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Foto: picture alliance / SvenSimon
Im bayerischen Landtagswahlkampf wird teils mit harten Bandagen gekämpft. Für die Opposition ist es schwer, eigene Themen zu setzen.

Landtagswahl in Bayern : Wahlkampf im Schatten der Bundespolitik

Bundespolitische Themen dominieren den Wahlkampf in Bayern. Durch den Streit zwischen CSU und Freien Wählern rückt die Opposition in den Hintergrund.

30.09.2023
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5 Min

Markus Söder machte aus seinem Unmut keinen Hehl. Da war er gerade auf dem CSU-Parteitag in München von den Delegierten gefeiert und mit 96,5 Prozent als Parteivorsitzender bestätigt worden - und sollte nun in Interviews immer wieder auf Fragen nach Hubert Aiwanger antworten? Viele Medien seien doch "sehr fixiert" auf Aiwanger und die Freien Wähler, beschwerte sich Söder.

Auch ohne hartnäckige Journalisten-Fragen ist die CSU-Spitze kurz vor der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober genervt vom Bündnispartner. Wirtschaftsminister Aiwanger hat den Christsozialen einen koalitionsinternen Wahlkampf aufgezwungen, den sie gar nicht wollten. Die Freien Wähler sind für die CSU nun Wunschpartner und schärfster Herausforderer zugleich.

Söder hatte sich früh zu einer Fortsetzung der "bürgerlichen" Koalition bekannt, die er als harmonisches Gegenmodell zur "zerstrittenen" Berliner Ampel pries. Lange beschränkte sich der CSU-Wahlkampf im Wesentlichen auf einen Lobgesang auf den Freistaat ("In Bayern lebt es sich einfach besser") und einen Abgesang auf die Bundesregierung ("gefährdet den Wohlstand Deutschlands"). Eine Strategie, die aufzugehen schien: Zeitweise lag die CSU in Umfragen oberhalb der 40-Prozent-Marke, die noch immer als Erfolgsmaßstab gilt.

Das Wahlsystem in Bayern

Rund 9,4 Millionen Bayern sind am 8. Oktober aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen.

Mit der Erststimme wird der Direktkandidat im Stimmkreis gewählt. Die Zweitstimme erhält ein Listen-Bewerber. Damit nehmen Wähler Einfluss auf die Reihenfolge der Kandidaten. Erst- und Zweitstimme werden addiert.

Der Bayerische Landtag hat derzeit 205 Abgeordnete, so viele wie nie zuvor. Normal sind 180 Mandate.



Bis zum Frühsommer gingen beide Partner bei ihrem Anti-Ampel-Kurs Hand in Hand. Doch als Aiwanger bei seiner Rede auf der Erdinger Heizungsdemo die Menge aufrief, "die Demokratie zurückzuholen" und die "Berliner Chaoten" vor sich herzutreiben, sah sich Söder zur Distanzierung gezwungen und mahnte "politischen Anstand" an. Just als der CSU-Chef nach einer Aussprache das Thema für "erledigt" erklärte, legte Aiwanger in der TV-Sendung "Markus Lanz" nach: Deutschland sei noch "formal" eine Demokratie. Von Söders Kritik zeigte er sich unbeeindruckt und ließ sich in Bierzelten feiern.

Ende August folgte der Wirbel um Berichte, dass Aiwanger als Schüler mit einem antisemitischen Flugblatt erwischt worden sei. Dass der Freie-Wähler-Vorsitzende die Vorwürfe nur zögerlich aufklärte und sich als Opfer einer "Schmutzkampagne" inszenierte, irritiert die jüdischen Gemeinden bis heute.

Söder: Unzufrieden mit Aiwangers Krisenmanagement

Auch Söder zeigte sich unzufrieden mit Aiwangers Krisenmanagement, hielt aber an seinem Minister fest. Nachdem es für die CSU in Umfragen daraufhin abwärts ging und die Freien Wähler Rekordwerte erreichten, trat Aiwanger so forsch auf, dass Söder den Koalitionspartner in seiner Parteitagsrede in die Schranken wies.

Wie angespannt die Nerven bei der CSU sind, zeigte auch der ehemalige Kultusminister Ludwig Spaenle, als er Aiwanger via Facebook zurief: "Hubert, halt endlich die Klappe!"

Dass das spannendste Duell der Wettstreit der Regierungsparteien ist, die beide eine bürgerlich-konservative Wählerklientel ansprechen, sagt viel über diesen Landtagswahlkampf. Söder arbeitet sich zwar an der Berliner Ampel ab - die bayerischen Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen aber ignoriert er beharrlich. Deren Spitzenpersonal klagt seit Monaten über bundespolitischen Gegenwind und klammerte sich lange an die Hoffnung, dass es vor der Wahl noch um landespolitische Themen gehen würde.

