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Ukraine : Ein blinder Fleck auf der geistigen Landkarte

Lange Zeit war die Ukraine für die Deutschen nicht existent. Ein Sammelband der Historikerin Franziska Davies zeichnet die europäische Zugehörigkeit des Landes nach.

23.05.2024
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2 Min

"Russland ist ein europäisches Land", betonte einst Zarin Katharina II. Eine ähnliche Botschaft verkündete ein "gerührter" Präsident Wladimir Putin den Bundestagsabgeordneten am 25. September 2001: "Russland ist ein freundlich gesinntes europäisches Land". Zwei Jahrzehnte später war das gleiche Europa in den Augen des Kremlherrschers zum Erzfeind mutiert, wagten es doch die Europäer, "einen Teil Russlands", die Ukraine, zu erobern. Werden die Europäer die Ukraine weiterhin den sicherheitspolitischen Interessen Moskaus opfern? Oder ersetzen sie ihre Russland-Fixiertheit durch eine Politik, die das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine respektiert und durchzusetzen hilft?

Die Ukraine wurde polonisiert, russifiziert, kolonisiert und sowjetisiert

Es brauchte erst den brutalen Angriffskrieg vom 24. Februar 2022, um eine Reihe exzellenter Bücher über die Ukraine zu veröffentlichen. Zu ihnen gehört der informative und empfehlenswerte Sammelband über die historische Zugehörigkeit der Ukraine zu Europa. Bis vor Kurzem war das osteuropäische Land "für die meisten Deutschen ein blinder Fleck", schreibt Herausgeberin Franziska Davies. Die "Nichtexistenz der Ukraine" auf der geistigen Landkarte des Westens habe eigene Gründe und eine komplizierte Geschichte: Nicht nur das russische Imperium, sondern auch die Großmächte Polen-Litauen, die Habsburger Monarchie und später das kaiserliche Deutschland verfolgten in der Ukraine ihre jeweiligen Interessen, insbesondere Gebietsansprüche. Auf diese Weise wurde die Ukraine polonisiert, russifiziert, kolonisiert und bis zum Zerfall der Sowjetunion auch sowjetisiert.


Franziska Davies:
Die Ukraine in Europa.
Traum und Trauma einer Nation.
wbg Theiss,
Darmstadt 2023;
360 Seiten, 29,00 €


Viele Vorwürfe und Vorbehalte zwischen Deutschen und Ukrainern erläutert der bekannte ukrainische Intellektuelle Jurko Prochasko. Er widerspricht dem "Kardinalvorwurf" der vermeintlich "nationalistischen" Ukrainer: Während die Kritiker den ukrainischen "Nationalismus" dämonisierten, verharmlosten sie gleichzeitig den russischen Imperialismus.