Transparenzregeln in der Politik : Nicht nur hinter verschlossenen Türen
Der Bundestag verschärft die Regeln für die Offenlegung von Kontakten zwischen Politik und Interessenvertretern. Union und AfD kritisieren die Spendenregelung.
Es war spät, sehr spät, als der Bundestag in der Nacht zum Freitag über ein Thema in eigener Sache abstimmte: Die Reform der Transparenzregeln für all jene Verbände und Interessenvertreter, die Zugang zu politischen Entscheidungsträgern haben wollen, stand um ein Uhr nachts auf der Tagesordnung des Parlaments. Was vorher lange debattiert wurde, fand aufgrund der Uhrzeit relativ geräuschlos seinen Abschluss: Die Änderung des Lobbyregistergesetzes. Die Opposition zeigte sich unzufrieden mit dem Gesetz der Ampel-Fraktionen, die Unions- und die AfD-Fraktion stimmten dagegen und Die Linke enthielt sich.
Unterirdischer Durchgang zum Reichstagsgebäude: Für Lobbyisten, die das Gespräch mit Abgeordneten suchen, gelten künftig strengere Regeln.
Lobbyregister fasst aktuell 6.000 Einträge
Seit Januar 2022 müssen sich Interessenvertretungen gegenüber Bundestag und Bundesregierung in einem öffentlichen Verzeichnis registrieren. Dieses Lobbyregister mit derzeit rund 6.000 Einträgen wird in der Bundestagsverwaltung geführt. Interessenvertreter müssen ihre Identität und ihr Anliegen sowie gegebenenfalls die Identität und das Anliegen ihres Auftraggebers gegenüber Bundestag und Bundesregierung offenlegen. Sie müssen sich künftig bereits dann registrieren, wenn sie in den letzten drei Monaten mehr als 30 statt bisher mehr als 50 unterschiedliche Kontakte hatten. Bei Kontakten zu Ministerien müssen nun auch Referatsleiter einbezogen werden. Darüber hinaus muss angegeben werden, auf welche Regelungsvorhaben in Bund oder EU sich die Interessenvertretung bezieht.
Die Zahl der Beschäftigten muss nur noch genannt werden, wenn mehr als zehn Prozent von ihnen als Lobbyisten tätig sind. Zuwendungen der öffentlichen Hand, der EU oder von Staaten, Schenkungen und Mitgliedsbeiträge müssen in Stufen von 10.000 Euro gemeldet werden, wenn der Gesamtwert von 10.000 Euro pro Zuwendungsgeber, Schenker oder Beitragszahler im Geschäftsjahr überschritten wird. Bei Schenkungen und Mitgliedsbeiträgen müssen zugleich zehn Prozent bezogen auf die jährliche Gesamtsumme überschritten sein.
SPD: Vorschlag der Bundesregierung zu einem exekutiven Fußabdruck erwartet
Beschlossen wurde zudem, dass Vergütungen von Auftraggebern in Stufen von 50.000 Euro angegeben werden müssen. Anders als bisher können Angaben zur Finanzierung nicht mehr verweigert werden. Beim Wechsel von Mandats- und Amtsträgern in Lobbytätigkeiten ("Drehtüreffekt") müssen aktuelle und frühere Ämter und Mandate offengelegt werden. Die Änderungen treten am 1. März 2024 in Kraft.
Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner sagte, 800 Millionen Euro würden jedes Jahr für Lobbyismus in Deutschland ausgegeben. Das zeige, wie intensiv die Bestrebungen seien, die Abgeordneten zu beeinflussen. Kritisch merkte er an, dass auch noch ein "exekutiver Fußabdruck" eingeführt werden müsse, um die Kontakte zur Bundesregierung klar und nachvollziehbar zu machen. Dazu erwarte man von der Bundesregierung einen Vorschlag.
Das Lobbyregister
Lobbyismus: Verbände, Vereine und andere Interessenvertretungen geben jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro aus, um Kontakte in die Politik zu pflegen und so Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen zu können.
Öffentliches Verzeichnis: Seit Januar 2022 müssen sich Interessenvertretungen gegenüber Bundestag und Bundesregierung in einem öffentlichen Verzeichnis registrieren.
Einträge: Derzeit sind rund 6.000 Interessenvertreter in dem Register verzeichnet
Der Sozialdemokrat hob besonders hervor, dass spendenfinanzierte Nichtregierungsorganisationen nur noch solche Einzelspenden angeben müssen, die mehr als zehn Prozent des gesamten Spendenaufkommens ausmachen. Beispielhaft nannte er das Rote Kreuz und die Diakonie. Diesen Organisationen sichere man damit die finanzielle Ausstattung, denn wenn sie die Spendernamen angeben müssten, würden ihnen die Spenden "wegbrechen", zweistellige Millionenbeträge könnten fehlen. Dass die Unionsfraktion diese Regelung nicht wolle, bezeichnete Fechner als "krasses Foulspiel".
Gesetz bleibe hinter "großspurigen Ankündigungen" zurück
Diesen Vorwurf wies der CDU-Abgeordnete Patrick Schnieder zurück. Die Union habe anerkannt, dass die Bedenken wegen wegbrechender Spenden bei karitativen Organisationen nachvollziehbar seien. Dies könne aus seiner Sicht aber auch mit der bisherigen Möglichkeit der Verweigerung von Angaben gelöst werden. Für Schnieder bleibt das Gesetz hinter den "großspurigen Ankündigungen" zurück. Die Folgen seien mehr Intransparenz und mehr Bürokratie.
Intransparenz erwartet der Unionsabgeordnete durch die neue Spendenregelung. Bisher hätten bei Spenden ab 20.000 Euro die Spendernamen angegeben werden müssen. Es gehe gar nicht um Wohltätigkeitsorganisationen, sondern um "links-grüne Vorfeldorganisationen" wie Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe, BUND, WWF Deutschland. Diese müssten künftig nicht mehr angeben, wie sie finanziert werden. Die Union hatte ihre Einwände in einem Entschließungsantrag (20/8892) gebündelt, der aber bei Enthaltung der AfD abgelehnt wurde.
AfD: Gesetz läuft ins Leere
Aus Sicht von Thomas Seitz (AfD) läuft das Gesetz ins Leere. Dass karitative Organisationen unter einer Veröffentlichungspflicht litten, sei ein "Märchen". Vielmehr bildeten sie eine "milliardenschwere Sozialindustrie" und gehörten zu den "Profiteuren einer illegalen Massenmigration".
Mit den Stimmen der übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag den AfD-Gesetzentwurf zur Änderung des Lobbyregistergesetzes ab und überwies einen neuen Gesetzentwurf der Fraktion, der Karenzzeiten beim Wechsel von einer Lobbyorganisation zur Bundesregierung vorsieht, an den Geschäftsordnungsausschuss. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Linken-Antrag zur Offenlegung von Lobbykontakten .