Parlamentswahlen in Polen : Warum die PiS in Rzeszow keine Chance hat
Die konservative Regierungspartei PiS kämpft in Polen um die Wiederwahl. Doch in Gebietshauptstädten wie Rzeszow kann sie nicht punkten.
Auf dem Flughafen von Rzeszow landen täglich mehrere Transportflugzeuge mit Waffen für die Ukraine. Die Stadt entwickelt sich dadurch prächtig: Logistikfirmen siedeln sich an und es entstehen Hotels und Konferenzzentren.
Wer auf dem Inlandsflug nach Rzeszow von Warschau kommend einen Platz haben will, muss viele Wochen vorher buchen. Seit Putins Angriff auf die Ukraine steht der Flughafen an der ukrainischen Grenze bei Politikern und US-Militärs hoch im Kurs. Wer ihn von früher kennt, traut seinen Augen nicht: Beim Landeanflug sieht man ein gutes Dutzend "Patriot"-Luftabwehrraketen, gerade ist ein großes Transportflugzeug der Bundeswehr gelandet.
Bis zu zehn solcher Transporter mit Waffen für die Ukraine sollen hier täglich landen. Der kleine Provinzflughafen und die nahe gelegene 180.000-Einwohner-Stadt sind zum wichtigsten Verteiler für die Ukraine-Hilfe geworden. Wo früher brache Wiesen waren, stehen heute Konferenzzentren, internationale Hotels und Dutzende von Lagerhallen von namhaften Logistikfirmen.
Gute Zeiten für polnische Logistikunternehmen
"Wir bauen aus, was das Zeug hält - und herrscht einmal Frieden in der Ukraine, rechne ich mit fünf bis sechs Mal mehr Warenumschlag", freut sich Lukasz Lasek, Regionalchef des polnischen Logistik-Unternehmens Rohlig-Suus. Die Firma transportiert über polnische Ostseehäfen unter anderem Treibstoff für die Ukraine. Bis zu 50 Stunden müssten die Fahrer an der Grenze Schlange stehen, erzählt Lasek, während er durch eine große Lagerhalle führt.
Die Stadt Rzeszow entwickle sich im Moment zwei- bis dreimal schneller als der Durchschnitt Polens, sagt der Logistiker. Durchschnittlich ist hier seit Ende Februar 2022 nur eins: Wie fast überall in Polen wird die Gebietshauptstadt von der liberalen oder linken Opposition regiert; in Rzesow ist seit mehr als 20 Jahren die post-kommunistische Linke an der Macht. Das Umland aber, die Wojwodschaft Podkarpackie, ist dagegen stramme Festung der konservativen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), die auch die Parlamentswahlen im Oktober wieder gewinnen will.
Auf der Fahrt ins Stadtzentrum fällt vor allem der Neubau eines rund 20-stöckigen Bürokomplexes am Ufer des Stadtflusses Wislok auf. "PiS bedeutet Teuerung", heißt es davor auf einer riesengroßen Werbetafel. "Teurer wird sowieso alles, egal, wer regiert", brummt der Taxifahrer. Der Mittvierziger ist noch unentschieden, wem er am 15. Oktober seine Stimme geben will. Einzig für die liberale Bürgerplattform (PO) von Oppositionsführer Donald Tusk kann er sich nicht mehr erwärmen. "Die halten eh keine Wahlversprechen", begründet er.
Der Mann mag Tierrechte und Ökologie, schimpft aber auf die vielen Ausländer in Rzeszow. "Die amerikanischen Soldaten nehmen unseren Jungs die besten Mädchen weg", wiederholt er eine Klage seines Sohnes. Bis zu 10.000 US-Soldaten sollen in zwei Basen beim Flughafen stationiert sein. Man hört und sieht sie vor allem abends auf dem alten galizischen Marktplatz mit seinen zahlreichen Kneipen.
Zbyszek Mieszkowicz hätte viele Gründe, auf Amerikaner und Ukrainer sauer zu sein, die nach Rzeszow geströmt sind und die Mietpreise hochgedrückt haben. "Wir ächzen unter den Mehrkosten, können unser Lokal kaum mehr finanzieren", sagt der Mitbegründer eines Treffpunkts für Nichtregierungsorganisationen. Das schlimmste seien die deutlich gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten, erzählt er. Doch er hat er nichts gegen die in Rzeszow stationieren Amerikaner: "Zuerst gilt es, Putins Imperialismus zu stoppen, dann schauen wir weiter", sagt der Aktivist.
Der Soziologe Leszek Gajos von der Universität Rzeszow will keine Wahlprognose wagen. "Die Vorkarpaten waren jahrzehntelang von tiefer Volksreligiosität geprägt, darauf konnte PiS bisher bauen, doch die Kirche befindet sich heute in einer tiefen Krise", analysiert er bei einem Treffen im Bistro "Matrioschka". Ob sich diese Krise auf das Wahlverhalten auswirke, sei unklar. Sicher ist er nur in einem Punkt: "Rzeszow läuft mit Siebenmeilenstiefeln, hier hat PiS keine Chance."
Drohen Polen bald wieder Neuwahlen?
Von einer wahren "Revolution" in Rzeszow spricht Bürgermeister Konrad Fiolek bei einem Gespräch im Rathaus. "Wir werden wieder zu einem multi-ethnischen Regionalzentrum, so wie wir es früher waren", frohlockt der aufstrebende Linkspolitiker, von Haus aus Soziologe. Rzeszow bekomme wieder eine große ukrainische Minderheit, aber auch amerikanische und britische Bewohner, und das sei gut so, findet Fiolek, der - im Unterschied zu anderen oppositionellen Bürgermeistern - keinerlei Sabotage seitens der PiS-Zentralregierung beklagt.
Zum Ende des Gesprächs wagt er einen Ausblick auf die Wahlen - diesmal als Soziologe: Wenn die liberale und linke Opposition verliere, werde PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski wohl seine neue Koalition mit der rechtsextremen "Konföderation" schmieden. "Diese beiden werden sich schnell zerstreiten, und 2025 haben wir vorgezogene Neuwahlen; das ist nicht die schlechteste Option", meint Fiolek, und verabschiedet sich mit einem festen Händedruck.
Der Autor ist freier Korrespondent in Warschau.
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