Das Grünen-Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmann versuchte, mit den Themen Energiewende und "Zukunft für Kinder" zu punkten. Die SPD um Florian von Brunn setzte auf bezahlbares Wohnen, Martin Hagen mit seiner FDP auf Wirtschaft und Bildung. Und die AfD schickte mit Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm ein Duo ins Rennen, das dem offiziell aufgelösten völkisch-nationalen "Flügel" zugerechnet wird und sich vor allem den Kampf gegen Zuwanderung auf die Fahnen geschrieben hat.

Wahlprogramm der CSU setzt auf Prinzip des Weiter-So

Die Wahlprogramme der Oppositionsparteien umfassen teils mehr als 100 Seiten, während das 24-Seiten-Papier der CSU das Weiter-so zum Prinzip erklärt. Die Freien Wähler, die mit vielen Fotos auf 35 Seiten kommen, verlangen vom Bund reihenweise Steuersenkungen.

So sehr die Opposition versuchte, landespolitische Themen wie den Lehrermangel, Wohnungsnot und Defizite beim Ausbau der Windenergie in den Fokus zu rücken - sie drang im Wahlkampf nicht durch. Stattdessen ging es viel um Bundespolitik: Atomausstieg, Heizungsgesetz, Erbschaftssteuer, Inflation und zuletzt Migration.

Vor fünf Jahren hatte sich Söder beim Thema Asylpolitik durch rhetorische Annäherung an die AfD die Finger verbrannt und steuerte kurz vor der Wahl um. Um den Fehler nicht zu wiederholen, hielt der Ministerpräsident die Migration dieses Mal lange aus dem Wahlkampf heraus, kam dann aber doch nicht daran vorbei. Unter dem Namen "Integrationsgrenze" belebte er die "Obergrenzen"-Forderung seines Vorgängers Horst Seehofer neu. Dank seiner hohen medialen Präsenz und geschickten Selbstvermarktung stieß der CSU-Chef immer wieder Debatten an, die ihm weitere Aufmerksamkeit bescherten.

Während Söder nahezu jedem in Bayern ein Begriff ist, haben die Spitzenkandidaten der Opposition ein Bekanntheitsproblem: Einzig zur grünen Katharina Schulze hat laut BR24 BayernTrend mehr als jeder Zweite im Freistaat eine Meinung (61 Prozent). Der angriffslustige SPD-Landeschef von Brunn legte zuletzt zwar deutlich zu in puncto Bekanntheit, kommt aber nur auf 42 Prozent. Zu den Kandidaten von FDP und AfD kann nur jeder Dritte bis Vierte sich äußern. Nennenswert profitieren konnte die Opposition weder von den Untersuchungsausschüssen zu fragwürdigen Masken-Geschäften und zur Kostenexplosion bei der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke noch von Attacken auf den "Ankündigungsweltmeister" Söder.

Den Grünen, die vor fünf Jahren mit 17,6 Prozent klar zweitstärkste Kraft im Freistaat wurden, schlägt in diesem Wahlkampf viel Feindseligkeit entgegen - die in einem Steinwurf bei einer Kundgebung gipfelte. Umfragen zufolge muss die Partei fürchten, von den Freien Wählern überflügelt zu werden. Auch die AfD macht sich Hoffnungen auf Rang zwei in Bayern. Den Sozialdemokraten droht wie schon 2018, dass sie nur einstellig werden, während die FDP um den Wiedereinzug ins Parlament bangt. Die Linke liegt bei allen Meinungsforschungsinstituten weit unter der Fünf-Prozent-Hürde und dürfte dem neuen Landtag ebenso wenig angehören wie die weiteren acht Parteien, die antreten.

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Da bei der Regierungsbildung höchstwahrscheinlich kein Weg an der CSU vorbeiführen wird, wollen Grüne, SPD und FDP jeweils neuer Juniorpartner werden. Allzu wahrscheinlich ist keines der Bündnisse. Schwarz-Grün schließt Söder gebetsmühlenartig aus, eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt er ohnehin ab.

Zur SPD schweigt er, und Schwarz-Gelb hätte selbst im Fall eines erneuten Einzugs der Liberalen ins Maximilianeum möglicherweise keine Mehrheit. Denn die CSU sahen Umfragen zuletzt auf einem ähnlichen Niveau wie den 37,2 Prozent von 2018 - ihrem schlechtesten Ergebnis seit 1950.

Bayern-Wahl könnte Einfluss auf Kräfteverhältnis in der Union haben

Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen will Söder als Signal für ganz Deutschland verstanden wissen: "Es ist de facto die Halbzeit der Ampel." Zudem könnte die Bayern-Wahl Einfluss auf das Kräfteverhältnis in der Union haben. Je besser das CSU-Resultat, desto selbstbewusster könnte Söder der Schwesterpartei gegenüber auftreten. Je schwächer das Ergebnis, desto unwahrscheinlicher, dass nächstes Jahr aus der CDU Rufe nach einem Kanzlerkandidaten Söder laut werden. Zwar versichert der CSU-Chef, das Thema Berlin sei für ihn erledigt. Aber Söder hat wiederholt gezeigt, wie gründlich er seine Meinung ändern kann. 

Der Autor ist freier Journalist in Bayern.