Freier sollen bestraft werden : Union will Sexkauf-Verbot
Die Unionsfraktion kritisiert die mangelnde Schutzwirkung der Gesetze. Die anderen Fraktionen werfen ihrem Antrag dagegen "Einseitigkeit" vor.
Sexdienstleistungen in Wohnwagen, wie hier auf einem Parkplatz bei Essen, soll es nach dem Willen der Union nicht mehr geben.
Das Problem fängt schon bei den Zahlen an: Laut statistischem Bundesamt waren Ende 2022 rund 28.000 Prostituierte bei den Behörden gemeldet. Wie viele Frauen (es sind meistens Frauen) in Deutschland tatsächlich kaufbare sexuelle Dienstleistungen anbieten, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Einige Interessenverbände schätzen die Zahl aktuell bei rund 100.000 Personen, die CDU/CSU-Fraktion spricht in ihrem aktuellen Antrag zu dem Thema von rund 250.000 Sexdienstleisterinnen. Auch wenn sich die Zahl nicht exakt bemessen lässt: Dass die Dunkelziffer immens höher ist, als es die offiziellen Angaben nahelegen, und dass viele der betroffenen Frauen in prekären Verhältnissen, oft unter Zwang, hier leben und arbeiten, bestreitet niemand ernsthaft.
Prostitution in Deutschland
📊 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Ende 2022 rund 28.000 Prostituierte bei den Behörden gemeldet. Die Dunkelziffer reicht von 100.000 bis rund 250.000.
🌍 Die meisten der gemeldeten Frauen kommen aus Rumänien und Bulgarien, nur ein Fünftel hat die deutsche Staatsbürgerschaft.
📜 2002 beschloss der Bundestag das Prostitutionsgesetz und 2017 das Prostituiertenschutzgesetz.
Die Unionsfraktion, allen voran ihre prominente Familienpolitikerin Dorothee Bär (CSU), trommelt schon seit Jahren für strengere gesetzliche Regelungen. Mit ihrem aktuellen Antrag für ein Sexkaufverbot beschäftigte sich der Bundestag am Freitag und überwies ihn im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an die Ausschüsse.
Die CDU/CSU erntete für ihren Antrag ziemlich einhellige Kritik aus den Reihen der anderen Fraktionen. Doch während SPD, Grüne, FDP und Linke der Union vorwarfen, es sich mit einem Verbot zu einfach zu machen, kritisierte die AfD-Fraktion vor allem, dass nur "einseitig" die Freier bestraft werden sollen.
Menschenhandel konnte sich unkontrolliert ausbreiten, kritisiert der Antrag
Zur Begründung ihrer Initiative verweist die Union auf das ihrer Meinung nach gescheiterte Prostitutionsgesetz von 2002. Der Versuch, mit dem Gesetz die Prostitution zu legalisieren und damit die Situation für betroffene Personen zu verbessern, ihr Schutzniveau zu erhöhen und sie in eine sozial- und krankenversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen, sei misslungen. "Die tatsächliche Situation in der Prostitution hat sich seitdem drastisch verschlechtert", schreibt die Fraktion. Sie kritisiert, dass die Mehrheit der Prostituierten Teil der unfreiwilligen Armuts- und Elendsprostitution sei und damit täglich sexueller Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch schutzlos ausgeliefert sei. "Unter dem Schutzmantel der vom Gesetzgeber geschaffenen Legalität der Prostitution konnte sich ein Handel mit Menschen unkontrolliert ausbreiten", schreiben die Abgeordneten. Auch die Schutzvorschriften des Prostituiertenschutzgesetzes von 2017 hätten daran nichts geändert, das zeige die Zwischenevaluation des Gesetzes von 2020.
Sie verlangen deshalb unter anderem, eine allgemeine Freierstrafbarkeit einzuführen und den Kauf sexueller Dienstleistungen im Grundtatbestand als Vergehen zu ahnden. Es soll sichergestellt werden, dass Prostituierte im Zuge der Neuregelung nicht kriminalisiert werden. Verboten werden soll ferner der Betrieb von Prostitutionsstätten wie Bordellen, Verrichtungsboxen oder Wohnwagen sowie die Vermietung von Objekten zu diesem Zweck. Die Bundesregierung müsse die grundsätzliche Strafbarkeit von Zuhälterei, Ausbeutung von Prostituierten und Menschenhandel wirksam gewährleisten sowie das umfassende strafbewehrte Verbot, aus der Prostitution einer anderen Person vorsätzlich eigenen Nutzen zu ziehen, fordern die Abgeordneten.
Union warnt vor Mythos der Freiwlligkeit in der Prostitution
Dorothee Bär (CSU) nahm sich in ihrer Rede vor allem einige der "Mythen" vor, die sich ihrer Meinung nach um das Thema ranken, wie zum Beispiel jenen der Freiwilligkeit oder dass es sich um "normale" Arbeit wie jede andere auch handele. "Solange Frauen misshandelt werden, brauchen wir über Freiwilligkeit nicht zu reden!", sagte sie.
Ariane Fäscher (SPD) betonte, dass sich im Bundestag wohl alle einig seien in der Verurteilung von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Aber dem stünde nun einmal das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und der freien Berufswahl gegenüber. Zuhälterei und Zwangsprostitution seien schon jetzt strafbar, fügte sie hinzu.
Denise Loop (Grüne) erklärte: "Ein Verbot kann nicht die Antwort auf verschiedenste Problemlagen sein." Wenn dies umgesetzt würde, dann würden Frauen in die Illegalität gedrängt und Hilfsangebote würden sie nicht mehr erreichen, das könne man in anderen Ländern doch beobachten.
Gyde Jensen (FDP) sagte: "Niemand behauptet, dass Sexarbeit ein Job wie jeder andere ist." Aber zur Wahrheit gehöre auch, dass nicht jede Frau als Opfer ihrer Selbstausbeutung betrachtet werden wolle.
Heidi Reichinnek (Die Linke) betonte das klare Nein ihrer Gruppe zum Sexkauf-Verbot. Natürlich müsse Menschenhandel bekämpft werden, aber ein Sexkauf-Verbot helfe dabei wenig. Thomas Ehrhorn (AfD) warf der Union vor, eine plötzliche Kehrtwende zu vollziehen und in den Freiern die einzigen problematischen Akteure zu identifizieren. Das Thema sei aber sehr komplex und dem werde der Antrag nicht gerecht.