Editorial : Schlaglicht auf die Stimmung im Land
Der Bauernprotest war laut und Auslöser einer Debatte über den Diskurs im Land. In seinem 75. Jahr steht der Bundestag einmal mehr vor Herausforderungen.
Der Bundestag wird in diesem Jahr 75 Jahre alt. Am 7. September 1949 kam er in Bonn zur ersten Sitzung zusammen. Deutschland war wieder eine Demokratie. Das war weder damals noch ist es heute selbstverständlich. Die Demonstrationen der Landwirte seit Jahresbeginn haben im Bundestag nicht nur die Agrarpolitik nach oben auf die politische Agenda gesetzt. Es ging auch um den Zustand des demokratischen Diskurses im Land.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mahnte nach den ersten Protesten in einer Videobotschaft, Maß und Mitte zu halten. Zwar sei Demokratie ohne Streit nicht denkbar und der dürfe auch laut auf der Straße ausgetragen werden; zur Demokratie gehöre aber auch der Kompromiss. Aufrufe zu Gewalt und Bedrohungen hätten in der Demokratie dagegen nichts verloren. Das griff im Bundestag Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) auf. Der Bauernprotest sei friedlich verlaufen. Doch es werfe ein Schlaglicht auf die Stimmung im Land, wenn Protest gegen die Regierung regelmäßig "unter den Verdacht der Demokratiefeindlichkeit gestellt" würde. Das gefährde die Zustimmung zu den demokratischen Institutionen.
„Egal wie Sie uns lesen: Das parlamentarische Geschehen zu verfolgen, lohnt sich.“
Trotz vieler berechtigter Warnungen: Der Bundestag als die zentrale demokratische Institution steht in seiner nun 20. Wahlperiode viel besser da, als es manchmal erscheinen mag. Es gibt wieder einen harten Schlagabtausch zwischen Mehrheit und Minderheit, die Debatten sind lebendig. Immer wieder versucht das Parlament auch in Sachen Bürgernähe neue Wege zu gehen, wie vor Jahren mit dem digitalen Petitionsportal, das übrigens auch die Landwirte nutzten, oder aktuell mit dem Bürgerrat, der den Abgeordneten jetzt neun Empfehlungen zum Thema "Ernährung im Wandel: zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben" erarbeitet hat.
Auch die Wochenzeitung "Das Parlament" geht seit dieser Woche einen neuen Weg. Mit neuer Optik und neuem Konzept hat die Redaktion das digitale Angebot barrierefrei und so gut bedienbar ausgebaut, wie Sie es auch von anderen Zeitungen gewohnt sind. Es ist ein Angebot für alle, die eine gedruckte Zeitung nicht mehr abonnieren. Egal wie Sie uns lesen: Das parlamentarische Geschehen zu verfolgen, lohnt sich. Das wussten schon die Bonner, als sie am 7. September 1949 zu Tausenden zum Bundeshaus strömten, um über Lautsprecher das Geschehen im Plenarsaal zu verfolgen.