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Foto: picture-alliance/Norbert Schmidt
Indoor-Sport. "Wir haben in Deutschland genug Sportstätten", so die Einschätzung des Experten Robin Kähler. Es gebe aber Probleme, weil die Sanierung teilweise zu lange dauere.

Breitensport läuft wieder an : Das Land kommt in Bewegung

Die Corona-Delle scheint überwunden. Sorgen gibt es beim Sport für Menschen mit Behinderungen.

03.04.2023
True 2024-03-15T12:46:22.3600Z
6 Min

Brandenburg meldet Rekordzahlen. 361.829 Brandenburgerinnen und Brandenburger - so viel wie noch nie - sind aktuell Mitglied in einem der 2.969 Sportvereine des Landes - so viele wie noch nie - aktiv. Die Corona-Delle scheint überwunden. Es gab Anfang 2023 16.610 mehr Vereinsmitglieder als 2021. "Dieser Anstieg ist unseren Vereinen nicht zufällig oder durch Glück in den Schoß gefallen", sagt der Präsident des Landessportbundes (LSB) Brandenburg, Wolfgang Neubert. Dieses Plus basiere auf dem unermüdlichen Engagement der zumeist Ehrenamtlichen in den Vereinen. Sie hätten es während der Pandemie trotz schwerster Bedingungen geschafft, "die Strukturen im und die Treue zum Verein aufrechtzuerhalten", lobt er.

Steigende Zahlen gibt es auch beim LSB Sachsen. "Die Verluste der Pandemie-Jahre sind damit nahezu wieder ausgeglichen", sagt Pressesprecherin Annegret Müller. Vor allem Kinder und Jugendliche seien in die Vereine zurückgekehrt. Im Erwachsenenbereich zeigten sich hingegen noch immer deutliche Verluste im Vergleich zu den Mitgliedszahlen vor der Pandemie. Allerdings: Vereine mit Gesundheits- und Präventionssport-Angeboten konnten ihre Mitgliederverluste noch nicht wieder vollständig ausgleichen.

Positive Bilanz nach schwierigen Corona-Jahren

LSB-Präsident Ulrich Franzen betont gleichwohl die positiven Entwicklungen. "Es freut mich sehr, dass wir trotz der weiterhin schwierigen Bedingungen für den organisierten Sport im vergangenen Jahr nun wieder eine positive Bilanz ziehen können", sagt er. Der LSB und die Vereine bräuchten nun die Politik, um dem organisierten Sport gerade in Zeiten von Inflation und Energiekrise weiterhin den Rücken zu stärken. "Es gilt jetzt, dieses wiedergewonnene Wachstum weiter zu fördern. Unsere Vereine haben gerade eine sehr schwierige Zeit durchschifft. Steigende Kosten dürfen diese positive Entwicklung jetzt nicht direkt wieder zerstören, sonst sind auch die letzten Rücklagen aufgebraucht.", betont Franzen.

Wie sich Energiekostensteigerungen und Inflation auf die Entwicklung des Vereins- und Breitensports in Deutschlands - vor allem langfristig - auswirken, lässt sich heute noch nicht genau sagen. Gerade Hallensportarten sind von den Kostensteigerungen betroffen. Die bayrischen Vereine haben den Winter nach Aussage des Bayrischen Landes-Sportverbandes (BLSV) "einigermaßen überstanden". Es müsse sich nun zeigen, in welchem Umfang die staatlichen Hilfen auch wirklich bei den Vereinen ankommen und auch greifen, sagt BLSV-Pressesprecherin Katharina M. Schwarz. Vom Land würden für 2023 143,6 Millionen Euro für die Belange des Sports in Bayern zur Verfügung gestellt, sagt sie. Die Bayerische Energie-Härtefallhilfe sei zudem mit 30 Millionen Euro hinterlegt.

Bund fördert den Neustart mit 25 Millionen Euro

Unterstützung vom Bund gibt es derzeit durch das Programm "ReStart - Sport bewegt Deutschland", das mit 25 Millionen Euro unterlegt ist. "Wir verfolgen das Ziel, im Schulterschluss zwischen Bund, Ländern, Kommunen und dem organisierten Sport, Menschen zurück in die Vereine zu bringen, das Ehrenamt im Sport zu stärken und ergänzend zum Bundesprogramm ,Integration durch Sport' die wichtige Integrationsarbeit der Vereine - gerade in Zeiten, wo Flucht und Vertreibung allgegenwärtig sind - zu unterstützen", schreibt Sportministerin Nancy Faeser (SPD) im Sportbericht der Bundesregierung (20/5900) dazu.

Es wird sich zeigen, ob das Geld reicht, damit sich beispielsweise der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), Friedhelm Julius Beucher, keine Sorgen wegen möglichen Schließungen von Schwimmbädern oder der weiteren Absenkung der Wassertemperatur aus Energiespargründen machen muss. Das nämlich sei "tödlich für den Reha-Sport". Der könne nicht in noch kälterem Wasser ausgeübt werden, weiß er.

Schwierigkeiten im Behindertensport

Schwierig genug ist die Situation im deutschen Behindertensport auch so schon. Hier hat Corona zu besonders schmerzhaften Einschnitten geführt. 100.000 Mitglieder weniger gebe es im Vergleich zu der Zeit vor Corona, sagt Beucher. Das habe mit den besonderen Schwierigkeiten für Menschen mit Behinderungen zu tun: Während Menschen ohne Behinderungen bei geschlossenen Hallen im Wald hätten laufen können, sei das für Menschen ohne Behinderungen nicht möglich gewesen.

