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Foto: picture alliance/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert
Junge Menschen haben die Möglichkeit Politik mitzugestalten. Beispielsweise durch die Arbeit in einem Kinder- und Jugendparlament - wie hier in Magdeburg.

Engagement in Zahlen : Jung, politisiert - und engagiert?

Lange haftete der Jugend der Ruf an, unpolitisch zu sein. Das hat die „Generation Greta“ geändert – doch Nachwuchssorgen der Parteien bleiben.

24.07.2023
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4 Min

Jugend und Politik - ein schwieriges Verhältnis: Junge Menschen engagierten sich nur wenig, seien zunehmend politik- und parteienverdrossen, so ein Vorwurf, der ihnen gerade von den Älteren in Politik und Wissenschaft bis vor gar nicht langer Zeit immer wieder entgegengehalten wurde. Eine geringere Wahlbeteiligung und rückläufige Mitgliedschaften in Verbänden, Gewerkschaften und Parteien schienen das Desinteresse zu belegen: Tatsächlich war die Wahlbeteiligung der 21- bis 25-Jährigen, ausgehend von einem Spitzenwert von fast 90 Prozent bei der Bundestagswahl 1972, sukzessive gesunken und hatte 2009 mit nicht einmal 60 Prozent einen Tiefpunkt erreicht.

Auch bei den Volksparteien schrumpfte die Zahl der jungen Mitglieder: Gehörte Mitte der 1970er-Jahre noch ein Fünftel der SPD-Mitglieder zu den Jüngeren, sank ihr Anteil auf nur gut vier Prozent Anfang der 2000er Jahre. Bei CDU und CSU halbierte sich der Anteil der jüngeren Mitglieder zwischen 1975 und 2004.

Umfragen zum politischen Interesse bestätigten den Trend: Die Shell-Jugendstudie, die bereits seit 1953 alle vier Jahre Sichtweisen, Werte und Erwartungen von Jugendlichen erkundet, verzeichnete 2002 einen historischen Tiefstand: Nur 34 Prozent der befragten 12- bis 25-Jährigen bezeichneten sich selbst als "politisch interessiert". 2006 prognostizierte die Studie gar eine zunehmend entpolitisierte "Generation Z", zu der Menschen gezählt werden, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden.

Die "Generation Greta" geht wieder auf die Straße 

Seit den ersten Großdemonstrationen von Fridays For Future ist dieses Bild jedoch der "Generation Greta" gewichen - einer Jugend, die - gleich der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg - ihre Interessen auf der Straße und in den Medien lautstark vertritt.

Diese Wahrnehmung stützt auch die zuletzt 2019 erschienene Shell-Jugendstudie: 41 Prozent der Befragten bezeichneten sich als "politisch interessiert". Bei der Bundestagswahl 2021 stieg auch die Wahlbeteiligung der jüngeren Generationen deutlich: Die der 21- bis 24-Jährigen so etwa von 67 auf 71,2 Prozent. Und: Laut einer 2022 erschienenen Studie der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung zum politischen Informationsverhalten und Engagement junger Menschen informiert sich fast jeder Dritte unter 25 Jahren täglich zu politischen Themen, nahezu die Hälfte der jungen Menschen immerhin wöchentlich.

Je besser die beruflichen Aussichten, desto engagierter die Jugendlichen

Eine Trendwende, die Fachleute wie den Jugend- und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann nicht verwundert: Es bestehe ein Zusammenhang zwischen beruflichen Perspektiven und dem politischen Interesse, erklärt der Professor an der Hertie School in Berlin, seit gut 20 Jahren Autor der Shell-Studie. "Sind die beruflichen Aussichten düster, konzentrieren sich Jugendliche auf ihr eigenes Fortkommen."

Seien die Perspektiven dagegen gut, wie in den vergangenen Jahren, sei "der Blick frei auf Probleme des sozialen und politischen Gemeinwesens", so Hurrelmann. Angesichts des Fachkräftemangels und der somit hervorragenden Chancen von jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt könne grundsätzlich weiter mit einem hohen politischen Interesse gerechnet werden.

Deutsche Parteien profitieren von US-Wahl und Brexit

Ein "interessantes Phänomen" sei zudem, dass zuletzt auch Parteien wieder von der Entwicklung profitieren konnten, meint der Soziologe. Während junge Menschen eher nicht-institutionelle Beteiligungsformen zu wählen schienen, also statt eines dauerhaften ein punktuelles Engagement wie die Teilnahme an einer Demo, einer Unterschriftensammlung oder einem Online-Protest, seien als Reaktion auf die Wahl von Donald Trump und den Brexit 2016 wieder mehr junge Menschen in Parteien eingetreten. Gerade FDP, Die Linke und die Grünen hätten so mehr neue Mitglieder dazugewonnen.

Die Mobilisierung durch den Bundestagswahlkampf 2021 hat ihre Zahl sogar auf ein Allzeithoch steigen lassen: Erstmalig sind die Jüngeren bei den Liberalen mit 23,6 Prozent, bei den Linken mit 22,5 Prozent sogar überrepräsentiert, zeigen Analysen des Parteienforschers Oskar Niedermayer.

Anders sei die Situation bei den "klassischen Volksparteien": "Während sich die Grünen und die FDP mit Themen wie Klimaschutz und Digitalisierung profilieren konnten, wirkten die SPD und die Union im Vergleich dazu eher konturlos", sagt Klaus Hurrelmann.

Parteien plagen Nachwuchssorgen

Doch Nachwuchssorgen bleiben wohl künftig allen Parteien erhalten. Die geweckten Erwartungen müssten im politischen Alltag erfüllt werden, mahnt der Jugendforscher. Sonst drohe Enttäuschung. Das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Parteien sei ohnehin nicht groß. In der Coronakrise fühlten sich Junge von der Politik vernachlässigt und nicht gehört.

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Den Realitätstest scheinen die Regierungsparteien aktuell nicht gut zu bestehen: Umfragen zeigten, dass FDP und Grüne in der Gunst der jungen Zielgruppe zuletzt deutlich abgesackt seien, so Hurrelmann. Die SPD sei zwar nicht so stark, doch sie könne wiederum kaum Profit daraus schlagen, dass sie mit mehr jungen Abgeordneten im Bundestag vertreten ist als je zuvor.

Es herrsche "Katerstimmung", diagnostiziert Hurrelmann. Sorgen macht dem Soziologen auch eine andere Stimmung, die sich in Jugend-Befragungen ablesen lässt: verstärkte Angst- und Ohnmachtsgefühle angesichts multipler, als existenzbedrohend empfundener Krisen. Denn: Wer sich blockiert und handlungsunfähig fühle, so Hurrelmann, neige eher nicht dazu, politisch aktiv zu werden.