Verkehr verursacht hohe Kosten : Experten raten zur Einführung einer Pkw-Maut
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist Autofahren zu billig, sagen marktwirtschaftlich ausgerichtete Ökonomen. Eine Pkw-Maut könnte womöglich Abhilfe schaffen.
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Autofahrer als Melkkühe der Nation?
Sie fühlen sich gern als Melkkühe der Nation: die Autofahrer. Und tatsächlich können der Bundesfinanzminister und die Finanzminister der Bundesländer ihre klammen Haushalte nur dank der steuerzahlungsfreudigen Autofahrer stopfen. Allein knapp zehn Milliarden Euro bringt die Kfz-Steuer pro Jahr ein. Dazu kommen gut dreißig Milliarden Euro an Energiesteuern auf Benzin und Diesel.
Wie viel davon aus dem Pkw-Verkehr und wie viel aus dem Lkw-Verkehr stammt, lässt sich nicht aufschlüsseln, auch nicht, wie viele Euro an Mehrwertsteuer die Autofahrer in Deutschland jährlich für die Haushalte von Bund und Ländern einfahren. An der Tankstelle ächzen Autofahrer jedenfalls seit langem unter hohen Spritpreisen, die zwischendurch auch schon die Zwei-Euro-Marke pro Liter erreichten.
Zur Finanzierung von Investitionen in die Straßen-Infrastruktur empfiehlt der Sachverständigenrat Wirtschaft eine Pkw-Maut.
Straßenverkehr: Volkswirtschaftliche Kosten von 100 Milliarden Euro
Doch trotz der Milliarden-Einnahmen des Staates von steuerzahlenden Autofahrern in Deutschland: Aus volkswirtschaftlicher Sicht decken die Einnahmen die Kosten des Autoverkehrs nicht. Zu diesem Schluss kommt beispielsweise eine Studie des liberalen Centrums für Europäische Politik (cep) im Jahr 2022.
Zwar hat der Bund kaum Probleme, die rund 15 Milliarden Euro an jährlichen Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Bundesfernstraßen aus Kfz- und Energiesteuer-Einnahmen zu schultern. Aber der Autoverkehr verursacht das, was Ökonomen "externe Kosten" nennen, also solche, die nicht der individuelle Autofahrer trägt, sondern die Gesellschaft insgesamt. Das cep zählt dazu Staukosten, Lärmkosten, Kosten für Flächenverbrauch, die Emission von Luftschadstoffen wie Feinstaub sowie Treibhausgase, die den Planeten aufheizen und bei ungebremstem Anstieg in eine globale Klimakatastrophe führen können.
Umweltbundesamt: Umweltkosten werden auf die Gesellschaft abgewälzt
"Insgesamt betragen die externen Kosten des Straßenverkehrs in Deutschland knapp 100 Milliarden Euro pro Jahr und liegen damit weit über dem, was Autofahrer jährlich an Steuern auf Kraftfahrzeuge, Benzin und Diesel zahlen", sagt André Wolf, Autor der cep-Studie mit dem Titel "Reform des Mautsystems in Deutschland". Heißt: Autofahren ist in Deutschland zu billig. Und dabei seien die Kosten für Staus noch gar nicht mitgerechnet, sagt Wolf.
Aus Sicht des Umweltbundesamts (UBA) sind solche externen Effekte nicht nur ineffizient, sondern auch ungerecht. Kilian Frey aus dem UBA-Fachgebiet "Umwelt und Verkehr" argumentiert: "Menschen mit niedrigen Einkommen sind tendenziell stärker von verkehrsbedingten Luftschadstoffen und Lärm betroffen als sozial besser Gestellte." Die Umweltkosten des Autoverkehrs würden zu erheblichen Teilen von den Verursachern auf die Gesellschaft abgewälzt.
Stimmen für eine PKW-Maut mehren sich
Um das zu ändern, mehren sich in der Wirtschaftswissenschaft die Stimmen für eine Pkw-Maut. Cep-Experte Wolf hat dafür 2022 einen Betrag von 6,9 Cent pro Kilometer ausgerechnet, die ein Autofahrer im Durchschnitt zahlen müsste. Dabei plädiert die stark marktwirtschaftlich ausgerichtete Denkfabrik sogar dafür, die Maut auf allen Bundesfernstraßen und perspektivisch darüber hinaus zu erheben.
