Bundestagsdebatte zu Antisemitismus und Israelhass : Fraktionen verurteilen antisemitische Ausfälle in Deutschland
Nach dem Hamas-Angriff auf Israel häufen sich in Deutschland antisemitische Ausfälle. Im Bundestag stoßen sie auf eine scharfe Verurteilung aller Fraktionen.
Verherrlichung von Terror in Deutschland unterbinden - Antisemitismus entschieden bekämpfen", lautete der Titel der Aktuellen Stunde, die SPD, CDU/CSU/CSU, Grüne und FDP gemeinsam auf die Tagesordnung des Bundestags am Mittwoch dieser Woche gesetzt hatten. Dass die drei Koalitionsfraktionen und die stärkste Oppositionskraft dies gemeinsam taten, war bereits als deutliche Verurteilung der antisemitischen Kundgebungen, Ausfälle und Anschläge zu verstehen, zu denen es in Deutschland im Gefolge des Terrorangriffs der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. Oktober gekommen ist.
In der Nacht zum Mittwoch gab es am jüdischen Gemeindezentrum an der Berliner Brunnenstraße einen Brandanschlag.
Bundeskanzler: Gesetze und Vorschriften durchsetzen
Die klare Verurteilung der Ausfälle und Ausschreitungen teilten in der Aktuellen Stunde Vertreter aller sechs Fraktionen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte am Folgetag bei einer Regierungserklärung im Parlament, es dürften keine Versammlungen zugelassen werden, bei denen zu befürchten sei, dass antisemitische Parolen gebrüllt und der Tod von Menschen verherrlicht wird. "Hier ist eine klare Kante gefragt, und wir zeigen sie gemeinsam in Deutschland", betonte der Regierungschef. Es gehe auch darum, hiesige Gesetze und Vorschriften durchzusetzen.
Schon in der Debatte am Mittwoch verwies Familienministerin Lisa Paus (Grüne) für die Bundesregierung darauf, dass es nach deutschem Recht eine Straftat sei, "Symbole der Terrororganisation Hamas zu zeigen und damit ihre Untaten zu feiern". Deutschlands Solidarität mit Israel sei historische Verpflichtung und Teil der Staatsräson. Wichtig sei auch das klare Signal, dass man ebenso an der Seite der Juden in Deutschland stehe. "Wir tun alles, was wir können, für ihre Sicherheit", versicherte Paus.
Rechtliche Möglichkeiten zur Ausweisung von Hamas-Unterstützern nutzen
Die Parlamentarische Innen-Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) nannte es "puren Antisemitismus", wenn auf deutschen Straßen die menschenverachtenden Taten der Hamas bejubelt werden. Man nehme die steigende Gefahr von Solidarisierungs- und Unterstützungsaktionen für den Terrorismus der Hamas sehr ernst und werde alle rechtlichen Möglichkeiten zur Ausweisung von Hamas-Unterstützern nutzen. Für antisemitische, israelfeindliche Hetze und Gewalt gebe es in Deutschland "null Toleranz".
Höhere Leistungen an den Zentralrat der Juden
Gesetz: Die jährliche Staatsleistung für den Zentralrat der Juden in Deutschland wird ab dem laufenden Jahr von 13 auf 22 Millionen Euro erhöht. Der Bundestag nahm dazu am Donnerstag einstimmig einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Vertrag Deutschlands mit dem Zentralrat an.
Begründung: Beide Seiten hatten sich laut Begründung angesichts wachsender Aufgaben und neuer Anforderungen der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland auf die Anhebung verständigt.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser (FDP), beklagte, dass die Bundesrepublik kein sicherer Ort für jüdisches Leben sei. Was man derzeit erlebe, "sprengt jede Dimension von Antisemitismus", die man in Deutschland in den letzten Jahren erlebt habe. Für die Bundesregierung sei klar, noch entschlossener gegen Antisemitismus vorzugehen, etwa mit dem Verbot der Hamas oder der Klarstellung, dass Antisemiten nicht Deutsche werden können.
CDU: Jubel für Massaker und Entführungen der Hamas "abscheulich"
Alexander Hoffmann (CSU) befand, es sei abscheulich, wenn hierzulande die Massaker und Entführungen der Hamas bejubelt und Wohnstätten von Juden "mit dem Davidstern gebrandmarkt werden". Wer Israels Existenzrecht nicht anerkenne, dürfe kein Asylrecht oder anderen Schutzstatus erhalten. Die deutsche Staatsbürgerschaft dürfe nur erhalten, wer sich zum Existenzrecht Israels bekenne, und falle jemand mit doppelter Staatsangehörigkeit durch antisemitische Handlungen auf, müsse ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden können.
Lamya Kaddor (Grüne) nannte es eine "unerhörte Schande", dass in Deutschland als dem "Land der Shoa" Menschen den Terror der Hamas glorifizierten und antisemitische Parolen skandierten. Sie begrüßte, dass bei einem Treffen am Vortag die dabei anwesenden Islam-Verbände die Glorifizierung des Hamas-Terrors auf deutschen Straßen nicht akzeptierten. Allerdings seien einige Verbände nicht dabei gewesen, weshalb zu fragen sei, ob die Zusammenarbeit "wie bisher weiterlaufen kann".
AfD moniert Konzentration auf rechtsextremistischen Antisemitismus
Martin Hess (AfD) wertete es als "unerträglich", wie sich in Deutschland als Reaktion auf den "barbarischen Terrorakt" der Hamas gegen Israel ein "widerwärtiger islamistischer Judenhass Bahn" breche. Antisemitismus in jeglicher Form sei inakzeptabel und müsse mit aller Härte bekämpft werden. Die anderen Fraktionen hätten sich aber in den vergangenen Jahren auf den rechtsextremistischen Antisemitismus konzentriert und den "importierten islamistischen Antisemitismus" ausgeblendet.
Dirk Wiese (SPD) sagte, die Solidarisierung mit dem Hamas-Terror" und "widerwärtigen Jubelszenen" auf deutschen Straßen würden in keiner Weise geduldet. Diese "Relativierung der brutalen Barbarei der Terroristen" sei für die Bundesrepublik nicht hinnehmbar.
Linke: Es ist "Zeit für Haltung"
Petra Pau (Linke) betonte, Antisemiten seien in jedem Fall zu ächten, unabhängig von Staatsbürgerschaft oder Motivation. Wenn Terroristen morden, sei es "Zeit für Haltung", nicht für ein "ja, aber" oder ein "vielleicht". Nichts biete eine Rechtfertigung für diese Attacken.
Stephan Thomae (FDP) konstatierte, die "menschenverachtenden Verbrechen" der Hamas mit Massakern an unschuldigen Frauen und Kindern, Entführungen und dem Missbrauch von Zivilisten als Geiseln erinnerten "an die dunkelsten Stunden unserer eigenen Geschichte". Es sei daher nicht zu ertragen, dass Menschen diese Verbrechen auf deutschen Straßen "mit Freudenfeiern bejubeln".