Fünf Fragen an: SWP-Expertin Melanie Müller : "Es braucht einen Mix an Instrumenten"
Das Lieferkettengesetz wird nicht alle Herausforderungen auf dem Weg zur menschenrechtskonformen Produktion lösen - dafür nötig ist ein Mix, sagt die SWP-Expertin.
#1
Frau Müller, wie nachhaltig sind unsere Lieferketten?
Vor allem bei zusammengebauten Produkten ist es beinahe unmöglich, ein Gerät zu kaufen, in dessen Lieferkette es nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Selbst Unternehmen, die ihre Produktion nachhaltig gestalten wollen, schaffen dies kaum. Denn aus je mehr Teilen ein Produkt besteht, desto komplexer sind die Lieferketten. In modernen Handys sind momentan beispielsweise rund 60 verschiedene Metalle verarbeitet.
#2
Wieso lassen sich diese Lieferketten so schwierig kontrollieren?
Eine große Herausforderung dabei ist die fehlende Transparenz. Während Unternehmen ihre direkten Zulieferer meist kennen, ist es für sie schwieriger, den gesamten Verlauf eines Rohstoffs nachzuvollziehen. Bei Metallen ist es beispielsweise so, dass die Erze in unterschiedlichen Minen abgebaut werden. Danach werden sie in einer Schmelze oder Raffinerie weiterverarbeitet. Sobald die Erze dort zusammengeschmolzen werden, ist es ohne eine entsprechende Dokumentation der Minen durch die Schmelzen unmöglich, nachzuprüfen, unter welchen Bedingungen die Erze abgebaut wurden.
#3
Lange setzte die Politik auf Freiwilligkeit. Durch das 2023 in Kraft getretene Lieferkettengesetz sind Unternehmen nun verpflichtet, ihre Lieferketten zu überprüfen. Ein Meilenstein für eine saubere Produktion?
Durch das Gesetz ist klar und transparent geregelt, wie Unternehmen ihre Lieferketten überprüfen müssen. Außerdem gelten dadurch jetzt dieselben Grundsätze für alle Branchen. Das Lieferkettengesetz wird nicht alle Herausforderungen auf dem Weg zu einer menschenrechtskonformen Produktion lösen, hierfür braucht es einen Mix an Instrumenten, aber es ist ein wichtiger Schritt, um Sorgfaltspflichten zu verankern.
#4
Das Gesetz verpflichtet Unternehmen allerdings vor allem dazu, ihre direkten Zulieferer zu überprüfen.
Das stimmt. Viele Unternehmen beispielsweise in der Automobilindustrie haben komplexe und lange Lieferketten. Beziehen sie ihre Metalle über Zulieferer, dann müssen sie sich den Beginn der Lieferkette nur anschauen, wenn sie dort von Menschenrechtsrisiken erfahren. Doch gerade beim Abbau von Rohstoffen kommt es zu großen Menschenrechts- und Umweltrisiken. Daher ist es wichtig, die Bedingungen vor Ort zu kennen.
#5
Was kann gegen Menschenrechtsverletzungen am Anfang der Lieferkette getan werden?
Viele Staaten, die am Anfang der Lieferkette stehen, haben Schwierigkeiten bei der Um- und Durchsetzung von Standards, häufig auch einfach, weil ihnen die Kapazitäten dafür fehlen. Die Bundesregierung kann daher beispielsweise vor Ort Institutionen finanziell oder technisch unterstützen, die überprüfen, dass Minenbetreiber Standards einhalten.