Mehr psychische Erkrankungen : Wenn Therapieplätze Mangelware sind
Viele Menschen mit Angststörungen und Depressionen warten lange auf Hilfe. Zu lange, wie Gesundheitspolitiker feststellen.
Psychische Erkrankungen nehmen nach Angaben von Fachverbänden seit Jahren tendenziell zu. Das war schon vor der Corona-Pandemie so, nach dem Ende der Pandemie ist die Nachfrage nach psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung weiter groß. Die Versorgung ist insofern schwierig, als Patienten bisweilen lange auf einen Therapieplatz warten müssen und vor allem in ländlichen Regionen zu wenige Fachärzte praktizieren.
Laut DAK-Gesundheitsreport 2023 sind die Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) aufgrund psychischer Erkrankungen seit 2021 nochmals deutlich gestiegen. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) gehören Angststörungen, Depressionen und psychische Störungen bedingt durch den Missbrauch von Alkohol oder Medikamenten zu den häufigsten Krankheitsbildern. Laut DGPPN kümmern sich derzeit ambulant und stationär rund 14.600 Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie um die Versorgung der Patienten.
Union fordert bessere Notfallversorgung
Die Versorgungslage für psychisch Kranke war am Donnerstagabend auch Thema einer Aussprache im Plenum, ausgehend von einem Antrag der Unionsfraktion. Die Abgeordneten fordern darin eine bessere Versorgung von Menschen in psychischen Krisen und mit psychischen Erkrankungen. Die Krisen- und Notfallversorgung müsse mit einheitlichen Standards weiter auf- und ausgebaut werden.
Diana Stöcker (CDU) schilderte anhand von Beispielen, wie schwierig die Suche nach psychischen Behandlungen sein kann. Sie forderte eine Weiterentwicklung der Bedarfsplanung, damit Menschen mit psychischen Erkrankungen auch in ländlichen Räumen und strukturschwachen Regionen leichter einen ambulanten Therapieplatz bekommen.
Dirk Heidenblut (SPD) attestierte der Union, mit ihrem Antrag den Finger in die Wunde zu legen. Psychisch Kranke dürften nicht monatelang auf einen Therapieplatz warten müssen. Er warf der Union jedoch vor, die Bedeutung des Themas lange verkannt und wichtige Reformen unterlassen zu haben. Verbesserungsbedarf gebe es etwa bei der Finanzierung der Psychotherapeuten in Weiterbildung.
Kay-Uwe Ziegler (AfD) hielt den anderen Parteien vor, in der Corona-Pandemie auf Kosten der psychischen Gesundheit der Bevölkerung versagt zu haben. Mit den Auflagen seien insbesondere Kinder und Jugendliche schwer geschädigt worden. Politik, Fachleute und Medien hätten vorsätzlich Angst und Panik verbreitet und wunderten sich jetzt, dass der Zuwachs an psychischen Erkrankungen nicht bewältigt werden könne.
Sich überlappende Krisen "drücken auf die Seele"
Nach Ansicht von Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) drücken viele sich überlappende Krisen auf die Seele: die Pandemie, Krieg, Terror und die Klimakrise. Wichtig seien Angebote zur Stärkung der seelischen Gesundheit und mit Alltagswelten vernetzte Hilfsangebote. Seelische Erkrankungen seien zwar häufig, könnten aber in der Regel gut behandelt werden.
Kathrin Vogler (Linke) rügte, die unzureichende Versorgung psychisch Kranker sei "ein dunkler Fleck" im Gesundheitswesen. Schon vor der Pandemie hätten Patienten im Schnitt 142 Tage auf einen Therapieplatz gewartet. Sie forderte vorbeugende Initiativen etwa gegen berufliche Belastungen und die "Epidemie der Einsamkeit" in der Gesellschaft. Kristine Lütke (FDP) betonte, psychische Erkrankungen seien so häufig, dass von einer Volkskrankheit gesprochen werden könne. Tatsächlich könne es jeden treffen, dennoch liege ein Stigma auf den Betroffenen. Wichtig sei deswegen eine Aufklärungskampagne, die zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen beitragen könne.