Buchbesprechung : "Männer schaden sich selbst"
Der Ökonom Boris von Heesen quantifiziert in seinem Buch "Was Männer kosten" den hohen Preis des Patriarchats.
Bücher zu geschlechterpolitischen Themen, die männliches Verhalten pauschal kritisieren, gibt es in diesen Tagen zuhauf. Auf den ersten Blick passt auch Boris von Heesens Titel "Was Männer kosten" in diese Kategorie, doch dieser Eindruck täuscht. Denn der Autor, Vorstand eines Jugendhilfeträgers und auch in der Männerberatung tätig, kennt die Sorgen seiner Klientel. Ihm geht es nicht darum, Männer anzuklagen, sondern "sie aus Rollenmustern zu befreien, die ihnen selbst schaden".
Von Heesen ist gelernter Wirtschaftswissenschaftler, daher konzentriert er sich auf die erschreckenden Zahlen. Nach seiner Rechnung verursacht ungesundes männliches Verhalten Jahr für Jahr gesellschaftliche Kosten von über 60 Milliarden Euro. Vor allem bei den Themen Gewalt, Sucht und Straßenverkehr dominieren Männer die negativen Statistiken.
Gewalt und Sucht in Zahlen
Ein paar Details: 130 Euro kostet den Staat ein Tag im Gefängnis, 94 Prozent der Häftlinge sind männlich; die jährlichen Mehraufwendungen für den Justizvollzug summieren sich auf gut drei Milliarden Euro. Häusliche Gewalt - 81 Prozent der Opfer sind weiblich - schlägt mit 3,75 Milliarden Euro zu Buche. Drei von vier Alkoholabhängigen sind Männer, gesellschaftliche Mehrkosten: 26,22 Milliarden Euro. Der doppelt so hohe männliche Tabakkonsum kostet 14,98 Milliarden Euro. 88 Prozent der "pathologischen" Glücksspieler sind Männer, Mehraufwendungen: 0,33 Milliarden Euro. Vier von fünf Konsumenten illegaler Drogen sind männlich, macht weitere 2,4 Milliarden Euro. Die Gesamtsumme allein bei den Suchtfolgen, rechnet der Autor vor, entspricht der Höhe des Bruttoinlandsprodukts von Serbien": 43,98 Milliarden Euro.
Andere wichtige Faktoren sind der Straßenverkehr und die Ernährung. Zwei Drittel aller Autobesitzer sind Männer, mit steigendem Hubraum wächst ihr Anteil. Der "Gender Gap" bei den Kosten von Unfällen mit Verletzten beträgt 2,51 Milliarden Euro. 83 Prozent der eingezogenen Führerscheine gehören Männern, sie stellen 78 Prozent der bestraften Raser und 77 Prozent der Registrierten mit Punktekonto "in Flensburg". Männer sind auch häufiger übergewichtig, sie essen mehr Fleisch, dafür weniger Obst und Gemüse. Die Mehrkosten durch ungesundes Essen betragen über sechs Milliarden Euro.
Plädoyer für ein flächendeckendes Netzwerk von Männerberatungsstellen
Der Ökonom spricht vom "hohen Preis des Patriarchats", vermeidet aber Reizworte der Gender-Debatte wie "toxische Männlichkeit". Männer seien "keinesfalls allein schuld an der Misere", sollten aber "ihre Rolle fortwährend kritisch reflektieren". Von Heesen fordert die staatlichen Behörden auf, die vorhandenen Daten in konkrete Handlungsschritte umzusetzen: "Ich frage mich, warum das Bundeskriminalamt, die Polizeibehörden der Länder oder das Kraftfahrtbundesamt die alarmierenden Zahlen nicht regelmäßig und prominent ins Zentrum der Öffentlichkeit rücken."
Von Heesen plädiert für ein flächendeckendes Netzwerk von Männerberatungsstellen und einen "digitalen Gleichstellungsmonitor, der alle relevanten Statistiken übersichtlich macht". So könnten Medien, Wissenschaft und Politik "aus einer zentralen Informationsquelle schöpfen und daraus Veränderungsprozesse ableiten".
Boris von Heesen:
Was Männer kosten.
Der hohe Preis des Patriarchats.
Heyne Verlag,
München 2022:
304 S., 18 €