Kurz rezensiert : Die Lust am Regelbruch
Natascha Strobl analysiert in ihrem Buch "Radikalisierter Konservatismus" die Folgen des Anbändelns zwischen Konservativen und rechtsextremen Gruppierungen.
Der 6. Januar 2021 ist als ein dunkler Tag in die US-amerikanische Geschichte eingegangen. Ein Mob aus Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretikern und anderweitig motivierten Anhängern des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump versuchte - angestachelt von Trump selbst - den Sitz des US-Kongresses zu stürmen und die formelle Bestätigung des Wahlausgangs zu verhindern. Was eigentlich unvorstellbar schien, ist, liest man Natascha Strobls Essay, eine fast schon logische Konsequenz einer konservativen Bewegung, die zunehmend mit rechtsextremen Gruppierungen anbändelt und den Grundkonsens einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Kräften des demokratischen Spektrums quasi aufgegeben hat. Strobl blickt dabei nicht nur ins ferne Washington, sondern hat mit dem ehemaligen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz auch ein personifiziertes Beispiel aus ihrem Heimatland zur Hand.
Bei allen Differenzen in der Persönlichkeit diagnostiziert die Politikwissenschaftlerin sehr ähnliche Tendenzen, etwa die Lust am Regelbruch, die Abkehr von Fakten, die Dämonisierung des politischen Gegners und einen "antidemokratischer Staatsumbau". Als Grund für diese Radikalisierung führt Strobl an, dass es neben der oft diagnostizierten Krise der Sozialdemokratie eine Krise der konservativen Parteien gibt. Sie müssen auf eine Kernklientel reagieren, die sich zunehmend offen zeigt für die Agitation der Neuen Rechten. Gefährlich für die Demokratie wird das, so die Autorin, weil es sich bei den US-Republikanern und der ÖVP nicht um Splitterparteien handelt, sondern um staatstragende Organisationen. Kippen sie, dann kippt das System gefährlich mit.Die Thesen des gut lesbaren Essays funktionieren vor allem durch die zahlreichen Beispiele aus jüngerer Zeit - ob nun Trumps Ausfälle oder die zahlreichen Skandale um Kurz, die ihm letztlich den Job kosteten. Die ideen- und parteiengeschichtliche Dimension sowie die historische Einordnung abseits der von Strobl angeführten Konservativen Revolution der Weimarer Zeit fällt dagegen denkbar knapp aus.
Natascha Strobl:
Radikalisierter Konservatismus.
Eine Analyse.
Edition Suhrkamp,
Berlin 2021,
189 S., 16,00 €