Die Mitgliederentwicklung werde aber auch dadurch beeinträchtigt, dass nur sieben Prozent aller olympischen Sportvereine Sport für Menschen mit Behinderungen anbieten. Ein Punkt, der auch DBS-Generalsekretär Stefan Kiefer umtreibt. "Erschreckend wenig" seien diese sieben Prozent. "Wie wollen wir glaubhaft Teilhabe und Inklusion im Sport vorantreiben, wenn es nicht einmal in jedem zehnten Sportverein Angebote für Menschen mit Behinderungen gibt?", fragt er.


„In diesen inzwischen 13 Jahren hat sich die Situation für Menschen mit Behinderungen im Sport zwar verbessert, doch unter dem Strich ist noch viel zu wenig passiert.“
Stefan Kiefer, Generalsekretär des Deutschen Behindertensportverbandes

2009 habe Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. "In diesen inzwischen 13 Jahren hat sich die Situation für Menschen mit Behinderungen im Sport zwar verbessert, doch unter dem Strich ist noch viel zu wenig passiert", resümiert Kiefer. Schließlich lebten in Deutschland über 13 Millionen Menschen mit einer Beeinträchtigung, darunter 7,8 Millionen mit schwerer Behinderung. Das entspricht 15,6 beziehungsweise 9,4 Prozent der Bevölkerung.

Wer Sport treiben will, braucht auch Sportstätten - im Fall der Menschen mit Behinderungen natürlich barrierefreie. Doch es fehlt an Geld. Der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf für Sportstätten in Deutschland beträgt laut einer Kurzexpertise des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der kommunalen Spitzenverbände mindestens 31 Milliarden Euro. Deutschland sei vom Weltmeister zum Kreisligisten im Sportstättenbau geworden, urteilt der DOSB.

Sportstätten sollen energetisch saniert werden

Umso verwunderlicher ist es da auf den ersten Blick, dass die Ampelkoalition den eigentlich noch bis 2024 angelegten Investitionspakt Sportstätten nicht fortführt. Für 2023 waren darin 110 Millionen Euro vorgesehen, 2024 sollten es sogar 160 Millionen Euro sein. Dem Aufschrei aus dem Kommunen hielt die Bundesregierung aber das Bundesprogramm "Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur" entgegen, das mit 476 Millionen Euro unterfüttert ist und wo der Schwerpunkt bei den Förderanträgen auf Sportstätten liegt, wie Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sagt. Das Geld kommt aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF). Damit ist auch klar, dass bei der Projektauswahl ein Schwerpunkt auf die energetische Sanierung der Sportstätten gelegt wird.

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Das dürfte ganz im Sinne des DOSB sein. Michaela Röhrbein, im DOSB-Vorstand zuständig für Sportentwicklung, macht deutlich, dass Energiesparen alleine wohl nicht ausreichen wird. Sie sieht langfristig Handlungsbedarf: "Laut Umfrage heizen mehr als 50 Prozent der Vereine mit eigener Sportanlage mit Erdgas", sagt sie. Viele Jahre sei diese Energieform vom Staat gefördert worden. Seit der Energiekrise sei sie aber nicht mehr tragbar. "Spätestens jetzt dürfen die Vereine nicht mehr allein gelassen werden und brauchen Unterstützung bei der Umstellung auf erneuerbare Energien", fordert Röhrbein.

Kommunen sollen stärker mit einbezogen werden

Robin Kähler, Vorstandsvorsitzender von IAKS Deutschland (International Association for Sports and Leisure Facilities), einer Organisation, die sich weltweit um die Sportstätten und Sporträume kümmert, hält den Förderansatz zur energetischen Sanierung für richtig. Was den Sanierungsstau der Sportstätten angeht, so gelte es jedoch zu differenzieren, sagte er unlängst vor dem Sportausschuss des Bundestages. Es müsse herausgearbeitet werden, wie der tatsächliche Bedarf ist. Dabei - und schlussendlich auch bei der Mittelvergabe - müssten die Kommunen stärker als bisher einbezogen werden, regte er an.

Hinterfragt werden müsse, welche Sanierung sinnvoll ist, wie sie bedarfsgerecht erfolgen kann, aber auch, ob darauf verzichtet werden kann. "Wir haben in Deutschland genug Sportstätten", so die Einschätzung des Experten. Es gebe aber Probleme, weil die Sanierung teilweise zu lange dauert. Das wiederum habe auch damit zu tun, dass in einigen Fällen zu groß gedacht werde. Wichtig sei es, frühzeitig Mängel zu reparieren, um den funktionalen Sportbetrieb aufrechtzuerhalten.

Deutschland brauch laut Experten keine neuen großen Sportstätten

Neue große Spezialsportstätten würden laut Kähler in Deutschland nicht mehr benötigt. "Wir brauchen Sporträume für die Bevölkerung. Und zwar quartiersnah und schulortnah, um die Bildung und die Gesundheit der Menschen in den Quartieren zu stützen." Gerade in verdichteten Kommunen sei es wichtig, Freiräume zur Verfügung zu stellen, in denen sich die Menschen bewegen können. Offene Parks seien wichtiger als nicht am Bedarf orientierte oder am falschen Platz befindliche Sportstätten.