"2,5 Cent würden benötigt, um die direkten Kosten für Bau und Instandhaltung der Fernstraßen zu finanzieren, der Rest würde die gesellschaftlichen Kosten für Unfälle, Lärm, Flächenverbrauch und lokale Luftschadstoffe ausgleichen", erklärt Wolf. Nicht eingerechnet seien die Kosten aus der Emission von Treibhausgasen, denn dafür sei der EU-weite CO2-Zertifikatehandel das bessere Instrument, sagt Wolf und ergänzt: "Sechs Cent pro Kilometer ist der Durchschnittssatz in den EU-Staaten, die bereits eine Maut haben."
Maut brächte 36 Milliarden für öffentliche Haushalte
Eine solche Pkw-Maut würde dem Staat ein gewaltiges Einnahmeplus bescheren. Wolf hat 36 Milliarden Euro errechnet. "Hinzu kommen positive Effekte, weil die Maut dazu führen dürfte, dass etwas weniger Auto gefahren wird." Das würde sich jedoch auf den Staatshaushalt auswirken. Wolf rechnet mit einem Verlust an Steuereinnahmen von 6,4 Milliarden Euro, das Plus für den Staat liegt also unterm Strich bei nur rund 30 Milliarden Euro.
Warum der CO2-Preis für Ökonomen das zentrale Instrument ist
Klar ist, dass damit noch keine volkswirtschaftlich kosteneffiziente Bepreisung des Pkw-Verkehrs erreicht wäre. Auch der CO2-Preis, der Benzin und Diesel schon heute um rund zehn Cent pro Liter verteuert, müsste weiter steigen. Für Ökonomen ist er das zentrale Instrument auf dem Weg zur Klimaneutralität. Je höher der CO2-Preis, desto höher der Anreiz, weniger mit einem Verbrenner-Pkw zu fahren oder auf ein E-Auto umzusteigen, so die Idee. Die Bepreisung von Umweltkosten würde so die negativen gesellschaftlichen Kosten reduzieren, der Klimaschutz vorangetrieben.
Das UBA plädiert allerdings für einen Instrumentenmix, zu dem auch Vorgaben für die Autobauer gehören. "Beispielsweise setzen Höchstwerte für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß von neu verkauften Pkw eines Herstellers, sogenannte Flottenzielwerte, Anreize dafür, dass die Industrie den Absatz von E-Autos forciert", erklärt UBA-Experte Frey.
Auch der Sachverständigenrat Wirtschaft ist für Autobahngebühren
Ein verstärkter Absatz von E-Autos würde aber Löcher in die öffentlichen Haushalte reißen, wenn Energiesteuern wegbrechen. Vor diesem Hintergrund spricht sich auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem jüngsten Gutachten für eine Pkw-Maut aus, allerdings noch ohne eine konkrete Höhe zu benennen.
"Die Pkw-Maut soll den Einnahmeausfall kompensieren, der sich ergibt, wenn der Anteil der batterieelektrischen Autos wächst und der Staat damit weniger Einnahmen aus den Steuern erhält, die derzeit auf fossile Energieträger wie Benzin und Diesel anfallen", erklärt die Ratsvorsitzende und Münchner Ökonomie-Professorin Monika Schnitzer auf Anfrage und ergänzt: "Die Pkw-Maut sollte in langsamen Schritten eingeführt werden, von einem niedrigen Niveau ausgehend, zur Kompensation des Rückgangs der Einnahmen aus Kraftstoffen."
Dabei plädiert der Sachverständigenrat ebenfalls für eine entfernungsabhängige Maut und nicht für eine Vignette. "Eine stärkere Nutzerfinanzierung trägt dazu bei, dass die Kosten für die Straßeninfrastruktur durch ihre Verursacher getragen werden. Es ist viel gerechter, wenn derjenige, der mehr fährt, auch mehr für den Bau und die Instandhaltung der Straßen bezahlt."
