Der Deutsche Presserat : Die Selbstverpflichtung der Medien auf einen Ethik-Kodex
Der Deutsche Presserat wacht über die Einhaltung des Pressekodex - bei Verstößen rügt er die betroffenen Verlage. Die müssen die Rüge abdrucken.
Anfang Dezember letzten Jahres hat der Deutsche Presserat 15 Rügen ausgesprochen. Sechsmal wurde die "Bild"-Zeitung gerügt, unter anderem wegen der Missachtung von Regeln zur Suizid-Berichterstattung, einen schweren Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot, einen massiven Sorgfaltsverstoß und Verstöße gegen den Opferschutz. Eine Rüge betraf die Berichterstattung zum Messer-Attentat von Solingen: Nach Ansicht des Presserats hat die "Bild" identifizierend über die Anwältin des Attentäters berichtet. Ein Foto von ihr war zwar verpixelt, die Frau sei aber "durch ihre Physiognomie und Frisur sowie weitere, im Text des Beitrags genannte Details zu ihrer Person für ein näheres Umfeld erkennbar" gewesen. Da die Tätigkeit der Anwältin für den späteren Attentäter lange vor der Tat stattgefunden hatte und sie sich damit auch nicht strafbar gemacht hatte, überwog nach Auffassung des Presserats der Schutz ihrer Persönlichkeit das öffentliche Interesse an ihrer Identität.
Der Presserat kann drei Arten von Sanktionen erteilen: Einen Hinweis, eine Missbilligung, eine nicht-öffentliche Rüge, wenn etwa aus Gründen des Opferschutzes auf einen Abdruck verzichtet wird - und eine öffentliche Rüge, die die gerügte Redaktion abdrucken muss.
Journalisten sind bei ihrer Arbeit zum einen an das Presserecht gebunden. Zum anderen gibt es eine Art Berufsethik, an die sich Redaktionen halten sollten. Diese sind im Pressekodex festgehalten, der 1973 vom Presserat vorgelegt wurde. Seine 16 Ziffern befassen sich unter anderem mit Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde, Diskriminierung, den Grenzen der Recherche und der Trennung von Werbung und Redaktion.
2024 hat der Presserat 86 Rügen ausgesprochen - so viele wie nie zuvor
Seinem Selbstverständnis nach fungiert Presserat als freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien und deren Online-Auftritte in Deutschland. Da es sich beim Presserat um keine rechtliche Institution handelt - wird gegen den Kodex verstoßen, kann weder ein Bußgeld noch eine Geld- oder Freiheitsstrafe verhängt werden - gilt der Presserat manchen Kritikern als "zahnloser Tiger. Allerdings hat der Presserat beispielsweise die Möglichkeit, eine öffentliche Rüge auszusprechen, die vom betreffenden Verlag abgedruckt werden muss. Übrigens kann ein Verstoß gegen die Richtlinien nicht nur durch den Presserat selbst aufgedeckt werden, vielmehr kann jeder Bürger eine Beschwerde einreichen. Wird dieser stattgegeben, kann die Redaktion durch den Rat je nach Schwere des Verstoßes sanktioniert werden.
"Medien, die sich zum Pressekodex verpflichtet haben, verbreiten keine Desinformation"
Wie Sonja Volkmann-Schluck von der Pressestelle des Rats dem "Parlament" mitteilte, hat der Presserat 2024 insgesamt 86 Rügen ausgesprochen. So viele wie nie zuvor. Von "Fake News" oder "Desinformation" würde der Rat im Zusammenhang mit seiner Arbeit nicht sprechen, sagt Volkmann-Schluck. "Wir prüfen Berichte in Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien auf presse-ethische Verstöße.
Die Medien, die sich zum Pressekodex verpflichtet haben, verbreiten keine Desinformation" sagt die Pressesprecherin. Bei der Arbeit des Rates gehe es vielmehr um die Frage, "ob Berichte sauber recherchiert und Fakten korrekt wiedergeben" werden. Gleichwohl scheinen die Grenzen fließend zu sein, wenn etwa die Zeitschrift "LISA" für ein Extraheft "Kochen & Backen" eine Rüge erhält, weil die mit KI generierten Rezeptbilder hätten gekennzeichnet werden müssen. Dass sie fehlte, habe "zu einer Irreführung der Leserinnen und Leser" geführt.