Reform in den Krankenhäusern : Neubewertung der Pflege
Mit einer umfangreichen Reform soll die Pflege im Krankenhaus aufgewertet werden. Dazu wird künftig ein Instrument zur Personalbemessung eingesetzt.
Die Krankenhäuser sind derzeit die wohl größte Baustelle in dem an Reparaturarbeiten nicht armen Gesundheitssystem. Seit Jahren zerbrechen sich Gesundheitsökonomen und Politiker den Kopf darüber, wie die Krankenhauslandschaft besser an die medizinischen und strukturellen Anforderungen angepasst werden könnte. Die Probleme sind vielfältig und reichen von der ungleichmäßigen Versorgung in den Regionen über den allgemeinen Fachkräftemangel bis hin zu den unzureichenden Investitionsmitteln der Länder.

In Krankenhäusern können viele Betten nicht betrieben werden, weil das Pflegepersonal fehlt. Betroffen sind auch Kinderstationen, die wegen einer Virusinfektionswelle besonders unter Druck stehen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht, wie schon seine Amtsvorgänger, mit der notwendigen großen Krankenhausreform vor einem Kraftakt. Vergangene Woche brachte der Minister mit dem sogenannten Krankenhauspflegeentlastungsgesetz eine erste Reform durch das Parlament. Union und Linke stimmten gegen das Gesetz, die AfD enthielt sich.
Kinderstationen und Geburtshilfe erhalten Finanzspritze
Wie bei großen Gesetzen üblich, wurde auch dieser Entwurf in den Beratungen geändert und ergänzt. Diesmal war die Dringlichkeit so groß, dass wichtige neue Punkte hinzukamen, so etwa Finanzhilfen für Krankenhäuser mit pädiatrischen und Geburtshilfestationen. Lauterbach hatte schon in der Haushaltsdebatte angedeutet, dass hier kurzfristige Lösungen gefunden werden müssten, bevor mit einer großen Reform grundlegende Änderungen, etwa in der Abrechnung mit Fallpauschalen (DRG), umgesetzt werden sollen.
Eine tagesstationäre Behandlung soll kommen
Nun sollen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds in den Jahren 2023 und 2024 jeweils 270 Millionen Euro zur Finanzierung der Pädiatrie entnommen werden und im selben Zeitraum jeweils 108 Millionen Euro zur Finanzierung der Geburtshilfe. Kurzfristig ergänzt wurde auch eine Regelung zugunsten der Hebammen. So soll der Personalaufwand für Hebammen im Krankenhaus ab 2025 vollständig im Pflegebudget berücksichtigt werden.
Eingeführt wird außerdem eine sogenannte tagesstationäre Behandlung ohne Übernachtung im Krankenhaus. In dem Zusammenhang ist eine spezielle sektorengleiche Vergütung geplant.
„Revolutionen entstehen nicht in Palästen, sondern sie entstehen da draußen.“
Kern des Reformgesetzes ist jedoch ein Instrument zur Pflegepersonalbemessung, angelehnt an die von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), dem Deutschen Pflegerat (DPR) und der Gewerkschaft Verdi entwickelte Pflegepersonalregelung (PPR 2.0), die in drei Stufen bis 2025 eingeführt werden soll.
Lauterbach sagte, mit der Reform beginne nichts weniger als eine Revolution der Krankenhausversorgung. Das Gleichgewicht zwischen medizinischen und ökonomischen Ansprüchen sei verloren gegangen. Er kündigte an, das Abrechnungssystem über Fallpauschalen zu "überwinden", da dieses System sich eher an Mengen als an der Qualität orientiere. Lauterbach ging auch auf die akute Notlage in Kinderkliniken ein und versprach, alles zu tun, um diese Krise zu überwinden.
Die Union kritisiert fehlende Energiehilfen
Tino Sorge (CDU) warf der Koalition vor, ein lückenhaftes Gesetz vorgelegt zu haben. So spiele die dringend notwendige Energiehilfe für Gesundheitseinrichtungen keine Rolle. Sorge sprach von einem "Krankenhauspflegebelastungsgesetz", weil die Reform viele Unklarheiten beinhalte. So seien bei der Tagesbehandlung im Krankenhaus die Haftungsfrage und die Umsetzung nicht geklärt. Auch sei unklar, wie die Alternative zu den DRG's aussehen solle. Er schlug vor, das System gemeinsam nachzujustieren.
Fakten zur Krankenhauspflegereform
👩⚕️ Eingeführt wird ein Instrument zur Personalbemessung auf Grundlage der Pflegepersonalregelung PPR 2.0, die bis 2025 in drei Stufen umgesetzt werden soll.
💸 2023 und 2024 sollen Kinderstationen mit jeweils 270 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gestärkt werden.
🏥 Krankenhäuser können künftig anstelle einer vollstationären Behandlung auch eine tagesstationäre Behandlung ohne Übernachtung anbieten.
Janosch Dahmen (Grüne) hob die Neuerungen als wesentlichen Fortschritt hervor. Die Lage in den Kinderkliniken sei ernst, es sei Zeit zu handeln, und das tue die Koalition in der vollen Breite der Gesundheitsversorgung. Der Einstieg in die ambulante Versorgung in Kliniken gebe Eltern die Möglichkeit, nach einer Behandlung des Kindes abends gemeinsam nach Hause zu gehen. Das Gesetz bringe zudem die Digitalisierung im Gesundheitswesen entscheidend voran. Was vorher ein "wildes Durcheinander" gewesen sei, werde nun in einen strukturierten Prozess gebracht.
Die Pflegekräfte fehlen
Nach Ansicht von Thomas Dietz (AfD) sind die Probleme der Krankenhauspflege Ergebnis einer ignoranten Politik. Eine auskömmliche Pflege scheitere oft an Zeit- und Personalmangel. Die Pflege am Patienten und Gespräche mit Angehörigen seien kaum noch möglich. Gut ausgebildete Pflegekräfte müssten oft fachfremde Aufgaben übernehmen. Die daraus resultierende Unzufriedenheit münde in der Flucht der Pflegekräfte aus dem Job. Die Koalition könne nicht sagen, wie das zusätzliche Pflegepersonal rekrutiert werden könne. Stattdessen würden mit der Sektor-Impfpflicht Tausende Pflegekräfte aus dem Beruf genötigt.
Nicole Westig (FDP) hielt der AfD im Gegenzug vor, bei aller Kritik keinen einzigen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Die Reform sei ein Signal für bessere Arbeitsbedingungen in der Klinik. Sie fügte hinzu, eine gute Gesundheitsversorgung sei nicht ohne digitale Transformation denkbar. Nun würden die Zugangshürden für Anwendungen gesenkt. Datenschutz sei wichtig und werde auch sichergestellt, dies dürfe aber nicht den Fortschritt blockieren. Westig versprach: "Wir machen uns auf den Weg."

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Ates Gürpinar (Linke) stellte die von Lauterbach angekündigte Revolution infrage. Es sei nicht klar, ob PPR 2.0 überhaupt eingeführt werden solle. Das Einvernehmen mit dem Finanzministerium bei der Personalbemessung sei absurd. "Sie reden von Revolution, und Lindner ist der Steuermann, das ist doch lächerlich." Die DRG's blieben zudem vollständig in Kraft und würden nicht überwunden. Ein Lichtblick sei die Herausnahme der Hebammen aus den DRG's, die nur auf Druck der Berufsgruppe zustande gekommen sei. Gürpinar betonte: "Revolutionen entstehen nicht in Palästen, sondern sie entstehen da draußen."