Beschleunigungsgebot und Co. : So sollen die Gerichtsverfahren beschleunigt werden
Prozesse vor Verwaltungsgerichten sollen zeitlich gestrafft werden. Koalition reagiert auf erhebliche Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung.
Mit dem am vergangenen Freitag beschlossenen Gesetzentwurf will die Bundesregierung einen Baustein im Großvorhaben der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren umsetzen - die Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren. Der im Bundesjustizministerium ausgearbeitete Entwurf war in der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss auf harte Kritik gestoßen, die Koalitionsfraktionen reagierten mit wesentlichen Änderungen an der Vorlage.
Dem Entwurf zufolge sollen bestimme Verwaltungsgerichtsverfahren künftig priorisiert und beschleunigt werden. Das betrifft jene Verfahren, die sich auf Infrastrukturvorhaben beziehen, für die laut Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erstinstanzlich das Oberverwaltungsgericht zuständig ist beziehungsweise direkt das Bundesverwaltungsgericht - also größere Straßenbauprojekte, Windkraftanlagen oder Schienenausbau. Ausgenommen sind davon allerdings nunmehr Planfeststellungsverfahren für Braunkohleverfahren sowie das Anlegen von Verkehrsflughäfen.
Beschleunigungsgebot für Projekte mit "überragenden öffentlichen Interesse"
Besonders priorisiert werden sollen Verfahren über Vorhaben, "wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen". Das gilt zum Beispiel seit vergangenem Jahr für den Ausbau der Windkraft.
In "geeigneten Fällen" soll ein erster früher Erörterungstermin angesetzt werden, um eine gütliche Einigung zu erzielen beziehungsweise das Verfahren zu strukturieren. Im Regierungsentwurf war ursprünglich vorgesehen, dass dies in allen Verfahren innerhalb von zwei Monaten geschehen sollte. Dieser Vorschlag war in der Anhörung umfassend als kontraproduktiv kritisiert worden. Unverändert hingegen blieb die verschärfte Regelung zur innerprozessualen Präklusion. Nach Fristablauf vorgelegte Vorträge und Beweismittel sollen vom Gericht unbeachtet bleiben.
Keine gesetzlich festgeschriebene Frist wird es indes für die Beklagten geben. Eigentlich hatte die Bundesregierung im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz festschreiben wollen, dass nach Eingang der begründeten Klage, für die eine Frist von zehn Wochen gilt, ebenfalls innerhalb von zehn Wochen erwidert werden muss. Davon hielten insbesondere die Richterinnen und Richter in der Anhörung nichts - die Norm wurde gestrichen. Stattdessen wird die Klagebegründungsfrist auf weitere Fallkonstellationen erweitert.
In bestimmten Fällen soll ein einzelner Richter entscheiden können
Aufgegriffen wurde ein Vorschlag zur Besetzung der Senate an den Oberverwaltungsgerichten beziehungsweise am Bundesverwaltungsgericht bei bestimmten Verfahrenskonstellationen und unter bestimmten Bedingungen. Bei zu beschleunigenden Verfahren soll künftig an Oberverwaltungsgerichten die Entscheidung an einen Einzelrichter übertragen werden können, wenn "die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist" und "die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat". Im Regelfall entscheiden dort aktuell drei Richter. Analog soll am Bundesverwaltungsgericht der Senat in der Besetzung von drei Richtern entscheiden können, im Regelfall sind es aktuell fünf Richter. Damit sollen Personalressourcen geschont werden.
Die Ampelregierung will zudem in Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz dafür sorgen "dass schneller mit der Umsetzung von Vorhaben begonnen werden kann". So sollen Gerichte in den zu beschleunigenden Verfahren angegriffene Mängel außer Acht lassen können, wenn sie davon ausgehen, dass sie in absehbarer Zeit behoben werden - dazu soll das Gericht aber eine Frist setzen. Zudem soll, wenn das Gericht einen vorläufigen Stopp von Vorhaben anordnet, dieser nur auf solche Baumaßnahmen beschränkt werden, die unumkehrbare Folgen hätten. Bei dieser Abwägung soll ebenfalls berücksichtigt werden, wenn das Vorhaben per Bundesgesetz als im "überragenden öffentlichen Interesse" liegend definiert wird. Im parlamentarischen Verfahren ergänzten die Abgeordneten eine Regelung zu den Kosten der Verfahren. Danach soll die beklagte Behörde die Kosten tragen, wenn der Kläger keinen Erfolg hat, weil es sich um einen nach Ansicht des Gerichts heilbaren Fehler im Verwaltungsakt handelt.
Digitale Möglichkeiten sollen genutzt werden
Und auch die Vorzüge der Digitalisierung und der E-Akte sollen in den Verfahren künftig stärker genutzt werden. So sind die Behörden künftig aufgefordert, Akten, wenn sie elektronisch geführt werden, als digital durchsuchbare Dokumente vorzulegen - "soweit dies technisch möglich ist".