Gegen das Gendern : AfD schreibt ab - mit Absicht
In Thüringen hat die Union einen Antrag gegen das Gendern durchgesetzt. Im Bundestag bringt die AfD-Fraktion eine Quasi-Kopie der Vorlage ein.
Doppelpunkt, Sternchen, Unterstrich: Das sogenannte Gendern hat jüngst in der CDU für einige Diskussionen gesorgt. So hatte Parteichef Friedrich Merz öffentlich gemutmaßt, dass mit jeder "gegenderten Nachrichtensendung ... ein paar hundert Stimmen mehr zu AfD" gingen. Die Aussage traf nicht nur - erwartungsgemäß - im politisch linkeren Spektrum auf Unverständnis, auch in der eigenen Partei wunderten sich einige zumindest über Merz' Themensetzung. Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, etwa empfahl seiner Partei, "keine Debatten über das Gendern und andere Nebensächlichkeiten" zu führen.
In Erfurter Landtag kam der Unions-Antrag durch - mit Stimmen der AfD
Für die AfD ist das Thema keine Nebensächlichkeit. Sie hält nichts von "sogenannter Gendersprache". Vergangene Woche diskutierte der Bundestag erneut eine Vorlage der Fraktion dazu. Dieses Mal hatte sich die AfD eine politische Finte überlegt. Der schließlich an die Ausschüsse überwiesene Antrag war - wie die Fraktion auch offen bekannte - abgeschrieben. Die Thüringer CDU-Landtagsfraktion hatte ihn im November 2022 in Erfurt ein- und später auch mit Stimmen der AfD gegen die Stimmen der Koalitionsfraktionen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung durchgebracht. Die Christdemokraten hatten darin unter anderem den Landtag und die Landesregierung aufgefordert, auf "sogenannte Gendersprache" zu verzichten. Forderungen, die die AfD-Fraktion nun eins zu eins übernahm - und an Bundesregierung beziehungsweise Bundestag richtete.
Aus Sicht der AfD-Abgeordneten Mariana Iris Harder-Kühnel gibt es dafür Rückhalt in der Bevölkerung. "Die Deutschen haben keine Lust auf linke Sprachdressur!", sagte sie in der Debatte mit Verweis auf Umfragen. "Gendersprache" sei verwirrend, nicht praxistauglich und grenze Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwäche oder mit Seh- und Hörbehinderungen aus. Auch erschwere sie "integrationswilligen Migranten" den Spracherwerb. An die Union gerichtet sagte Harder-Kühnel: "Machen wir es wie Thüringen! Schaffen wir diesen Genderunsinn ab!"
Avancen zurückgewiesen
Darauf dürfte die AfD-Abgeordnete, wenn sie es denn tatsächlich tut, vergeblich hoffen - und dass nicht nur, weil die beiden Fraktionen keine Mehrheit dafür im Bundestag hätten, sondern auch, weil die Union die Avancen brüsk zurückwies. Auch durch Abschreiben ihrer Anträge würden "diese permanenten Versuche des Anbiederns an die CDU" nicht erhört, sagte Philipp Amthor (CDU) und ergänzte: "Sie sind und Sie bleiben für uns kein Partner." Seine Fraktionskollegin Katja Leikert (CDU) sprach in Sache von einer "Scheindebatte", schließlich habe die Ampel gar nicht vor, das Gendern in Deutschland zu verordnen. In Umfragen fänden zudem zwei Drittel der Bevölkerung es als politisches Thema überhaupt nicht wichtig, so Leikert.
Auch die Rednerinnen und Redner von SPD, Grünen, FDP und Linken kritisierten die Themensetzung der AfD. Nicole Bauer (FDP) befand, der AfD gehe es nur um "Aufmerksamkeit für Pseudodebatten. "Wer gendern will, soll gendern, wer nicht gendern will, muss nicht gendern", sagte Bauer. Ähnlich äußerte sich Heidi Reichinnek (Die Linke): "Gendern oder nicht, das ist eine selbstbestimmte Entscheidung."
In die Pflicht genommen
Denise Loop (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Union. Diese habe in Thüringen mit der AfD ein "Sprachverbot" beschlossen und strebe das auch anderswo an. Helge Lindh (SPD) nahm die Partei in die Pflicht. Hinter dem Ansinnen der AfD machte er eine "zutiefst queerfeindliche, menschenverachtende Haltung" aus. Das müsse sich auch CDU-Chef Merz klarmachen. "Wenn man solche Diskurse bedient, dann bedient man letzten Endes genau einen solchen Geist und ein solches Denken", sagte Lindh.