Rezension: "Deals mit Diktaturen" : Schwieriger Umgang mit dem äußeren Schweinehund
Der Historiker Frank Bösch zeichnet die Außenpolitik Deutschlands gegenüber Dikataturen und anderen unliebsamen Regimen nach.
Ein "Schweinehund" sei er, keine Frage, "aber er ist unser Schweinehund". So soll sich US-Präsident Franklin D. Roosevelt 1938 über Nicaraguas Diktator Anastasio Somoza Garcia ausgelassen haben. Das Regime der Somoza-Familie hielt sich in Nicaragua noch lange an der Macht. Als der Sohn des "Schweinhunds" Anastasio Somoza Debayle sich nach seinem Sturz 1979 im Exil im Florida niederlassen wollte, gab ihm die Regierung von US-Präsident Jimmy Carter zu verstehen, dass seine Anwesenheit nicht erwünscht sei. Die Zeiten hatten sich geändert.
Sandinisten nach ihrem Sieg am 19. Juli 1979 in Managua, der Hauptstadt von Nicaragua, neben einer umgestürzten Statue von Anastasio Somoza Garcia, dem Vater des besiegten Diktators.
Wie die Bundesrepublik mit Autokratien und "Schurkenstaaten" seit 1949 umgegangen ist, das hat der Historiker Frank Bösch in seinem Buch "Deals mit Diktaturen" untersucht: Von den ersten außenpolitischen Gehversuchen im Schatten der Nazi-Diktatur, als die junge Demokratie des westlichen Deutschlands gewissermaßen selbst noch ein Paria war und etwa die Nähe zum iranischen Schah-Regime suchte, bis zur viel diskutierten "wertegeleiteten Außenpolitik" der Gegenwart, auf die sich SPD, Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag verständigt haben. Letzterem Anliegen steht der Autor nicht ablehnend gegenüber, gießt aber doch Wasser in den Wein. Die Vorstellung, mit Anreizen in der Außen- und Entwicklungspolitik, mit Druck, Sanktionen oder gar militärischen Interventionen auf autoritäre Regime einzuwirken und der Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen, habe sich nach dem Epochenwandel von 1989 allzu oft als Illusion erwiesen.
Wendepunkt: Der Schah-Besuch im Jahr 1968
Und doch finden sich Beispiele, bei denen Außenpolitik in diesem Sinne Wirkung entfalten konnte. Bösch zeichnet nach, wie sich die bundesdeutsche Politik nach anfänglicher Hartleibigkeit gegen Kritik am Umgang mit Ländern wie Francos Spanien stärker auf die Frage der Menschenrechte einließ. Der Schah-Besuch 1968, bei dem der Protest von Studenten und Exil-Iranern von der West-Berliner Polizei niederknüppelt wurde, war ein markanter Wendepunkt, der Schock mit Blick auf die Militärputsche in Griechenland 1967 und Chile 1973 ebenso: Hier sahen laut Bösch Teile der deutschen Öffentlichkeit die Bedrohung eines Abgleitens in die Diktatur auch für die Bundesrepublik aufziehen. Mit dem Eintreten für bedrängte Oppositionelle aus diesen Ländern entwickelte eine wache Öffentlichkeit wirkungsvolle außenpolitische Instrumente, die die Bundesregierungen nach und nach in ihren Dialog mit Autokratien aufnahm und die zum Beispiel der Bundestag mit seinem Programm "Parlamentarier schützen Parlamentarier" pflegt. Der Gründung der deutschen Sektion von Amnesty International, der damals größten Sektion in Westeuropa, widmet Bösch ein ganzes Kapitel.
Und dennoch ließen sich die Bundesregierungen im Umgang mit Diktaturen immer auch durch pragmatische, "realpolitische" Überlegungen leiten: Absatzmärkte und Rohstoffabhängigkeiten gehörten dazu, auch Bündnisfragen im Kalten Krieg und die Interessen westlicher Partner. Das Konzept eines "Wandels durch Handel", eine Liberalisierung von Autokratien durch wechselseitige Verflechtung und Interdependenz, sieht Bötsch mit Blick auf die Beispiele Chinas und Russlands als vorerst widerlegt an. Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands bleibt für ihn dennoch "ein potentielles Faustpfand, um für Menschenrechte einzutreten".
Bösch liefert Belege für die Lernfähigkeit einer Demokratie
Böschs Buch bietet interessante Einblicke in einen grundlegenden Wandel der Bundesrepublik und zeigt auf überzeugende Weise, dass Außenpolitik nicht allein Sache der Bundeskabinette war, sondern sich im Wechselspiel zwischen einer selbstbewusster auftretenden politischen Öffentlichkeit, den Interessen oppositioneller migrantischer Gruppen, den Interessen von Unternehmen und Beharrungskräften in den Ministerien konstituierte.
Ob das Buch damit gleich eine "andere Geschichte der Bundesrepublik" bietet, mag dahingestellt sein. Dass Außenpolitik auf innenpolitische Stimmungen reagiert, ist keine Überraschung, auch nicht die Beobachtung, dass gerade die junge Bundesrepublik bei Deals mit Diktaturen alles andere als zimperlich war. Hinter die Wirksamkeit eines demokratischen "Werteexports" heute setzt Bösch mit guten Gründen einige Fragezeichen. Für die Lernfähigkeit einer Demokratie, ihre Fähigkeiten zu Kurskorrekturen und Interessenausgleich liefert sein Buch ebenso gute Belege.
Frank Bösch:
Deals mit Diktaturen.
Eine andere Geschichte der Bundesrepublik.
C.H. Beck,
München 2024;
622 Seiten; 32,00 €