Umzug in die Sozialhilfe und "Bürgerarbeit" : Heftige Kritik für Bürgergeld-Pläne der AfD
Dauerhaft nicht erwerbsfähige Menschen sollen Sozialhilfe statt Bürgergeld beziehen. Das lehnen die anderen Fraktionen ab - mit Verweis auf jene, die es betrifft.
Heftiger Gegenwind ist der AfD am Donnerstag bei der abschließenden Debatte über ihren Antrag für eine Neugestaltung von Bürgergeld und Sozialhilfe entgegengeschlagen. Im Ergebnis stimmten alle anderen Fraktionen und Gruppen gegen den Antrag.
Im Kern fordert die AfD darin eine stärkere Fokussierung des Bürgergeldes auf die Arbeitsvermittlung. Um dies zu erreichen, will sie fast eine Million Menschen, die als dauerhaft nicht erwerbsfähig gelten, in die Sozialhilfe überführen und so die Jobcenter entlasten. Einhellig attestierten die anderen Fraktionen und Gruppen der AfD deshalb ein fragwürdiges Menschenbild, denn die Fraktion teile Menschen in nützlich und unnütz ein, hieß es unisono. Auch die weitere Kernforderung nach einer "Arbeitssuchenden-Hilfe" für alle, die kurzfristig, also innerhalb von zwei Wochen, zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Lage sind, unter Androhung harter Sanktionen beziehungsweise einer verpflichtenden "Bürgerarbeit", stieß auf harsche Kritik.
Außerhalb des Parlaments stößt dieser Regierungsplan derzeit auf viel Kritik: Langzeitarbeitslose, die einen sozialversicherungspflichtigen Job annehmen, sollen dafür eine "Anschubfinanzierung" von 1.000 Euro erhalten.
Den Reigen der Kritiker eröffnete Annika Klose. "Für die SPD gilt: Alle Menschen sollen eine Perspektive bekommen." Wenn zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen keinen Berufsabschluss haben, müsse es doch darum gehen, sie zu qualifizieren, anstatt sie abzuschieben, so die Sozialdemokratin.
Kai Whittaker (CDU) sagte: "Die AfD findet, dass wir zu wenig Fachkräfte in Deutschland haben und will das Problem damit lösen, dass sie fast eine Million Menschen von heute auf morgen als dauerhaft arbeitsunfähig einstuft." Dazu würden nach AfD-Vorstellungen auch Alleinerziehende, sogenannte "Aufstocker" oder pflegende Angehörige zählen.
Die Grünen kritisieren Schubladendenken
Die Kritik von Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) ging in die gleiche Richtung. "Wer nicht funktioniert, wird ausgegrenzt". Die anderen sollen innerhalb von zwei Wochen in Arbeit vermittelt werden, unter Androhung einer Art Zwangsarbeit. Dies offenbare ein völlig realitätsfremdes Schubladendenken und "wird den Herausforderungen in keiner Weise gerecht", sagte sie.
Gerrit Huy (AfD) unterbrach den Reigen mit einer Verteidigung: Die staatliche Arbeitsvermittlung funktioniere nicht, weil die Mitarbeiter der Jobcenter mit anderen Aufgaben überfrachtet würden. Ihre Fraktion wolle rund 700.000 Menschen, die dauerhaft nicht erwerbstätig sein können, in die Sozialhilfe integrieren. Darauf würden insbesondere Kranke seit Jahren warten, die sich im Bürgergeld-System falsch aufgehoben fühlten. "Das Menschenbild der AfD ist das des freien Bürgers, der keine staatliche Nanny braucht", sagte sie.
Die FDP fragt nach dem, was im Antrag fehlt
Pascal Kober (FDP) nannte es "interessant, was die AfD verschweigt". Denn die deutsche Wirtschaft fordere seit Jahren leichtere Regeln für die Fachkräfteeinwanderung. Ohne diese werde es nicht gehen und deshalb sei es gut, dass die Koalition das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen habe "und es wirkt!". Bezogen auf die Sozialhilfe-Pläne der AfD fragte er: "Was soll denn für diese Menschen besser werden, wenn sie nicht mehr begleitet und gefördert werden?"
Heidi Reichinnek (Die Linke) sagte in Richtung AfD: "Was Sie hier fordern, ist nicht nur widerlich. Es bringt auch einfach nichts." Wenn jemand gezwungen werde, den nächstbesten Job unter Zeitdruck anzunehmen, stehe er nach ein paar Monaten wieder bei den Jobcentern auf der Matte. Das zeige die Erfahrung.
Alexander Ulrich (BSW) sprach von einem "Frontalangriff auf den Sozialstaat". Um die Zahl der Aufstocker zu reduzieren, brauche es einen höheren Mindestlohn und mehr Tarifbindung, aber das lehne die AfD ja immer ab.