EU geht auf Distanz zu China : Unternehmen sollen teilweise nicht mehr in China investieren dürfen
Vor dem EU-Gipfel diskutieren Fraktionen Vorschläge der Kommission für mehr wirtschaftliche Sicherheit. Im Mittelpunkt steht, unabhängiger von China zu werden.
Der russische Angriff auf die Ukraine hat viele Einsichten hervorgebracht. Eine davon ist nach 16 Monaten Krieg, dass Sicherheitspolitik weit mehr umfasst als militärische Stärke und die Fähigkeit zur Verteidigung. Auch Rohstoffabhängigkeiten und starre Lieferketten gefährden in einer geopolitisch umkämpften Welt Frieden, Wohlstand und Souveränität. "Wir haben gelernt, wie Abhängigkeiten zu einer Waffe werden können", betonte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vergangene Woche, als er zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) die erste "Europäische Strategie für die wirtschaftliche Sicherheit" vorstellte. Schon auf dem EU-Gipfel Ende der Woche soll sie wieder Thema werden.
Eine Dosis Protektionismus
Die EU verordnet sich damit eine gute Dosis Protektionismus: Sie setzt nicht nur auf einen stärkeren Binnenmarkt und eine größere Anzahl an Partnern. In bestimmten Fällen sollen europäischen Unternehmen sogar Investitionen in China untersagt werden. Zugleich soll es ein Höchstmaß an wirtschaftlicher Offenheit und Dynamik geben. Ein Balanceakt, aber auch eine Ansage an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der im Verhältnis zur Volksrepublik weiter auf Dialog setzt, wie er bei den jüngsten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin wieder deutlich machte.
China ist bisher der wichtigste Handelspartner der Europäischen Union. 2021 wurden zwischen China und der EU Waren im Wert von 696 Milliarden Euro gehandelt.
In seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag signalisierte Scholz vergangenen Donnerstag dennoch Unterstützung für die Pläne der Kommission. Sie enthalte "Vorschläge, wie wir Risiken für unsere Wirtschaft in kritischen Bereichen abbauen und die Widerstandsfähigkeit unserer Unternehmen stärken" können. Zentral sei dabei, "dass wir sowohl unsere Lieferanten als auch unsere Absatzmärkte weiter diversifizieren." Dies bedeute jedoch "nicht weniger Handel, weniger Austausch", sondern im Gegenteil "mehr Handel und noch breitere Beziehungen".
FDP: Deutsche "China-Fixierung" muss reduziert werden
Sympathie für die Kommissionvorschläge äußerte in der anschließenden Debatte auch Michael Georg Link (FDP). In den Beziehungen zu China müsse es um einen "konsequenten Abbau technologischer Risiken und einseitiger Abhängigkeiten" gehen. Wichtig sei zudem, den Blick zu weiten und die deutsche "China-Fixierung" zu reduzieren. Auch in den Ländern Afrikas und Lateinamerikas gebe es große Potenziale. In die gleiche Kerbe schlug SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: "Asien ist mehr als die Volksrepublik China", betonte er. Deswegen lohne es sich, auch andere asiatische Staaten sowie die Staaten Lateinamerikas und Afrikas zu G7-und G20-Gipfeln einzuladen, wie es in der Vergangenheit schon praktiziert wurde.
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) warf dem Bundeskanzler vor, gegenüber der chinesischen Regierung eingeknickt zu sein, als diese auf der gemeinsamen Pressekonferenz keine Fragen zulassen wollte - "wie das in autoritären Staaten eben so üblich ist". Dazu streite die Koalition ständig über wesentliche innenpolitische, außenpolitische und europapolitische Fragen, "weshalb Europa heute nicht da steht, wo wir eigentlich gemeinsam stehen müssten". Als ein Beispiel führte er das Handelsabkommen zwischen der EU und Lateinamerika (Mercosur) an, das Deutschland wegen des Widerstands der Grünen noch immer nicht ratifiziert habe. Auch fehle in der Mitte Juni vorgelegten Nationalen Sicherheitsstrategie die angekündigte China-Strategie. "Wenn aber Deutschland darüber streitet, dann kann auch die Europäische Union keine Sicherheitsstrategie gegenüber China entwickeln", sagte Merz.
Darauf entgegnete Rolf Mützenich, nicht die deutsche China-Strategie sei der Leitfaden für Europa. Europa sei "das Bindemittel für die nationalen Außenpolitiken". Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann wies die Kritik zurück und betonte, die Bundesregierung würde "gemeinsam mit den Europäerinnen und Europäern" über die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten, die Sicherheit von kritischer Infrastruktur und die Frage der Risikominimierung diskutieren.
Kritik von AfD und Linken
Fundamentalkritik an der Bundesregierung übten kurz vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause AfD und Linke. Alice Weidel (AfD) warf der Koalition vor, das Land mit ihren Entscheidungen zu Klimaschutz und Migration "in den Abgrund" zu treiben. Dietmar Bartsch (Die Linke) nannte die Bilanz der Bundesregierung mit Blick auf Klima, Migration, und Inflation "mies". Er forderte den Bundeskanzler auf, beim EU-Gipfel eine Friedensinitiative für die Ukraine zu präsentieren.