensendung TG1 des öffentlich-rechtlichen Senders RAI1 und wurde so zu einem der bekanntesten Fernsehgesichter Italiens.
2009 zog Sassoli als Abgeordneter ins Europäische Parlament ein, ab 2014 war er einer der 14 Vize-Präsidenten der EU-Abgeordnetenkammer. Danach folgte er - nach längerem Personalpoker eher unverhofft - seinem Landsmann Antonio Tajani auf dem Posten des EP-Präsidenten. Er nutzte dort jede Gelegenheit, um die EU an ihre Verantwortung für Flüchtlinge zu erinnern und für eine gemeinsame Migrations- und Asylpolitik zu werben. Unter seiner Präsidentschaft trieb das Parlament außerdem den neuen Rechtsstaatsmechanismus voran, der Sanktionen gegen Länder wie Ungarn und Polen ermöglicht. Nicht zuletzt pochte Sassoli immer wieder auf die Unabhängigkeit des Parlaments im Machtkampf mit den Regierungen der EU-Staaten. "Ich bin kein Mann des Rates", hatte er gleich nach seiner Wahl im Juli 2019 betont.
Im Schatten der Pandemie
Viel Zeit, sich zu profilieren, blieb ihm allerdings nicht. Zu sehr stand seine von vornherein auf zweieinhalb Jahre limitierte Amtszeit im Schatten der Corona-Pandemie. Sie wäre in dieser Woche gemäß einer Absprache der drei größten EP-Fraktionen plangemäß ausgelaufen.
Während der Pandemie koordinierte Sassoli die Umstellung des EU-Parlaments auf Telearbeit und stellte die verwaisten Räumlichkeiten in Straßburg und Brüssel für ein Covid-19-Testcenter und die Zubereitung von Mahlzeiten für bedürftige Familien zur Verfügung. Auf dem EU-Gipfel Mitte Dezember setzte er sich für ein Ende der strengen Schuldenvorgaben ein, um Investitionen in Zukunftsprojekte zu ermöglichen. Sassoli hinterlässt eine Frau und zwei Töchter.