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Viele große Konzerne haben einen umfangreichen Stellenabbau angekündigt. Was das für die Bundesagentur für Arbeit bedeutet, ist derzeit noch unklar.

Fünf Milliarden Euro weniger veranschlagt : Die Regierung will beim Bürgergeld sparen

Die Kosten für die Rente im Sozialetat steigen wieder, jene für das Bürgergeld sinken dagegen. Ob das am Ende aufgeht, daran zweifelt nicht nur die Opposition.

13.09.2024
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4 Min

Es ist eine Forderung, die nicht so recht zu den Nachrichten der jüngsten Zeit zu passen scheint. Seit Wochen verschrecken große deutsche Konzerne, allen voran der Volkswagen-Konzern, ihre Belegschaften mit der Ankündigung eines massiven Stellenabbaus. Und was macht Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)? Fordert eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro. Auf den Widerspruch der Arbeitgeber dürfte Heil minütlich nach Bekanntwerden seines Vorschlags gewartet haben.

Der Minister begründete seine Forderung mit der Europäischen Mindestlohnrichtlinie, die für die Mitgliedstaaten einen Mindestlohn in Höhe von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittslohns vorsieht. Nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes wären das derzeit 15,27 Euro pro Stunde statt wie aktuell 12,41 Euro.

In der Debatte über den Haushaltsplan des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für 2025, mit dem sich der Bundestag am Dienstag dieser Woche befasste, verteidigte der Minister seine Initiative: "Wenn wir über die Zukunft der Arbeit reden, dann brauchen wir nicht nur gute Arbeitsplätze, sondern auch einen Lohn, von dem man leben kann." Natürlich arbeite die Mindestlohn-Kommission (das Gremium aus Arbeitgebern und Gewerkschaften, das über die Höhe des Mindestlohns entscheidet, Anm. d. Red.) unabhängig, aber sie sei nicht losgelöst von Recht und Gesetz. Das beträfe zum einen die deutsche Gesetzgebung, aber eben auch die europäische, betonte der Minister. Bis November müsse er nach Brüssel melden, ob das deutsche Recht dem EU-Recht entspreche.

Hermann Gröhe (CDU) warf der Bundesregierung vor, durch falsche Wirtschaftspolitik die Sorgen vieler Belegschaften vor einer Deindustrialisierung erst befeuert zu haben. Zwar weise der Minister gern auf Managementfehler hin, aber die Industrie leide auch unter Fehlern der aktuellen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. "Sie verweigern sich einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten und betreiben eine Politisierung des Mindestlohns, das ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen", sagte Gröhe.


„Sie betreiben eine Politisierung des Mindestlohns. Das ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen.“
Hermann Gröhe (CDU)

Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, in der Debatte nicht alles nur schlecht zu reden. Denn: "Es ist gelungen, eine Gesamtstabilisierung des Etats zu erreichen. Diese Botschaft müssen wir doch an die Bürger senden, dass wir die Systeme zur Absicherung zentraler Lebensrisiken stabil halten!" Verallgemeinernde Katastrophenszenarien und das Herabsetzen ganzer Bevölkerungsgruppen würden auch der Union am Ende nicht helfen, sagte Kurth unter Verweis auf die Bürgergeld-Debatten der vergangenen Monate.

AfD kritisiert Ansatz für das Bürgergeld als absurd

Norbert Kleinwächter (AfD) warf der Regierung vor, im Haushaltsentwurf mit geschönten Zahlen zu arbeiten. Es sei absurd, für das Bürgergeld fünf Milliarden Euro weniger einzuplanen, denn die Regierung wisse genau, dass diese Berechnungen nicht zu halten sein werden. "Nächstes Jahr werden wir so hohe Kosten im Bürgergeld haben wie nie zuvor", prophezeite Kleinwächter.

Wofür das Arbeitsministerium 2025 Geld ausgeben will

Zahlungen an die Rentenversicherung Die Beitragszahlungen für die sogenannte Mütterrente summieren sich laut Entwurf auf rund 19 Milliarden Euro. Die Erstattungen des Bundes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind mit 11,5 Milliarden Euro eingeplant.

Ausgaben für Bürgergeld sinken Die Kosten für das Bürgergeld sollen deutlich sinken: Auf 25 Milliarden Euro statt, wie im laufenden Jahr, 29,7 Milliarden Euro.

Gespart wird bei der Inklusion Deutliche Einsparungen gibt es in diesem Bereich. 409,65 Millionen Euro steht für die Förderung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen bereit (2024: 523,7 Millionen Euro).



Claudia Raffelhüschen (FDP) kritisierte diesen Punkt ebenfalls. Schon im vergangenen Jahr hätte sich die Bundesregierung massiv verschätzt und musste nachträglich Geld ins System pumpen. "Wir brauchen unbedingt Einsparungen, weil unsere Sozialsysteme marode sind, aber die Tricksereien beim Bürgergeld sind nur Wasser auf die Mühlen der Rechten und Linken", sagte sie.

Sanktionen und Solidarität sind für die SPD kein Widerspruch

Katrin Michel (SPD) sagte, sie wolle auch weiter in einer solidarischen Gesellschaft leben. Sanktionen im Bürgergeld seien dazu kein Widerspruch. "Wir verfolgen Sozialleistungsbetrug konsequent", betonte sie und kritisierte die Union dafür, sich seit Monaten auf "unsägliche Art und Weise" am Bürgergeld abzuarbeiten und auf Kosten der Ärmsten immer wieder Neid und Missgunst zu säen. Sie verteidigte außerdem den Fokus der Arbeitsmarktpolitik auf Qualifizierung und Weiterbildung, "denn wir brauchen jede und jeden in diesem Land", so Michel.

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Matthias W. Birkwald (Die Linke) arbeitete sich vor allem an der Rentenpolitik ab. Die aktuelle Debatte sei gruselig. "Haben Sie sich schon mal gefragt, wie ein Bauarbeiter noch länger arbeiten soll?", fragte er. Da die Renten alles andere als generös seien, bräuchte es dringend eine Rentenerhöhung von zehn Prozent, so Birkwald.

Alexander Ulrich (BSW) warf der Ampel-Regierung vor, das Land zugrunde zu richten. Jeden Tag häuften sich Meldungen über einen großflächigen Stellenabbau bei großen Unternehmen, die Sanktionspolitik müsse deshalb endlich ein Ende haben.