Nach der Hochwasserkatastrophe : Mängel im System
Die Fraktionen im Bundestag mahnen zwei Jahre nach der Hochwasserkatastrophe vom Juli 2021 Verbesserungen beim Bevölkerungs- und Katastrophenschutz an.
Zerstörte Gebäude, Straßen und Brücken im Ahrtal nach der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021.
Am Freitag dieser Woche jährt sich die verheerende Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vom Juli 2021 mit mehr als 180 Todesopfern zum zweiten Mal. Es ist ein trauriger Jahrestag, an den vergangene Woche im Bundestag sowohl Abgeordnete der Regierungskoalition als auch der Opposition erinnerten, als das Parlament über Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz und zur Klimaanpassung debattierte.
Den Parlamentariern lagen dazu zwei entsprechende Anträge der CDU/CSU vom vergangenen Jahr vor. Danach sollte die Bundesregierung mit den Ländern einen "Pakt für den Bevölkerungsschutz" schließen, "der für zehn Jahre zehn Milliarden Euro für den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes garantiert und die Länder zu analogen Investitionen in ihren Katastrophenschutz verpflichtet". Auch forderte die Fraktion von der Bundesregierung unter anderem verstärkte Bemühungen für eine bessere Anpassung an den Klimawandel und die Vorlage eines Klimaanpassungsgesetzes zur Daseins- und Zukunftsvorsorge. Beide Vorlagen lehnte das Parlament gegen die Stimmen der Unionsfraktion ab.
Ungenutzte Jahre
In der Debatte beklagte Ingo Schäfer (SPD), dass in den vergangenen 30 Jahren nach Starkregenereignissen und Unwetterkatastrophen etwa an der Oder, der Elbe oder zuletzt in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen weder Mängel behoben noch politische Folgen gezogen worden seien. Dagegen habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) "die Wende im Bevölkerungsschutz eingeleitet". Beispiele hierfür seien etwa das Programm "Neustart für den Bevölkerungsschutz", das Gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern oder unlängst der erste bundesweite Tag des Bevölkerungsschutzes. Gleichwohl blieben "offene Baustellen", zu denen 1.380 fehlende Katastrophenschutzfahrzeuge sowie fehlende Sirenen und Gesundheitsreserven zählten. Hier müsse man Prioritäten setzen.
Detlef Seif (CDU) attestierte dem Bevölkerungsschutz in Deutschland "im Grundsatz und von der Basis her sehr gut aufgestellt" zu sein. Die Flutkatastrophe habe aber deutlich gemacht, wo Mängel im System seien. Auf allen Ebenen gebe es Möglichkeiten der Verbesserung. So müsse etwa das Warnsystem sowie die Krisenkompetenz der Bevölkerung gestärkt werden. Bevölkerungsschutz sei eine Kernaufgabe und brauche auch angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine oder der Corona-Pandemie einen Aufwuchs. Die Bundesregierung sehe dagegen Kürzungen beim Technischen Hilfswerk (THW) und beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) vor. Hier müsse die Koalition nachbessern.
Gegen ein "Weiter-so"
Für Leon Eckert (Grüne) haben die "Koordinierungsfehler im Ahrtal und Abläufe rund um die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz" gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern beim Bevölkerungsschutz nicht gut sei. Die Koordinierung zwischen den Ländern sei "zäh wie Kleber", der am Ende Menschenleben kosten könne. Dies könnte das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz vielleicht lösen, doch nicht in seiner gegenwärtigen Aufstellung, da elf Länder dort nicht vertreten seien. Auch gebe es vier Jahre nach dem Versagen beim Warntag 2019 noch keine Einigung zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung des Sirenensystems. Man sei in einem "Modus verantwortungslosen Föderalismus", den es zu durchbrechen gelte.
Steffen Janich (AfD) wandte sich ebenfalls gegen "ein reines Weiter-so" im Bevölkerungsschutz. Er verwies darauf, dass nach der aktuellen Kompetenzverteilung der Bund nur für den Schutz der Zivilbevölkerung im Spannungs- und Verteidigungsfall zuständig sei und die Zuständigkeit für den Katastrophenschutz bei den Ländern liege. Dabei ergänze der Bund lediglich die Ausstattung der Länder in bestimmten Bereichen.
Relevante Akteure einbeziehen
Sandra Bubendorfer-Licht (FDP) sagte, die Todesopfer der Flutkatastrophe von 2021 müssten "für alle Zeit Mahnung und Warnung" sein. Man schulde es diesen Opfern wie auch den Überlebenden, den Bevölkerungsschutz weiterzuentwickeln. "Abgrenzung und Kirchturmdenken" seien dabei die völlig falsche Herangehensweise. Notwendig sei etwa "mehr Engagement von den bislang noch fehlenden Ländern" sowie die Einbeziehung aller relevanter Akteure. Das BBK habe noch immer nicht eine echte Zentralstellenfunktion inne.
André Hahn (Linke) warf Sozial- und Freidemokraten vor, sie hätten zum "katastrophalen Zustand im Bevölkerungsschutz als Regierungspartner ebenso beitragen wie die Union". Er forderte zugleich eine "Zeitenwende auch beim Bevölkerungsschutz". Wenn man hier im nächsten Jahrzehnt wirklich etwas bewegen wolle, werde die von der CDU/CSU geforderte eine Milliarde Euro pro Jahr "definitiv nicht ausreichen".