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Personalnotstand an Schulen : Lehrkräftemangel an deutschen Schulen verschärft sich

An Schulen fehlen tausende Lehrkräfte. Lehrerverbände und Gewerkschaften warnen vor Unterrichtsausfällen. Die AfD scheitert mit Forderungen nach einem Qualitätspakt.

04.10.2022
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3 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Caroline Seidel

Der Personalnotstand an Schulen verschärft sich: Bildungsgewerkschaften warnen vor mehr Unterrichtsausfall und sogar Schulschließungen im Herbst.

Deutschland gehen die Lehrer aus - das ist keine neue Erkenntnis. Seit Jahren warnen Bildungsexperten eindringlich vor einem sich verschärfenden Personalmangel im Bildungsbereich. Und in diesem Jahr scheint er sich zum Schulbeginn bereits in vielen Bundesländern besonders gravierend auszuwirken. Bis zu 40.000 Lehrkräfte könnten bundesweit fehlen, schlug der Deutsche Lehrerverband nun Alarm. Bildungsgewerkschaften warnen angesichts einer im Herbst drohenden Grippe- und Coronawelle vor erhöhtem Unterrichtsausfall und sogar Schulschließungen. Krankheitsbedingte Lücken ließen sich kaum noch schließen. Schule werde zum Mangelbetrieb, so der allgemeine Tenor.

Eine Situation, die der AfD eine perfekte Bühne bot: Zwar scheiterte sie mit ihrer Forderung nach einem "Qualitätspakt Schule", den Bund und Länder zur Bekämpfung des Lehrermangels schließen sollten. Einen entsprechenden Antrag lehnten alle übrigen Fraktionen in der vergangenen Woche ab. Doch ihre Kritik an der Lage des Bildungssystems war nicht so leicht von der Hand zu weisen: Für den "skandalösen Mangelzustand" in deutschen Schulen seien "Ihre Parteien in Bund und Ländern verantwortlich", hielt Nicole Höchst (AfD) den übrigen Fraktionen im Plenum vor. Fehlgeleitete Reformen und Überbürokratisierung, Coronaschließungen und ideologische Projekte hätten das Schulsystem "an den Abgrund" gebracht. Was es brauche, seien mehr Lehramtsstudiengänge, mehr Referendariatsplätze, Stipendien für Mangelfächer und zusätzliche Planstellen, verlangte Höchst. Um die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte zu verbessern, sollten sie von bürokratischen, aber auch von unterrichtsfremden Tätigkeiten "in der Radikalinklusion oder im Ganztag" stärker entlastet werden.

Union kritisiert Antrag der AfD

Der Antrag sei ein "Sammelsurium unzusammenhängender Forderungen", entgegnete Peter Heidt (FDP) der AfD. Zuständigkeiten von Bund und Ländern würden vermischt, Fortschritte etwa bei der Förderung von Quer- und Seiteneinsteigern unter den Tisch gekehrt, bemängelte er und verwies als Beispiel auf die gemeinsame Qualitätsoffensive Lehrerbildung, für die der Bund 500 Millionen Euro zur Verfügung stelle.

Kaum milder fiel die Kritik seitens der Unionsfraktion aus: Der Antrag sei "vage, widersprüchlich und mit Stammtischparolen gespickt", monierte Monika Grütters (CDU). Es lohne sich kaum, darüber zu debattieren. Das Thema selbst aber, das hatte zuvor schon ihre Fraktionskollegin Daniela Ludwig (CSU) eingeräumt, sei wichtig und gehöre auf die Tagesordnung des Bundestags, auch wenn der Bund dafür eigentlich gar nicht zuständig sei.

Union sieht Ursache des Lehrkräftemangels in unzureichender Attraktivität des Berufs

Als Ursache für den Lehrermangel machten beide Unionsvertreterinnen die mangelnde Attraktivität des Lehrberufs aus. Immer mehr Lehramtsstudierende brächen ihr Studium ab. Es fehle an Wertschätzung. Da sei es ein richtiger Schritt, dass unionsgeführte Länder wie Bayern und Nordrhein-Westfalen, Grundschulpädagogen und Gymnasiallehrern künftig das gleiche Gehalt zahlen wollten, meinte Ludwig. Gleichzeitig erhöhte sie den Druck auf die Ampel: Das angekündigte Startchancenprogramm, mit dem Schulen in sozialen Brennpunkten durch zusätzliche Mittel etwa für mehr Schulsozialarbeit unterstützt werden sollen, lasse noch immer auf sich warten.

Wer das Problem des Lehrermangels wirklich angehen wolle, müsse die Arbeitsbedingungen von Lehrkräften nachhaltig verbessern, kleinere Klassen ermöglichen und mehr Gehalt bezahlen, forderte Nicole Gohlke (Linke). Das Bildungssystem sei "am Limit", der Bund aber ignoriere dies meist mit Verweis auf den Föderalismus. Die Vorschläge der AfD allerdings seien auch keine Hilfe: Die Forderung etwa, pensionierte Pädagogen weiter zu beschäftigen, ignoriere schlicht die Realität: Immer mehr Lehrer gingen schließlich in Teilzeit oder schieden vorzeitig aus, weil sie es bis zur Rente gar nicht schafften.

SPD-Abgeordnete fordert länderübergreifende Gewinnung von Lehrkräften

Nina Stahr (Grüne) wies den Vorwurf der Untätigkeit zurück: Unter anderem mit der Koordinierungsstelle für Lehrerfortbildung und den geplanten vier Kompetenzzentren für digitalen und digital gestützten Unterricht zeige der Bund, dass er Verantwortung übernehme.

Kritik in Richtung Länder äußerte Katrin Zschau (SPD): Zu den Engpässen komme es, weil nicht nach langfristigem Bedarf ausgerichtet ausgebildet und eingestellt werde. Es brauche strukturelle Veränderungen für eine "bedarfsdeckende und bedarfsgerechte" Lehrerbildung, sagte sie und plädierte für feste Ausbildungsquoten, einheitliche qualitative Standards für Quer- und Seiteneinsteiger sowie eine länderübergreifende, gemeinsame Lehrkräftegewinnung.