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Pkw-Maut in Europa : Warum es einen Flickenteppich bei Autobahngebühren gibt

Die Mehrzahl der EU-Staaten bittet Pkw-Fahrer zur Kasse. Versuche, die Mautsysteme in Europa zu vereinheitlichen, sind bisher gescheitert. Woran liegt das?

16.07.2024
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4 Min

Nach modernen Maßstäben war das keine Autobahn, diese Strecke, die vor hundert Jahren zwischen Mailand und Varese eröffnet wurde. In jeder Richtung gab es nur eine Fahrbahn, andere Straßen kreuzten. Aber die 50 Kilometer in Oberitalien waren revolutionär: Zum ersten Mal mussten Autofahrer die Bau- und Instandhaltungskosten einer Straße über eine Abgabe bezahlen. Mauthäuschen, wie sie heute jeder Italienreisende kennt, wurden allerdings erst später erfunden. Den fälligen Betrag mussten Autofahrer damals bei einem Stopp an einer Raststätte begleichen.

Foto: picture alliance/CHROMORANGE

In vielen EU-Ländern, wie hier in Italien, müssen Autofahrer an Mautstationen bezahlen. Auch die Benutzung bestimmter Brücken und Tunnel ist in einigen Staaten kostenpflichtig.

Bei Verstößen drohen bis zu 800 Euro Bußgeld

Das italienische Beispiel machte in Europa schnell Schule, die Griechen zogen bald nach. Heute fallen fast überall in der EU bei Autofahrten Gebühren an. In Österreich, Bulgarien, Rumänien, Tschechien, Ungarn, Slowenien und der Slowakei dürfen Autobahnen nur mit einer Vignette benutzt werden. In Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Irland, Polen, Kroatien und Griechenland müssen Autofahrer auf bestimmten Strecken pro Kilometer zahlen. Dabei gewährt Irland bei Autos, die elektrisch, mit Gas oder hybrid angetrieben werden, Nachlässe von bis zu 75 Prozent auf die Maut. Und in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Schweden kosten manche Brücken und Tunnel Gebühren.

Verstöße kommen meist teuer. In Slowenien können Bußgelder bis zu 800 Euro erreichen, in Österreich gehen die Strafzahlungen bei 300 Euro los, in Tschechien bei 195 Euro. Viele Länder achten genau darauf, ihr Geld auch zu bekommen. Italien darf etwa nicht bezahlte Mautforderungen bis zu zehn Jahre später noch eintreiben.

EU-Wegekostenrichtlinie macht Vorgaben für Maut-Einführung

Versuche, die Mautsysteme in Europa zu vereinheitlichen, sind bisher gescheitert. 2015 warb die damalige EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc für eine einheitliche Zahlung, die sich an der tatsächlich gefahrenen Strecke orientieren und mit einem einheitlichen Gerät abgerechnet werden sollte. Die unterschiedlichen Systeme in der EU bezeichnete sie damals als "Belastung und Mobilitätshindernis".

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Die EU-Staaten wollen sich aber die Entscheidung zur Maut nicht von der EU-Kommission diktieren lassen. Und so brachte auch die jüngste Reform der Straßengebühren in der EU wenig Einheit. 2022 beschlossen die Europa-Abgeordneten und EU-Mitgliedsstaaten mit der Wegekostenrichtlinie einen Kompromiss. Kein Land wird gezwungen, eine Maut einzuführen. Wenn dies aber der Fall ist, dann müssen EU-Mitgliedsstaaten bestimmte Regeln einhalten. Sie müssen darauf achten, dass Vignetten auch für kurze Zeiträume erhältlich sind, etwa für einen Tag, zehn Tage oder zwei Monate. Für die kürzeren Zeiträume gelten Preisobergrenzen. So darf die Ein-Tages-Vignette nur neun Prozent des Jahrespreises kosten, die Zehn-Tages-Vignette zwölf Prozent und die Zwei-Monats-Vignette 30 Prozent.

Gescheiterte "Ausländer-Maut" in Deutschland

Österreich hat im Vorgriff auf die Richtlinie im vergangenen Dezember erstmals eine Ein-Tages-Vignette für 8,60 Euro eingeführt. Eine große Ersparnis bringt das ausländischen Autofahrern allerdings nicht. Zuvor kostete das billigste Pickerl - gültig für zehn Tage - 9,60 Euro.

Auch Deutschland hat die Auswirkungen der EU-Regeln für ein Mautsystem bereits zu spüren bekommen. 2014 scheiterte das CSU-geführte Verkehrsministerium spektakulär mit dem Versuch, eine Maut einzuführen. Der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt hatte ein Konzept für eine sogenannte Infrastrukturabgabe vorgelegt, zunächst war sogar von einer "Ausländermaut" die Rede. Deutsche Autofahrer hätten unter dem Strich nicht mehr bezahlen müssen, weil sie über die Kfz-Steuer entlastet worden wären. Dieser Ansatz verstieß ganz offensichtlich gegen das EU-Diskriminierungsverbot, nach dem Ausländer aus EU-Ländern nicht schlechter gestellt werden dürfen als Einheimische. 2015 leitete die EU-Kommission deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Der Europäische Gerichtshof hat 2019 in einem Urteil bestätigt, dass das Vorhaben illegal war.

Unterschiedliche Antworten auf Frage der Eigentümerstruktur

Unabhängig von der Frage Maut stellt sich jene der Eigentümerstruktur. In Italien werden die Autobahnen seit den 1990er Jahren von privaten Konzessionären gemanagt. Seit im Sommer 2018 beim Einsturz einer Autobahnbrücke 43 Menschen umkamen, wurde dieses Modell jedoch in Frage gestellt, weil der Betreiber zu wenig in den Erhalt der Infrastruktur investiert hatte. Die Ökonomin Mariana Mazzucato forderte damals eine Nationalisierung. Die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni brachte jedoch zuletzt eine Privatisierung ins Spiel, um Italiens Staatsschuld zu drücken, die im vergangenen Jahr 137 Prozent der Wirtschaftsleistung betrug.

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Frankreich hat das Management der meisten Autobahnen an Unternehmen abgetreten, die 2006 privatisiert wurden. Das brachte dem Staat damals knapp 15 Milliarden Euro. Die ersten Konzessionen enden 2031. Der Ansatz ist in Frankreich umstritten, das Thema spielte im Präsidentschaftswahlkampf 2022 eine Rolle. Die rechte Kandidatin Marine de Pen forderte, die Autobahnen zurück in staatliches Management zu bringen. Ein Bericht des französischen Senats kam zu dem Ergebnis, dass die Unternehmen ihre Kosten schon hereingeholt hätten und nun umfangreiche Dividenden einstrichen. Ob ein rein staatliches Management günstiger wäre, ist bis heute umstritten.

Die Autorin ist freie Journalistin in Brüssel.