Streit über Krankenhausreform : Protesttag der Krankenhäuser
Defizitäre Krankenhäuser hoffen auf mehr Geld vom Bund. Experten warnen vor Insolvenzen.
Bei einem Protesttag unter dem Motto "Wir saufen ab" wie hier in Schwerin forderten Ärzte und Pfleger mehr Investitionen in Krankenhäuser.
Manchmal schwappt die Aktualität direkt hinein in den Bundestag. Am Mittwoch machten sich bundesweit Tausende Demonstranten für den Erhalt der Krankenhäuser stark, am Donnerstag prägte das akute Finanzproblem vieler Kliniken schon die erste Beratung über das Krankenhaustransparenzgesetz. Mit Zwischenrufen, Zwischenfragen und gegenseitigen Vorwürfen ging es hoch her im Plenarsaal. Der Hintergrund: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt vor einer Insolvenzwelle und fordert eine Refinanzierung der inflationsbedingt stark gestiegenen Kosten. Das Gesamtdefizit der Krankenhäuser liegt laut DKG bei rund 8,5 Milliarden Euro und könnte bis Ende 2023 auf zehn Milliarden Euro steigen.
Die Unionsfraktion reagierte und forderte in einem Antrag, den Krankenhäusern mit einem Vorschaltgesetz und einer Brückenfinanzierung schnell zu helfen. Einen ähnlichen Antrag für ein Defizitausgleichgesetz hatte zuvor schon die Linksfraktion gestellt.
Eigentlich sollte es in der Debatte um den ersten Teil der großen Krankenhausreform gehen, die Transparenzoffensive. Geplant ist ein Transparenzverzeichnis, das auf den ersten Blick zeigen soll, welche Klinik für welche Behandlung infrage kommt. Das Online-Verzeichnis soll am 1. April 2024 freigeschaltet werden, wie aus dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen hervorgeht. Vorgesehen ist die Einordnung der Krankenhäuser in sogenannte Level, abhängig von der Anzahl und Art der vorgehaltenen Leistungsgruppen. Unterschieden wird in Level der Stufen 1 (Basis) bis 3 (Maximalversorger), hinzu kommen Level für Fachkrankenhäuser, sektorenübergreifende Versorger und die Notfallmedizin (Level F, 1i und 1n). Die Koalition legt Wert auf die Feststellung, dass mit dem Transparenzverzeichnis noch keine Entscheidung über die künftige Krankenhausplanung, die Ländersache ist, und die Vergütung der Kliniken getroffen wird.
Lauterbach kündigt umfassende Reform an
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ging in seiner Rede auf die Proteste ein und versicherte: "Die befürchtete kalte Strukturbereinigung darf und wird nicht kommen." Er erinnerte an die umfangreichen Leistungen des Bundes für die Krankenhäuser in den zurückliegenden Pandemie-Jahren und betonte: "Wir haben als Bund in den letzten Jahren unserer Hausaufgaben immer gemacht.".
In der Pandemie habe der Bund die Krankenhäuser mit 21 Milliarden Euro unterstützt. In der jüngsten Energiekrise seien sechs Milliarden Euro hinzugekommen. Anders als der Bund seien die Länder ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen, sie hätten in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 30 Milliarden Euro an Investitionsmitteln zugunsten der Krankenhäuser nicht bezahlt.
Lauterbach hob die Gesetzesnovelle als Einstieg in eine umfassende Reform der stationären Versorgung hervor. So würden künftig Informationen über verfügbare Fachärzte und Pflegekräfte in den Kliniken, Komplikationsraten und Erfahrungen mit bestimmten Eingriffen veröffentlicht. Lauterbach betonte: "Diese Transparenz ist längst überfällig." Die große Krankenhausreform bestehe aus vier Teilen, wovon das Transparenzgesetz der erste Baustein sei. Hinzu kämen eine Finanzreform mit Vorhaltepauschalen sowie Reformen der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes. Lauterbach versprach, Deutschland werde nach der Reform eines der besten Krankenhaussysteme in ganz Europa haben.
Opposition kritisiert falsche Schrittfolge
Die Opposition warf dem Minister vor, zu spät und ohne Rücksicht auf die akuten Probleme der Krankenhäuser seine Pläne durchsetzen zu wollen. Tino Sorge (CDU) sagte, der Minister verweigere sich der Realität. Statt den Kliniken mit ihren hohen Inflations- und Tarifkosten schnell zu helfen, werde ein Transparenzgesetz vorgelegt. Damit setze Lauterbach den zweiten Schritt vor dem ersten. Viele Kliniken hätten schon Insolvenz angemeldet, andere Häuser würden vermutlich folgen. Sorge sprach von einem fatalen Kontrollverlust und warnte: "Den Häusern steht das Wasser bis zum Hals."
Janosch Dahmen (Grüne) ging die Union scharf an und erinnerte sie an ihre Verantwortung für die Gesundheitspolitik über viele Jahre. Die Union habe mit dazu beigetragen, die Kliniken "ausbluten" zu lassen, die nun Alarmstufe Rot ausriefen. Nötig sei eine nachhaltige Reform, die längst hätte beschlossen werden müssen. Mit Blick auf die Transparenznovelle sagte Dahmen, die Daten seien fragmentiert verfügbar, sie müssten nun zusammengefügt werden.
Thomas Dietz (AfD) attestierte der Bundesregierung eine verfehlte Gesundheitspolitik, die nicht nur in der Krankenhausversorgung die nötige Transparenz vermissen lasse. Das jetzt vorgelegte Gesetz sei ein Bürokratiemonster. Dietz betonte: "Natürlich ist Transparenz im Gesundheitswesen notwendig, darüber sind wir uns einig." Es bestünden aber schon Formate der Transparenz, etwa der jährliche Qualitätsbericht der Krankenhäuser. Jetzt müsse es darum gehen, den Krankenhäusern das Überleben zu sichern. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) sagte, Deutschland habe zwar die größte Krankenhausdichte in Europa, aber nicht immer eine hohe Versorgungsqualität. Sie benannte Fehlanreize durch die Fallpauschalen, den Personalmangel sowie Investitionsdefizite durch die Länder.
Ates Gürpinar (Linke) wertete den Gesetzentwurf als Versuch Lauterbachs, die Krankenhaus-Level zu erhalten, die in den Beratungen von Ländern abgelehnt worden seien. Lauterbach wolle die Level nun über das Transparenzgesetz durchsetzen.
Optimistisch äußerte sich Christos Pantazis (SPD). Mit dem Gesetzentwurf werde der Startschuss gegeben für die weitgehendste Krankenhausreform der letzten 20 Jahre. "Wir wollen mit dieser Reform eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherstellen, die auch noch in 20 oder 30 Jahren trägt."