16. Sportbericht der Bundesregierung : Neustart im Sport
Der Bundestag debattiert, wie der deutsche Sport nach Corona wieder in Bewegung kommt.
Vereine, sagte Ministerin Faeser, hätten während der Pandemie Mitglieder und Einnahmen verloren. Inzwischen geht der Blick wieder nach vorn.
Sport ist so viel mehr als einfach nur - Sport. Klar: Sport hält gesund, macht meistens Spaß, tut manchmal weh, und mal gewinnt man, mal verliert man. Aber ganz nebenbei stiftet der Sport auch Gemeinschaft, verbindet über kulturelle, soziale und sprachliche Grenzen hinweg, führt Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters zusammen. Dabei vermittelt er Werte wie Fair Play, Respekt, Teamfähigkeit und die Akzeptanz von Regeln. Und er spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle für die körperliche, emotionale und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.
Weil das so ist, trafen die Ver- und Gebote während der Corona-Pandemie - keine Zuschauer, kein Training, kein Wettkampf - zuvörderst die Athletinnen und Athleten. Aber sie wirkten, wie auch die Einschränkungen durch explodierende Energiepreise im Gefolge des russischen Angriffs auf die Ukraine, weit darüber hinaus.
Erste Debatte zur Kernzeit seit Jahren
Vielleicht auch deshalb debattierte am vergangenen Donnerstag der Bundestag zum ersten Mal seit Jahren wieder in der Kernzeit über den seit 1971 turnusmäßig erscheinenden Sportbericht der Bundesregierung. Und vielleicht stand das auch der zuständigen Ministerin für Inneres und Heimat, Nancy Faeser (SPD) vor Augen, als sie eingangs feststellte, jetzt gehe es vor allem darum, Deutschland wieder in Bewegung zu bringen. "Wir haben viel zu tun, und wir haben viel vor", sagte Faeser.
Unter anderem nannte sie das 25-Millionen-Euro-"ReStart"-Programm. Um das Ehrenamt zu stärken, solle damit die Ausbildung von Übungsleiterinnen, Schiedsrichterinnen, Vereinsmanagern und Trainern gefördert werden; Vereinsgutscheine und Einstiegsangebote für ein breites Publikum sollen wieder mehr Menschen für den Sport im Verein begeistern, denn: "Sportvereine sind der Kitt in unserer Gesellschaft und unverzichtbar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt".
Olympische Spiele in Deutschland?
Was den Spitzensport angeht, so fordert die Ministerin eine Reform der Reform von 2016, um "mehr Kohärenz zwischen den Mitteln aus der öffentlichen Hand und den Potenzialen für Medaillen und Finalplatzierungen bei Olympischen und Paralympischen Spielen herzustellen" - mit anderen Worten: um dem konstanten Abwärtstrend im Medaillenspiegel endlich etwas entgegenzusetzen. Faeser versprach: "Wir werden es schaffen, in unserem Land auch wieder Sportgroßveranstaltungen wie Olympische Spiele auszurichten." Voraussetzung sei aber die Unterstützung aus der Bevölkerung.
Stephan Mayer (CSU) konstatierte, die Erfolge der "Frau Bundesministerin" nähmen sich "sehr mau" aus. Mayer, der Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium und damit für die Sportpolitik unter Innenminister Horst Seehofer (CSU) zuständig war, hielt ihr unter anderem vor, sie werfe mit vielen Begriffen um sich: "Sportfördergesetz", "unabhängige Agentur", "Sportentwicklungsplan". Keiner wisse aber, was sich dahinter verberge. Und nichts werde konkret vorangebracht. Die 25 Millionen Euro für den "Restart" der 87.000 Sportvereine mit ihren 23,4 Millionen Mitgliedern nach der Pandemie nannte er "stümperhaft" - einzelne Bundesländer gäben teils mehr dafür aus.
"Sportpolitik ist Gesellschaftspolitik", sagte Tina Winklmann (Grüne). Deshalb kämpfe man gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung jeglicher Art im Sport. Mit dem Zentrum für Safe Sport, eine Herzensangelegenheit der Ministerin, werde etwas Grundlegendes geschaffen, um Athletinnen und Athleten besser vor sexueller und interpersoneller Gewalt zu schützen. "Denn Sport muss angst- und gewaltfrei gelebt werden, und dafür tun wir alles", sagte Winklmann.
Jörn König (AfD) warf der Regierung Schlafmützigkeit vor. Die letzten Olympischen Spiele in Deutschland seien über 50 Jahre her. In allen anderen G7-Staaten hätten in dieser Zeit zum Teil mehrfach Olympische Spiele stattgefunden.
"Deutschland ist Sportnation", sagte Philipp Hartewig (FDP). Mit Blick auf die Pandemie gehe sein Dank insbesondere an die vielen Engagierten in den Vereinen und bei den Sportveranstaltungen: "Ihr habt euch nicht unterkriegen lassen und sorgt jetzt dafür, dass die Menschen wieder zusammenkommen", so Hartewig. "Ihr macht den Sport auch weiterhin zu etwas ganz Besonderem". Der Sportbericht zeigt aber auch, "dass wir große Potenziale liegen lassen" - durch überbordende Bürokratie, durch viele Strukturen mit vielen Akteuren oder durch die unterschiedlich stark vorangebrachte Digitalisierung. "Dort setzen wir nun gemeinsam an, indem wir beispielsweise eine Sportagentur als unabhängige Instanz zur Mittelvergabe anpeilen."
Kritik der Linken an Leerstellen im Sportbericht
André Hahn (Linke) fand interessant, was nicht in dem 225-Seiten-Bericht steht: So werde fast völlig ausgeblendet, dass die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich auch dazu führe, dass viele Menschen sich das Sporttreiben in Vereinen kaum noch leisten könnten. Kein Wort falle darüber, dass 30 Jahre nach der deutschen Einheit der Organisationsgrad im Bereich Sport in den ostdeutschen Ländern im Schnitt mit rund 15 Prozent nur halb so hoch ist wie in den westlichen Bundesländern. Und auch kaum werde auf die sich durch den Klimawandel ergebenden Herausforderungen eingegangen, zum Beispiel für den Wintersport und andere energieintensive Sportarten.
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