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Foto: DBT/Xander Heinl
Autorin Shelly Kupferberg, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Autorin Helene Bukowski, Soziologin Jutta Allmendinger und Journalistin Anke Plättner (v.l.n.r.), bei der Buchpräsentation im Bundestag.

Frauen im ersten Deutschen Bundestag : Pionierinnen der Politik

Das Buch "Der nächste Redner ist eine Dame" zeichnet ein lebendiges Porträt der 38 Parlamentarierinnen in der Männerdomäne des ersten Deutschen Bundestags.

17.05.2024
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4 Min

Vor 75 Jahren trat der erste Deutsche Bundestag zusammen. Unter den 410 Abgeordneten waren nur 28 Frauen - zehn weitere rückten im Laufe der Legislaturperiode nach, wenn ein Mitglied aus dem Parlament ausschied. Viele Namen und Biografien der ersten weiblichen Abgeordneten sind heute vergessen - bis jetzt.

Denn am 15. Mai 2024 erschien das Buch "Der nächste Redner ist eine Dame", das die faszinierenden Biografien dieser ersten Abgeordneten im Bundestag beleuchtet. Die Autorinnen Helene Bukowski, Julia Franck, Shelly Kupferberg, Terézia Mora und Juli Zeh haben fünf der insgesamt 38 Frauen auf persönliche und tiefgründige Weise porträtiert.

Ein lebendiges Bild außergewöhnlicher Frauen 

Ergänzt werden die Porträts durch die Kurzbiografien aller weiteren weiblichen Abgeordneten des ersten Bundestages. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) schrieb das Vorwort, die Historikerin Natalie Weis, die für den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages federführend zu den Abgeordneten recherchierte, die Einleitung. Entstanden ist ein lebendiges Bild der außergewöhnlichen Frauen, das nicht nur politisch Interessierte in ihren Bann zieht.

Foto: DBT/Xander Heinl

Großer Andrang auf der Fraktionsebene des Bundestages: In ihrer Rede forderte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) Parität im Parlament.

Bei der Buchvorstellung am Mittwochabend im Bundestag würdigte die Bundestagspräsidentin Bas die ersten weiblichen Abgeordneten als "echte Pionierinnen, denen wir alle viel zu verdanken haben". Dennoch sei der Weg bis zur tatsächlichen Gleichberechtigung noch lang, sagte Bas. Obwohl heute etwa ein Drittel der Bundestagsabgeordneten weiblich sei - im ersten Bundestag waren es nur neun Prozent -, reiche das nicht aus. Bas forderte: "Wir wollen Parität".

Im Anschluss sprach die Bundestagspräsidentin mit den Autorinnen Helene Bukowski und Shelly Kupferberg sowie der Soziologin Jutta Allmendinger in einer Podiumsdiskussion über die ersten Frauen im Bundestag und den Stand der Gleichberechtigung. Die Journalistin Anke Plättner moderierte das Gespräch.

Abgeordnete brauchten für Mandat Zustimmung ihres Ehemannes

Einig waren sich die vier Frauen an diesem Abend, dass seit dem Zusammentreten des ersten Bundestages große Fortschritte für die Rechte der Frauen erzielt wurden. Heute sei es zum Glück kaum mehr vorstellbar, dass die ersten weiblichen Abgeordneten noch die Zustimmung ihres Ehemannes benötigten, um ihr Bundestagsmandat antreten zu dürfen oder die Erlaubnis ihres Gatten brauchten, um überhaupt arbeiten zu können. Die Soziologin Allmendinger sagte, sie habe beim Lesen des Buches tiefe Demut empfunden - davor, was die ersten weiblichen Abgeordneten und die Frauen ihrer Zeit haben leisten müssen.

Wer waren diese Pionierinnen der Politik in der Bundesrepublik? Unter ihnen befinden sich bemerkenswerte Persönlichkeiten wie Margarete Hütter (DVP, FDP), die spätere erste Botschafterin der Bundesrepublik im außereuropäischen Ausland oder die spätere erste Bundesfamilienministerin, Aenne Brauksiepe (CDU).


„Diese Frauen waren in allem oft die ersten, geübt darin Umwege zu gehen und hart im Nehmen.“
Natalie Weis

Die Historikerin Weis erklärt: "Diese Frauen waren in allem oft die ersten, geübt darin Umwege zu gehen und hart im Nehmen". Viele von ihnen waren die ersten Frauen in ihren Familien, die einen höheren Schulabschluss erlangten oder überhaupt studieren durften. Einige von ihnen entschieden sich dazu, direkt zu promovieren, da es ihnen nicht erlaubt war, das Staatsexamen abzulegen.

Auch der Zweite Weltkrieg hinterließ tiefe Spuren in den Biografien der Frauen. Eine besonders bewegende Geschichte ist die von Jeanette Wolf (SPD), der einzigen jüdischen Holocaust-Überlebenden im Deutschen Bundestag. Sie wurde die kompletten zwölf Jahre der NS-Diktatur verfolgt und verlor ihre Familie im Konzentrationslager. Dennoch kehrte Wolf nach Deutschland zurück und entschied sich, "nicht zu hassen". Im Bundestag forderte sie als eine der ersten Entschädigungen für Holocaust-Opfer.

Der lange Weg zur Gleichberechtigung

Im Bundestag mussten sich die weiblichen Abgeordneten häufig Gehör bei ihren männlichen Kollegen verschaffen und nicht selten ihren Platz am Rednerpult erkämpfen. Anfangs wurden sie nicht einmal zu Abendveranstaltungen eingeladen, vielmehr sollten sie mit der Frau des Bundespräsidenten Tee trinken. Dass Frauen im ersten Bundestag noch keine Selbstverständlichkeit waren, offenbarte der damalige Bundestagspräsident Erich Köhler (CDU), der mit dem Satz "Der nächste Redner ist eine Dame" die Abgeordnete Anne Marie Heiler (CDU) ankündigte.


Deutscher Bundestag (Hg.):
Der nächste Redner ist eine Dame.
Die Frauen im ersten Deutschen Bundestag.
Ch. Links,
Berlin 2024;
256 Seiten, 25,00 €


Trotz dieser Widerstände wurden die Abgeordneten zu Wegbereiterinnen in der Politik. Sie debattierten über Themen, die auch heute noch strittig diskutiert werden - darunter das Recht auf Schwangerschaftsabbruch oder die Bewaffnung der Bundesrepublik. Else Brökelschen (CDU) warnte ihre Kolleginnen davor, sich auf "Frauenthemen" zu reduzieren. Sie forderte: "dass die Abgeordnetinnen in allen Parlamenten sich nicht auf die Gebiete abdrängen lassen oder sie bevorzugen zu müssen glauben, die mit Sozialpolitik oder Jugendfürsorge zusammenhängen." Von den Männern verlangte sie: "dass sie etwa noch vorhandene Reservatanspruche rein 'männlicher Politik' aufgeben".

Am Mittwochabend sind sich Frauen auf dem Podium einig, dass ein Buch entstanden ist, das viel über die Rolle von Frauen in Politik und Gesellschaft verrät und den langen Weg zur Gleichberechtigung aufzeigt. Bukowski sagte, "Der nächste Redner ist eine Dame" sei ein Buch, das man nicht nur seinen Töchtern schenken sollte - sondern besonders seinen Söhnen.

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