Auswanderung aus Südasien : Die Hoffnung auf Wohlstand treibt die Menschen ins Ausland
Millionen Asiaten ziehen fort, um sich im Ausland eine neue Existenz aufzubauen. Die meisten Migranten machen sich von Indien aus auf den Weg in die Welt.
Ob Sanjeev Tamang jemals nach Nepal zurückkehren wird, lässt er offen. Seit einem knappen Jahr macht der Nepalese eine Ausbildung zum Automechaniker in Bayern. Über eine private Berufsschule in Kathmandu ist er nach Würzburg gekommen. Der ältere Bruder des 21-Jährigen studiert in Japan Automobilbau.
Arbeit im Ausland, um die Familie in der Heimat zu versorgen
Das Brüderduo hat es gut erwischt. Andere haben es schwerer. Dutzende Millionen Menschen aus dem Süden Asiens verdingen sich im Ausland, um ihre Familien in der Heimat zu versorgen: Tamilen im Hafen von Singapur, Nepalesen auf dem Bau in den Golfstaaten, Afghanen als Taxifahrer in Australien, Menschen aus Sri Lanka in den Spülküchen Londons. Aus keiner Weltregion ziehen so viele Menschen zumindest vorübergehend fort, um sich im Ausland eine Existenz aufzubauen, oder ihre Familie eine Zeit lang abzusichern.
Gastarbeiter aus Indien und Bangladesch bei Straßenbauarbeiten in Doha (Katar): Etwa 56 Prozent der Menschen im Emirat stammen aus Indien, Bangladesch, Nepal, Pakistan oder Sri Lanka.
Auch Lal Bazar Lama hat seine besten Jahre auf Baustellen in Saudi-Arabien und Katar verloren. "Was bleibt uns denn anderes - wir müssen gehen. Hier oben können wir nicht mehr leben, wir verdienen unser Geld dort", sagt der 49-Jährige aus dem Himalaja-Dorf Attarpur. Rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung Nepals steuern seine Gastarbeiter bei. In Bangladesch und Pakistan stehen die Überweisungen für sechs und acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Entsendeländer, berechnet die Weltbank. Indien gilt als das größte Entsendeland für Migranten. Knapp neun Millionen Inder arbeiten in den Golfstaaten. Auch 95 Prozent der pakistanischen Gastarbeiter schuften dort.
Arbeitsmigranten schicken Geld in ihre Heimat
Zum einen liegen die Emirate nicht zu weit von der Heimat entfernt, auf der anderen Seite liegen die Einkommen der Südasiaten dort in etwa beim Fünffachen dessen, was sie in ihren Ländern verdienen können. Lama hat in Katar umgerechnet rund 50.000 Rupien im Monat gemacht, knapp 350 Euro. Einen Teil musste er seiner Vermittlungsagentur erstatten, Miete und Essen bezahlen.
Umgerechnet 90 Euro konnte er nach Hause schicken. "Mal zwölf Monate und über sieben Jahre macht 7.000 Dollar", rechnet er vor. Genug für ein Steinhäuschen in Attarpur. "Hätte ich Geld gehabt, wäre ich ganz sicher nicht gegangen." Verhindern aber kann er die Abwanderung nicht. Heute verdienen seine Tochter und sein Sohn ebenfalls Geld am Golf - sie in einem Supermarkt, er im Hotel. "Wir brauchen Geld, wir müssen eine Bewässerung für die Felder bauen, der Klimawandel ändert die Wasserzufuhr", sagt der Vater.
Die Hoffnung auf Wohlstand treibt die Menschen ins Ausland, zunehmend sind es die Folgen des Klimawandels, aber auch Kriege und Konflikte wie in Afghanistan. Für viele wird die Einsamkeit zur Belastung, Schlepper drohen, sie auszubeuten, Krankheiten und Unfälle sind ein hohes Risiko. Und doch betont die Weltbank den positiven Effekt der Migration für die Heimatländer.
Biswash Gauchan vom Institute for Integrated Development Studies (IIDS) in Nepal sagt: "Südasien ist weltweit der größte Empfänger von Rücküberweisungen. Sie haben eine zentrale Rolle bei der Linderung der Armut, der Bewältigung wirtschaftlicher Schocks und bei der Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele in Nepal gespielt." Einschränkend fügt er hinzu: Allerdings sind die sozioökonomischen und politischen Kosten der Migration in dem Land, in dem ein großer Teil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter auf der Suche nach Arbeit ins Ausland gegangen ist, ebenfalls sehr hoch.
Rückkehrer bringen Erfahrungen und Geld mit
Indien ist vielleicht das beste Beispiel. Studenten des bevölkerungsreichsten Landes der Erde bauen in Amerika, England und zunehmend auch in Australien und Neuseeland eine indische Diaspora auf, bringen aber auch Geld und neue Einflüsse wieder in die Heimat zurück. Nicht ganz so ausgeprägt, aber dennoch spürbar ist der Effekt bei den Gastarbeitern. Qualifizierte Rückkehrer, beispielsweise aus der Softwarebranche, bereiten den Boden für Investitionen ausländischer Konzerne in der eigenen Heimat vor. Ein positiver Nebeneffekt: Oft dringen die Rückkehrer auf den Kauf bestimmter Maschinen der Hersteller, die sie schon im Gastland bedient haben - ob Küchengeräte, Baumaschinen oder Schiffsmotoren. Das hilft insbesondere den in Asien verbreiteten japanischen und chinesischen Herstellern.
Der Autor ist Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und lebt in Singapur.