Drängende Reformen : Finanzielle Schieflage vieler Krankenhäuser spitzt sich zu
Der Etat des Gesundheitsministeriums für 2023 schrumpft deutlich. Vor allem die Finanzlage bei den Krankenhäusern hat sich mit der Energiekrise zugespitzt.
Nach den enormen Aufwendungen in der Corona-Pandemie bleibt der Kostendruck im Gesundheitswesen auch in den nächsten Jahren bestehen. Während die Koalition hofft, mit dem Haushalt 2023 die notwendigen finanziellen Voraussetzungen für eine effektive Gesundheitspolitik vorgelegt zu haben, beklagt die Opposition ein zu zögerliches Vorgehen angesichts der drängenden Reformen. Vor allem ein Problem spitzt sich zu: Die finanzielle Schieflage vieler Krankenhäuser hat mit der Energiekrise an Dramatik gewonnen. Im Gespräch ist nun ein Härtefallfonds.
Krankenhäuser leiden unter hohen Kosten und Personalengpässen. Die Koalition will für Entlastung sorgen. Profitieren sollen unter anderem Kinderklinken und die Geburtshilfe.
Der vergangene Woche gegen das Votum der Opposition beschlossene Gesundheitsetat für 2023 sieht Ausgaben von rund 24,48 Milliarden Euro vor, verglichen mit dem Rekordumfang von rund 64,36 Milliarden Euro in diesem Jahr. Der Etat von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schrumpft damit im Jahresvergleich um fast 40 Milliarden Euro, kein anderes Ressort gibt so viel ab.
Wie schon vor der Coronakrise bilden Zuweisungen und Zuschüsse das Gros des Etats. Der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds für die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben umfasst wie in den Vorjahren 14,5 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein ergänzender Bundeszuschuss von zwei Milliarden Euro. Zudem ist ein Darlehen an den Gesundheitsfonds von einer Milliarde Euro vorgesehen.
60 Millionen Euro für Informationsarbeit zur Bekämpfung des Coronavirus
In den Beratungen bewilligten die Haushälter zusätzlich 2,42 Milliarden Euro, mit denen Kosten für die nach wie vor nicht überstandene Coronakrise abgebildet werden sollen. Davon werden 1,2 Milliarden Euro für Leistungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für Sars-CoV-2-Pandemie verursachte Belastungen zur Verfügung gestellt, unter anderem aufgrund der Verlängerung des Kinderkrankengeldes sowie der Abrechnung der Test- beziehungsweise Impfverordnung (Soll 2022: 30,03 Milliarden Euro). Für die Beschaffung von Impfstoffen sind 992 Millionen Euro mehr vorgesehen als im Regierungsentwurf (Soll 2022: 7,09 Milliarden Euro), insgesamt nunmehr 3,02 Milliarden Euro.
Zudem wurden die "Zuschüsse zur Bekämpfung des Ausbruchs des neuen Coronavirus" mit 232,7 Millionen Euro um rund 113 Millionen Euro erhöht (Soll 2022: 1,9 Milliarden Euro). Davon sollen 60 Millionen Euro für die Coronavirus-Surveillance-Verordnung genutzt werden und 18,7 Millionen Euro für das Abwassermonitoring. Für die Informations- und Aufklärungsarbeit zur Bekämpfung des Coronavirus sind 60 Millionen Euro vorgesehen (Soll 2022: 188,9 Millionen Euro).
Parlamentarier fordern schnelle Lösungen für angespannte Lage in den Krankenhäusern
In der Debatte gingen mehrere Redner auf die angespannte Lage in den Krankenhäusern ein und forderten schnelle und nachhaltige Lösungen. Auch die Digitalisierung, die Pflege sowie die Corona-Pandemie waren wichtige Themen in der Aussprache.
