Papst-Kritik : Franziskus führt die Kirche gegen die Freiheiten des Westens
Das Buch "Der Papst der Enttäuschungen" zeichnet das Bild eines konservativen Priesters, billigt ihm allenfalls etwas Barmherzigkeit zu.
Die römisch-katholische Kirche befindet sich auf antiwestlichen Kurs, und der könnte sich unter den Nachfolgern des derzeitigen Papst Franziskus noch verschärfen. Diese These vertritt der Journalist Michael Meier in seinem Buch "Der Papst der Enttäuschungen. Warum Franziskus kein Reformer ist".
Nicht nur innerkirchlich habe sich Franziskus, mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio, Veränderungen verweigert, die viele Katholiken im Westen, aber durchaus auch in anderen Erdteilen, sehnlichst wünschen: Priesteramt der Frau, Aufhebung des Pflichtzölibats für Geistliche, Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene, gleichgeschlechtliche Ehe. Auch weltpolitisch habe sich der derzeitige Bischof von Rom auf die Seite der Gegner des Westens geschlagen.
Papst Franziskus I. auf dem Petersplatz in Rom im Oktober 2017 während der wöchentlichen Generalaudienz.
"Der Papst fraternisiert gern mit Staatsklerikern antiwestlich ausgerichteter Religionsgemeinschaften", schreibt Meier. In der Tat kommt man nach der Lektüre des Buchs zu dem Schluss: Franziskus, der Armut predigt und als Anwalt des globalen Südens auftritt, lehnt den westlichen Lebensstil ab. Meier beschreibt, wie der Vatikan-Chef Angriffe auf diesen unzureichend verurteilt.
Die griechisch-katholische Kirche der Ukraine fühlte sich verraten
Der Autor verweist auf Franziskus Reaktion nach dem islamistischen Terrorakt gegen tanzende Jugendliche in Israel im Oktober 2023, gemeinsame konservative Positionierungen mit dem islamischen Geistlichen Ahmed al Tayyeb oder die russische Invasion in die sich Richtung EU orientierende Ukraine. Bergoglio zeige Sympathie für den russischen Patriarchen Kyrill und eine Romantisierung Groß-Russlands im Sinne Putins.
Es sei kein Wunder, dass sich die griechisch-katholische Kirche der Ukraine "verraten" gefühlt habe vom Papst, als dieser 2016, also nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Putin, bei einem Treffen mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill auf eine Verurteilung der damaligen russischen Aggression verzichtete. Nicht minder schlimm dürfte für die Kirche, der gut vier Millionen Gläubige angehören, gewesen sein, dass auch keine Verurteilung der 1946 erfolgten Zwangsfusion mit der Orthodoxie erfolgte.
Dabei lässt sich die Außenpolitik des Vatikans kaum trennen von den innerkirchlichen Diskussionen. Auch hier zeigt Franziskus kaum Interesse an westlichen Errungenschaften, die beispielsweise in den protestantischen Kirchen, aber auch der anglikanischen Kirche, verwirklicht sind. Parlamentarismus und demokratische Strukturen sind für ihn keine primären Ziele.
Das habe Franziskus beim Thema Synodalität gezeigt. Denn dort habe Franziskus den Heiligen Geist zur "Hauptperson der Synode" erklärt, der Mehrheitsentscheide und Parlamentarismus überwinden solle. "Solche Äußerungen in Zeiten des zunehmenden Autoritarismus und Demokratieabbaus sind kaum die Botschaft, an der Kirche und Welt genesen können", findet Meier.
Vatikan hat Erklärung der Menschenrechte bis heute nicht unterzeichnet
Die Absage an den Westen findet sich auch bei sexuellen Freiheiten und der Gleichberechtigung von Frauen. Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte hat der Vatikanstaat bis heute nicht unterzeichnet.
Die Erzählung, dass das Oberhaupt der römischen Kirche Reformen wolle, aber an den Strukturen innerhalb der vatikanischen Gemäuer scheitere, ist für den Buchautor dabei eine Mär: "Franziskus als Seelsorger und Hirte, der im Einzelfall Gnade vor Recht ergehen lässt, Barmherzigkeit über Lehramt und Dogma stellt, dieses aber nicht antastet." So treffe sich der Papst zwar mit Homosexuellen, lehne aber die liturgische Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen ab. "Man mag diesen Umgang mit Homosexuellen barmherzig nennen, glaubwürdig aber ist er nicht, sondern doppelzüngig", schreibt Meier. Den Zölibat halte Franziskus für nicht ursächlich für Sexualstraftaten und Übergriffe durch Priester. "Missbrauchsbischöfe oder solche, die vertuscht haben, sanktioniert er nur selten, manche schützt er gar vor Strafverfolgung."
Michael Meier:
Der Papst der Enttäuschungen.
Warum Franziskus kein Reformer ist.
Herder,
Freiburg 2024;
208 S., 20,00 €
Franziskus verzichtet zwar auf manchen Protz seiner Vorgänger. Trotzdem seien alle Hoffnungen auf liberale Reformen der Kirche vergebens, diese sei "in ihrer Substanz schlicht nicht reformierbar", so Meier. Selbst bei Wohlwollen gegenüber dem Katholizismus und Respekt vor seinen sozialen und kulturellen Leistungen bei der Prägung und Entwicklung (West-)Europas führt einen Meiers Buch letztlich zur Frage, inwieweit nicht nur dieser Papst, sondern Teile der römisch-katholische Amtskirche insgesamt im Widerspruch zu den Werten des Westens stehen.These belegt er schlüssig mit anschaulichen Beispielen
Meier belegt Thesen mit anschaulichen Beispielen
Michael Meier gelingt eine überzeugende Argumentation, seine These belegt er schlüssig mit anschaulichen Beispielen. Dabei ist es ihm gelungen, ein gut lesbares, lebendiges Buch zu verfassen, das nicht nur für Katholiken interessant ist, die am Reformprozess ihrer Kirche Interesse haben, sondern auch für Leser, die den Vatikan und die Kirche als wichtige (welt-)politische und gesellschaftliche Akteure betrachten.
Für die Debatte über politischen Autoritarismus und reaktionäre gesellschaftliche Strömungen liefert Meier einen ergänzenden Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden sollte. Denn eine antiwestliche Kirche stellt auch innenpolitisch eine Herausforderung dar.
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