Lkw-Maut als Vorbild für nach Gewicht differenzierende Maut
Dies würde auch soziale Härten vermeiden: "Reichere Menschen legen in der Regel längere Distanzen mit dem Auto zurück, außerdem fahren sie meist schwerere Autos." Das Gewicht der Autos könne bei der Erhebung der Maut eine wichtige Rolle spielen. Schnitzer erklärt: "Ein SUV mit einem Gewicht von 2,5 Tonnen und zwei Achsen beansprucht die Straße 39-mal so stark wie ein Kleinwagen mit einer Tonne Gesamtgewicht." Vorbild für eine nach Gewicht differenzierende Maut könnte die bestehende Lkw-Maut sein.
Die technische Umsetzung kann ihr Vorbild ebenfalls in der Lkw-Maut finden. In deutschen Autos könnte eine "On Board Unit" installiert werden, die satellitengestützt die Höhe der zu zahlenden Maut berechnet, erklärt Schnitzer. Für ausländische Autos käme eine App-Lösung infrage.
Klimaschutz nur mit E-Autos möglich
So könnte die Maut nicht nur auf Autobahnen erhoben werden, sondern auf allen Straßen. Skeptischer zeigt sich die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen bei der Frage der externen Effekte: "Die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs sind bereits durch die CO2-Abgabe abgedeckt. Andere Bereiche wie Lärm haben wir im Gutachten nicht in den Blick genommen."
Klar sei, dass der Verkehrssektor endlich einen Beitrag leisten müsse beim Klimaschutz. Bis zum Ende des Jahrzehnts seien die Klimaziele nur erreichbar, wenn es gelinge, den Anteil batterieelektrischer Pkw und Lkw massiv zu steigern. "Andere klimaneutrale Technologien, die auf Wasserstoff oder sogenannten E-Fuels basieren, stehen bis dahin nicht in ausreichender Menge zur Verfügung, batterieelektrische Lösungen sind hingegen marktreif", argumentiert Schnitzer.
Doch zuletzt waren E-Autos hierzulande eher Ladenhüter. Ohne staatliche Kaufsubventionen sind sie zu teuer. Selbst steigende Spritpreise sind aus Verbrauchersicht bisher kaum ein Argument für die hohen Anschaffungskosten von Batterie-Autos. Das soll sich ändern. Hersteller kündigen günstigere E-Autos an. Volkswagen will 2026 mit dem ID.2 ein E-Auto für unter 25.000 Euro mit 450 Kilometern Reichweite anbieten.
Wirtschaftsweise will Wettbewerbsbehörden bei Ladesäulen einschalten
Doch auch der Strompreis spielt eine Rolle. Nicht jeder Bundesbürger verfügt über ein Einfamilienhaus mit Solardach, Garage und eigener Wallbox, an der sich ein E-Auto günstig aufladen lässt. Im Frühjahr berichteten Boulevardblätter, dass die Kosten pro gefahrenem Kilometer mit einem E-Auto höher sind als mit einem Benziner, wenn der Strom aus öffentlichen Ladestationen stammt. Strom für E-Autos war teurer als Sprit für Verbrenner.
Die Wirtschaftsweise Schnitzer sagt dazu: "Die Wettbewerbsbehörden müssen sich den Markt für Strom aus Ladesäulen anschauen und sicherstellen, dass hier keine Monopolgewinne eingefahren werden, so wie es bei normalen Stromanbietern auch geschieht." Die Ökonomin erklärt: "Außerdem darf gerade die Kommunalpolitik nicht nur ihre eigenen Stromanbieter beim Ausbau der Ladesäulen forcieren, sondern muss privaten Anbietern gleichen Zugang geben, etwa zu öffentlichen Flächen."
Billigerer Strom und günstigere Fahrzeuge, so könnten E-Autos zur Alternative werden, die hilft, die gesellschaftlichen Kosten des Autofahrens zu senken, zumindest was Schadstoffe aus dem Auspuff wie Feinstaub betrifft, die Emission von Treibhausgasen sowie Lärm. Zugleich könnte so motorisierte individuelle Mobilität für die Bürger bezahlbar bleiben.