Helge Braun (CDU) kritisierte, es sei völlig unklar, welchen Zeitrahmen und welche Höhe der geplante Härtefallfonds für Krankenhäuser haben werde. Kliniken und Pflegeeinrichtungen bräuchten aber Gewissheit. Er stellte auch die hohen Aufwendungen für Corona-Impfstoffe infrage. Angesichts der abklingenden Pandemie sei zu erwarten, dass viele Impfstoffe nicht gebraucht würden und womöglich vernichtet werden müssten. Das wäre unethisch.
Die Bundesregierung sollte auf die Hersteller zugehen und mehr Flexibilisierung bei der Impfstoffbeschaffung erreichen. Als erfreulich wertete Braun, dass die Etatansätze für die Drogenprävention und die globale Gesundheit gegenüber dem ursprünglichen Plan doch wieder aufgestockt wurden.
Minister verweist auf Nebeneinander von großen Krisen
Svenja Stadler (SPD) räumte ein, dass die Koalition in schwierigen Zeiten agiere und die finanziellen Spielräume eng seien. Zu den Problemfeldern im Gesundheitswesen zählt ihrer Ansicht nach die schleppende Digitalisierung. Daher werde Geld bereitgestellt zur Förderung der digitalen Transformation. Lauterbach sagte, der Haushalt sei geprägt durch ein Nebeneinander von großen Krisen und versicherte, die notwendigen Reformen seien in Arbeit. "Das Tempo ist derzeit hoch, wir haben viel vor uns." Er warnte zugleich davor, die Pandemie vorzeitig abzuschreiben. Es gebe zwar "Hinweise auf eine Entschärfung der Situation", es wäre aber falsch, jetzt die Geduld zu verlieren. "Wir müssen die Feiertage absichern und noch einmal vorsichtig sein", sagte er mit Blick auf Weihnachten.
Der Minister kündigte diverse Reformen im Krankenhaussektor an, die unter anderem Kinderkliniken und die Geburtshilfe betreffen sowie die tagesaktuelle ambulante Versorgung in Kliniken und die Pflege. Daneben sei eine große Reform zur Überwindung der Fallpauschalen (DRG) geplant. Als weitere Projekte benannte er die Digitalisierung und eine Ausbildungsreform.
Martin Sichert (AfD) wandte sich erneut in scharfer Form gegen die Corona-Strategie der Regierung und die Auflagen für Pflegekräfte. Seiner Ansicht nach ist in Pflegeeinrichtungen nicht ansatzweise das nötige Personal vorhanden, um die Senioren angemessen zu betreuen. Die Folge sei eine teils katastrophale Versorgungslage. Er warf der Regierung vor, für Chaos und Verunsicherung im Gesundheitswesen zu sorgen und forderte: "Hören Sie endlich auf, die ungeimpften Menschen in diesem Land zu drangsalieren."
Problem Personalmangel drängender als die Problematik der Energiepreise
Paula Piechotta (Grüne) ging auf den Personalmangel in Krankenhäusern ein. Das Problem überstrahle sogar die Problematik der Energiepreise. Teils werde Personal zusammengezogen, um den Operationsbetrieb sicherstellen zu können. Sie betonte: "Der Fachkräftemangel ist das eklatanteste Problem im Gesundheitswesen." Sie fügte hinzu: "Grundlegende strukturelle Probleme im Klinikbereich sind nicht gelöst."
Nach Ansicht der Linksfraktion ist das Gesundheitssystem auf Profit orientiert und damit grundsätzlich falsch organisiert. Gesine Lötzsch (Linke) sagte, den Krankenhäusern stehe das Wasser teilweise bis zum Hals, Ärzte bekämen Honorare nicht ausgezahlt, Mütter suchten händeringend einen Kinderarzt. Es sei auch absurd, dass Fieber- und Hustensaft zur Mangelware werde. Lötzsch mahnte: "Wir dürfen unser Gesundheitssystem nicht kaputt sparen."
Karsten Klein (FDP) rechtfertigte die Abschmelzung der Haushaltsansätze zur Bekämpfung der Pandemie. Es sei richtig gewesen, mit massiven Mitteln gegen die Krise zu halten, nun würden die Mittel wieder zurückgefahren.