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Fünf Fragen an Guido Steinberg : "Israel muss sich um die Palästinenserfrage kümmern"

Israel muss die Beziehungen zu den Palästinensern verbessern, um neue Kriege zu verhindern, meint Islamexperte Guido Steinberg.

19.10.2023
True 2024-02-26T12:49:36.3600Z
2 Min

#1

Herr Steinberg, was macht Ihnen aktuell mit Blick in den Nahen Osten die größten Sorgen?

Guido Steinberg: Die Hisbollah. Eine Eskalation zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Organisation würde nicht nur die Ausweitung des Krieges auf Israels Nordgrenze bedeuten, sondern auch einen zusätzlichen Konflikt zwischen Israel und dem Iran. Dann hätten wir es mit einem größeren Krieg an mindestens zwei Fronten zu tun.

#2

Wie wahrscheinlich ist das? Bisher hat der Iran die direkte Auseinandersetzung mit Israel gemieden.

Guido Steinberg: Danach sieht es auch jetzt aus. Aber etwas Entscheidendes wissen wir noch nicht: Hat die Hamas die Entscheidung zum Angriff auf Israel eigenständig gefällt? Oder wurde er von Hamas, Hisbollah und Iran gemeinsam in Beirut beschlossen? Für Letzteres mehren sich die Hinweise. In diesem Fall kann ich mir nicht vorstellen, dass Iran und Hisbollah tatenlos zuschauen, wie Israel die Hamas zerschlägt.


Porträtfoto von Guido Steinberg
Foto: Marc_Darchinger www.darchinger.com
„Hat die Hamas die Entscheidung zum Angriff auf Israel eigenständig gefällt?“
Guido Steinberg, Islamexperte

#3

Das ist aber das erklärte Ziel der israelischen Regierung. Wie kann sie aus dem Dilemma herauskommen, dass sie mit dem Kampf gegen die Hamas einen noch größeren Konflikt riskiert?

Guido Steinberg: Aktuell kann sie dieses Dilemma nicht auflösen. Im Anschluss an den Krieg muss sich aber die israelische Regierung dringend um die Palästinenserfrage kümmern. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Akteure geglaubt, dass es reicht, Frieden mit arabischen Staaten zu schließen, und man die Palästinenser beiseiteschieben kann. Der Angriff der Hamas hat gezeigt, dass das nicht funktioniert.

#4

Was sollte die Regierung in Jerusalem konkret tun?

Guido Steinberg: Ich glaube nicht mehr an die Zwei-Staaten-Lösung, aber Israel kann und muss trotzdem eine Menge Dinge tun, um einen erneuten Krieg zu verhindern. Zum einen muss sie die Lebensverhältnisse in den palästinensischen Gebieten verbessern und sich um den Aufbau einer echten Palästinenserregierung kümmern, damit sie überhaupt einen Verhandlungspartner hat; Palästinenserpräsident Abbas ist dazu nicht mehr in der Lage. Zum anderen muss sie den Bau von Siedlungen auf besetztem Territorium stoppen und gegen israelische Siedler vorgehen, die palästinensische Orte angreifen.

#5

Können die Annäherungsabkommen, die Israel mit arabischen Staaten abgeschlossen hat, aktuell zur Deeskalation beitragen?

Guido Steinberg: Im Moment scheinen die Vereinbarungen stabil zu sein; Israel ist nicht mehr so isoliert wie noch vor ein paar Jahren. Die bisher schlimmste diplomatische Folge der aktuellen Eskalation ist, dass Saudi-Arabien die Gespräche über eine mögliche Friedenslösung beendet hat. Da ein solches Abkommen ein großer strategischer Gewinn für die Israelis und die westliche Welt wäre, hoffe ich sehr, dass die Verhandlungen bald weitergehen.

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